JudikaturOLG Wien

17Bs46/24z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilprozessrecht
21. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Schneider Reich in der Strafsache gegen A* ua wegen §§ 80 Abs 1 StGB uaD über die Beschwerde des Sachverständigen DI B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 26. Jänner 2024, GZ 17 HR 5/24m 12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 28. November 2023 bestellte die Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau im Verfahren gegen A* ua wegen §§ 80 Abs 1 StGB uaD zu 60 BAZ 753/23v DI B* zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Unfallanalyse und beauftragte ihn mit der Erstattung von Befund und Gutachten zur Klärung der Verschuldensfrage (bei einem Verkehrsunfall, siehe ON 1.4, ON 7).

Das Gutachten samt Kostennote langte am 7. Jänner 2024 ein (ON 10). Dabei verzeichnete der Sachverständige in der Gebührennote (ON 10.5) näher aufgeschlüsselte Gebühren in Höhe von insgesamt EUR 1.124, inkl USt:

Am 10. Jänner 2024 erhob die Revisorin dagegen Einwendungen (ON 1.8), bei den verzeichneten Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften handle es sich um Fixkosten, welche typischerweise anfallen und daher mit der Gebühr für Mühewaltung abgegolten würden. Weiters seien Spesen (Fax, Telefon ua) Kosten, die mit einem Gutachtensauftrag verbunden seien, sodass sie zu den Fixkosten zählten und nicht als variable Kosten zu ersetzen seien. Die angesprochenen Beträge für die Anfertigung von Ablichtungen für den Handakt des Sachverständigen stünden bei einem elektronisch geführten Akt der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien entsprechend nicht zu.

In seiner Stellungnahme hiezu vom 23. Jänner 2024 (ON 11), mit der er auch eine in Bezug auf die Anzahl der Kopien korrigierte Kostennote über EUR 1.084,-- vorlegte, führte der Sachverständige aus, es sei vollkommen unklar, wie bei Sachverständigen, die ihre Mühewaltung nach vorgegebenen Tarifen abrechnen müssen, Fixkosten bereits berücksichtigt sein sollten. Für alle Tätigkeiten, die in der Mühewaltung subsumiert seien, sei ein Zeitaufwand von zumindest acht Stunden angefallen, für den er mit lediglich EUR 224,40 inkl USt entlohnt würde, er fordert „Fingerspitzengefühl“ mit einer Differenzierung zwischen Sachverständigen, die nach Tarif abrechnen müssten, und Sachverständigen, die nach Stunden abrechnen müssten, sodass erstere auch Fixkosten gelten machen sollten, was ebenso für die Spesen gelte. Was den Punkt Kosten für Ablichtungen beim elektronischen Akt anlange, so seien die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien zwar bekannt, aber nicht nachvollziehbar und praxisfremd. Vielmehr bedürfe es eines Ausdrucks von Fotos an der Unfallstelle und könnte dies nicht mit einem Computer vor Ort geschehen. Es wäre an der Zeit, dass sich das Oberlandesgericht wieder stärker an den tatsächlichen notwendigen Arbeitsabläufen orientiere, weshalb diese eingeladen seien, sich diese einmal anzusehen.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Kosten des Sachverständigen – erkennbar unter Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 124,-- - wie folgt:

Dazu führte es begründend aus:

Soweit der Sachverständige für „Spesen: Porto, Telefonate, Faxe, Kuverts, div. Barauslagen“ unter dem Titel des § 31 Abs 1 GebAG begehrt, ist er darauf zu verweisen, dass es sich dabei – den angeführten Schlagworten nach – um Kosten handelt, die bereits typischerweise mit der SV-Tätigkeit verbunden sind, weswegen diese als Fixkosten zu werten sind und demnach weder nach § 30 GebAG noch nach § 31 GebAG honoriert werden können (OLG Wien 17 Bs 281/22f; 20 Bs 338/22k).

