17Bs20/24a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* ua wegen §§ 83 Abs 1 StGB uaD über die Berufung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. September 2023, GZ 48 Hv 107/22f 39.3, nach der am 21. Februar 2024 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Lechner sowie der Angeklagten A* und B* durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am ** geborene iranische Staatsangehörige A* und der am ** im Iran geborene österreichische Staatsbürger B* die Erstangeklagte des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der Zweitangeklagte des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB schuldig erkannt und hiefür, jeweils unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, A* nach § 222 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und B* nach § 288 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafen jeweils nach § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
A* wurde weiters gemäß § 369 Abs 2 StPO schuldig erkannt, dem Privatbeteiligten C* binnen 14 Tagen EUR 900, zu zahlen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben sie in **
I.) am 18. Juni 2022
A.) A* und B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) einem Tier unnötige Qualen zugefügt, indem sie den Husky der A* bei einer Außentemperatur von zumindest 26 Grad in einem von der Sonne beschienenen PKW für zumindest zehn Minuten bei nicht hinreichend weit geöffneten Fenstern zurückließen;
B.) A*
1.) C* vorsätzlich am Körper verletzt, indem sie ihn aufgrund seiner Intervention wegen der unter Punkt I.A. beschriebenen Tat mehrfach mit ihren Fingernägeln im Bereich der Arme, der Brust und des Rückens kratzte, sodann am Kragen seines Shirts erfasste und daran riss, wodurch der Genannte Kratzwunden im Bereich des Rückens, der Brust und der Arme erlitt;
2.) im Zuge der unter Punkt I.B.1. beschriebenen Tat eine fremde Sache, nämlich das Shirt des C*, zerstört;
C.) B* C* im Anschluss an die unter Punkt I.B.1. beschriebene Tat
1.) vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, indem er ihm mehrere Schläge mit den Händen bzw. den Fäusten gegen den Körper bzw. Kopf versetzte, wobei der Genannte keine weiteren Verletzungen erlitt;
2.) mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sinngemäß zu ihm sagte, er werde ihn umbringen, falls sein Baby tot wäre, womit er sich auf Abwehrhandlungen des Genannten gegenüber der A* bezog;
II.) am 16. Juli 2022 B* als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er insbesondere wahrheitswidrig angab, C* hätte sein Shirt selbst zerrissen und A* unvermittelt mit der Hand ins Gesicht geschlagen, zu Boden gestoßen und ihr am Boden liegend mehrere Tritte versetzt, wobei die Genannte ihn nicht angegriffen hätte.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht bei der Erstangeklagten als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel, erschwerend das Zusammentreffen von drei Vergehen, beim Zweitangeklagten als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend das Zusammentreffen von vier Vergehen.
Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bei der Erstangeklagten und von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe beim Zweitangeklagten erachtete das Erstgericht die verhängten Freiheitsstrafen als schuld und tatangemessen und schloss sowohl ein diversionelles Vorgehen als auch die Verhängung einer Geldstrafe aus spezialpräventiven Erwägungen aus.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 40), mit ON 45 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt mit der Forderung auf schuld und tatangemessene Erhöhung der Freiheitsstrafen, der Berechtigung nicht zukommt.
Denn das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig erfasst und angemessen gewichtet und ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 32 StGB sowie spezial und generalpräventiver Aspekte ausgehend von den genannten Strafrahmen zu diese zu jeweils ein Viertel ausschöpfenden Strafen gelangt, die aus folgenden Erwägungen keiner Erhöhung bedürfen:
Beide Angeklagte weisen einen bisher tadellosen Lebenswandel auf. Die Berufungsausführungen, diesem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB komme weniger Gewicht zu, weil die beiden Angeklagten noch nicht so lange (nämlich ca 10 bzw weit über 20 Jahre [sic!]) im Bundesgebiet aufhältig seien, und die eingeholte Strafregisterauskunft daher nur über einen kurzen Zeitraum Aufschluss geben können, wobei dem Milderungsgrund dabei nicht das gleiche Gewicht zukommen könne wie bei gleichaltrigen Personen, die ihr gesamtes Leben im Bundesgebiet zugebracht haben, ist nicht nachvollziehbar und dem Berufungsgericht auch nicht erfindlich, wie nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt einer Person, die nicht ihr gesamtes Leben im österreichischen Bundesgebiet zugebracht hat, jemals der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB zugute kommen könnte, wenn nicht aus jedem einzelnen Staat der Welt oder zumindest allen, in denen die Angeklagten je aufhältig waren, Strafregisterauskünfte eingeholt würden.
Weiters führt die Staatsanwaltschaft mehrere Pflichtverletzungen ins Treffen, übersieht damit aber, dass ohnedies das Zusammentreffen diverser Vergehen als erschwerend gewertet wurde, und lässt ebenso unberücksichtigt, dass sich das Tatgeschehen im Wesentlichen auf einen Vorfall an einem Tag in kurzer Zeit beschränkte, und nur die falsche Beweisaussage des Zweitangeklagten, allerdings mit Bezug auf den Vorfall am 18. Juni 2022, ein Monat später erfolgte.
Wenn die Staatsanwaltschaft mehrfach moniert, dass sich beide Angeklagte nicht zu einem reumütigen Geständnis bereit fanden, so ist darauf hinzuweisen, dass mangelnde Schuldeinsicht keinen Erschwerungsgrund darstellt (vgl 11 Os 118/13g uva), sondern lediglich den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB hindert, den das Erstgericht zutreffend auch noch nicht angenommen hat.
Der unbegründeten Berufung der Staatsanwaltschaft war sohin ein Erfolg zu versagen und spruchgemäß zu entscheiden.