Gemäß § 30 GebAG sind dem Sachverständigen die Kosten für Hilfskräfte so weit zu ersetzen, als deren Beiziehung nach Art und Umfang der Tätigkeit unumgänglich notwendig sind. Dem Sachverständigen steht die Beiziehung von Hilfskräften auch ohne ausdrücklichen Gerichtsauftrag frei, jedoch hat er bei Geltendmachung der Gebühr jene Umstände darzulegen, aus denen sich die Notwendigkeit der Beiziehung von Hilfskräften ergibt, um eine entsprechende Nachprüfung und Überwachung zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0119962). Diese „unumgängliche Notwendigkeit“ der Beiziehung von Hilfskräften ist jedoch teleologisch dahingehend einzuschränken, dass der diesbezügliche Aufwand bereits dann zu ersetzen ist, wenn die Verwendung von Hilfskräften keine höheren Kosten verursachte, als sie ohne deren Beiziehung betragen hätten (RIS-Justiz RG0000085). Die Höhe der Kosten für Hilfskräfte richtet sich danach, welche Kosten dem Sachverständigen durch deren Beiziehung tatsächlich entstanden sind. Diese Kosten hat der Sachverständige gemäß § 38 Abs 2 GebAG zu bescheinigen (OLG Wien 22 Bs 279/10f mwN). Das gesetzliche Leitbild bei der Regelung des Ersatzes von Hilfskraftkosten ist das eines nur nebenberuflich für Gerichte und Staatsanwaltschaften tätigen Sachverständigen, der im Hauptberuf verfügbare Hilfskräfte gelegentlich - für einzelne weniger wichtige Arbeiten - für seine Gutachtertätigkeit einsetzt (Krammer, Aktuelle Fragen des Gebührenanspruchsrechts, Sachverständige 2015/4, 196, 198; Schmidt, Ersatz von Hilfskraftkosten – Lösungsansätze, Sachverständige 2016/2, 81). Ist in § 31 GebAG nur der Ersatz von variablen Kosten, nicht aber von Fixkosten vorgesehen (Abs 1 leg. cit.) und erklärt Abs 2 leg. cit., dass alle anderen Aufwendungen des Sachverständigen mit der Gebühr für Mühewaltung abgegolten sind, wendet die seit der letzten großen GebAG-Novelle durch das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 (BRÄG 2008), BGBl I 2007/111, ergangene Rechtsprechung das Verbot des Fixkostenersatzes auch auf den Ersatz von Hilfskraftkosten nach § 30 GebAG an und judiziert in herrschender Rechtsprechung, dass Hilfskraftkosten jedenfalls dann nicht zu ersetzen sind, wenn sie zu den Fixkosten zu rechnen sind. Also kein Ersatz einer Büro- oder Ordinationspauschale, aber auch kein Ersatz der Kosten von administrativen Hilfskräften für Terminvereinbarungen, Hilfsdienste bei der Manipulation oder für die Erledigung von Wegen durch angestellte Hilfskräfte oder für sonstige Sekretariatsaufgaben (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4, E 45ff; 22 Bs 2/18g mwN; 17 Bs 281/22f; 20 Bs 338/22k). Eine teleologische Reduktion des in § 31 GebAG enthaltenen Verbots des Fixkostenersatzes, wonach auch die Hilfsarbeiten durch Bürohilfskräfte zusätzlich zur Mühewaltungsgebühr ersatzfähig sein sollen, wird in der Rechtsprechung indes dann vertreten, wenn diese in Anbetracht des Umfanges des Gutachtensauftrages geboten erscheint. So beispielsweise im Zusammenhang mit umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren, die nur mit Einsatz eines großen Mitarbeiterstabs durch mehrere Monate oder gar Jahre erarbeitet werden können, nicht aber durch einen Sachverständigen, der als einzelne physische Person im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigkeit mit einer – gelegentlich – stundenweise eingesetzten Hilfskraft das Gutachten erstellt (vgl zu alledem 22 Bs 2/18g; 20 Bs 100/20g). Im konkreten Fall handelt es sich jedoch um keinen übermäßig umfangreichen Ermittlungsakt, weswegen die vom Sachverständigen mit EUR 30,00 verzeichneten „Gesamtkosten für Hilfskraft (Aktenmanipulation)“ als Fixkosten zu werten und folglich nicht gesondert – neben dem Mühewaltungstarif des § 48 GebAG – zu honorieren waren.

Hinsichtlich der vom Sachverständigen für Aktenablichtungen unter dem Titel des § 31 Abs 1 bis 4 GebAG verrechneten Beträgen von jeweils EUR 16,50; EUR 19,50; EUR 23,10 und EUR 2,20 ist auf die ständige Rechtsprechung des OLG Wien zu AZ 17 Bs 281/22f sowie AZ 20 Bs 338/22k zur Ersatzfähigkeit von Ablichtungen und Kopien gemäß § 31 Abs 1 GebAG im Kontext elektronisch geführter Akten. In der letztgenannten Entscheidung wurde zu einem sehr ähnlich gelagerten Fall ausgeführt: „Seit dem Jahr 2018 wird die im Rahmen von Justiz 3.0 neu gestaltete elektronische Akteneinsicht direkt im Internet angeboten, womit insbesondere Sachverständigen der Zugriff auf Verfahrensdaten und Akten ermöglicht wurde. Sinn und Zweck der Umstellung auf den digitalen Akt ist eine effiziente und kostensparende Arbeitsweise, welche dadurch konterkariert würde, wenn sich die zur vollständigen elektronischen Akteneinsicht Freigeschalteten den Akt in Papierform ausdrucken würden. Zur Argumentation des Beschwerdeführers, er könne an der Unfallörtlichkeit mit Laptop oder Tablet nicht gleichermaßen effizient arbeiten wie mittels Handakts, ist letztlich auszuführen, dass die Art, wie der Sachverständige die Befundaufnahme durchführt, ihm überlassen bleibt; wenn er für den persönlichen Gebrauch Ausdrucke herstellen und somit mit einer Aktenkopie arbeiten möchte, bleibt ihm natürlich unbenommen, dies zu tun; doch werden die Kosten hiefür nicht ersetzt, weil es sich um keine notwendigerweise verbundenen Kosten handelt.“ (OLG Wien 20 Bs 338/22k, S 3f; mwN insb. die umfangreiche dg. Judikatur in Bezug auf Ersatzanträge von Verfahrenshelfern). Im konkreten Fall wurde der Sachverständige gleichzeitig mit seiner Bestellung für 10 Wochen zur elektronischen Akteneinsicht in den gesamten Akt freigeschaltet (ON 1.4). Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des OLG Wien sowie dem darin rezitierten gesetzgeberischen Effizienzgedankens hinter der elektronischen Aktenführung, war eine Honorierung der für Ablichtungen und Lichtbilder verzeichneten Beträge zu versagen. Gleiches gilt für die zwei verzeichneten Kopien des Schriftverkehrs in Höhe von gesamt EUR 1,20, da auch dieser in elektronischer Form zur Verfügung stand (ON 10.1). Auf die hilfsweise Argumentation des Sachverständigen hinsichtlich der Praktikabilität physischer Aktenkopien während mündlicher Verhandlungen vor dem LGZ Wien war mangels Bezug auf den gegenständlichen Akt nicht einzugehen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde des Sachverständigen (ON 13), die den Inhalt seiner Stellungnahme zu den Einwendungen der Revisorin wörtlich wiedergibt, kommt keine Berechtigung zu.

Die Revisorin hat auf Beschwerdebeantwortung verzichtet, dabei aber darauf hingewiesen, dass dem Sachverständigen auch eine Mühewaltungsgebühr gemäß § 34 GebAG im Ausmaß von drei Stunden für diverse Tätigkeiten zuerkannt worden sei und er seine Mühewaltung daher nicht nur unter dem Tarifzwang des § 48 GebAG abgegolten erhalten habe (ON 16).

Das Erstgericht hat mit vorbildhaft ausführlicher und rechtlich richtiger Begründung unter korrektem Zitat der Judikatur des Oberlandesgerichts Wien, die dem Beschwerdeführer seinem eigenen Vorbringen nach bekannt ist und von der abzugehen kein Anlass besteht, dargelegt, dass und warum eine Honorierung der Kosten einer Hilfskraft für Aktenmanipulation und der Kosten für Ablichtungen und Kopien aus einem elektronisch geführten Akt nicht infrage kommt, wobei – in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Revisorin – anzumerken ist, dass dem Beschwerdeführer auch eine Mühewaltungsgebühr gemäß § 34 GebAG im Ausmaß von drei Stunden für diverse Tätigkeiten zuerkannt wurde, und er seine Mühewaltung daher nicht nur unter dem Tarifzwang des § 48 GebAG abgegolten erhielt.

Da die Beschwerde kein über die Ausführungen in der Stellungnahme vom 23. Jänner 2024 (ON 11) hinausgehendes Sach- oder Rechtsvorbringen enthält, sondern sich weiterhin in Kritik an gefestigter Rechtsprechung des Oberlandesgerichts und einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglichen „Aufträgen“ an ebendieses ergeht, wird – zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen und aus Gründen der Verfahrensökonomie – zulässig (siehe RIS-Justiz RS0124017 [T2, T3, T4]) auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses, die sich diese Beschwerdeentscheidung zu eigen macht, verwiesen.

Der Beschwerde gegen den sach und rechtsrichtig gefassten Beschluss war daher ein Erfolg zu versagen.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Rückverweise