JudikaturOLG Wien

33R170/23x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke NOVOLINE über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 6.9.2023, AM 11646/2022-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke

N OVOLINE

für die Waren der Klassen

6 Sonnenschutzvorrichtungen aus Metall, insbesondere Innen- und Außenjalousien, Markisenkonstruktionen und Zwischenglasjalousien; Sturzkästen, Führungsschienen, Halterungen und Profile aus Metall als Teile von Rollo-, Markisen- und Jalousienkonstruktionen; Rollläden aus Metall; Vorsatz-, Neubau-, Aufsatz- und Sturzkastenrollläden aus Metall; Markisen aus Metall; Gelenkarm-, Senkrecht-, Vertikal- und Terrassenmarkisen aus Metall; Insektengitterschutzrollos aus Metall; Spannrahmen-, Drehrahmen- und Schieberahmenrollos aus Metall; Lichtschachtabdeckungen aus Metall; Markisenkonstruktionen aus Metall, Jalousienkonstruktionen aus Metall; Rollokonstruktionen aus Metall

19 Sonnenschutzvorrichtungen nicht aus Metall, insbesondere Innen- und Außenjalousien, Außenraffstores, Rollläden, Markisenkonstruktionen und Zwischenglasjalousien; Sturzkästen, Führungsschienen, Halterungen und Profile nicht aus Metall als Teil von Rollo-, Markisen- und Jalousienkonstruktionen; Insektenschutzgitterrollos nicht aus Metall; Verbundjalousien nicht aus Metall; Vorsatz-, Neubau-, Aufsatz- und Sturzkastenrollläden nicht aus Metall; Lichtschachtabdeckungen nicht aus Metall

22 Markisen aus Kunststoff oder textilem Material; Markisen nicht aus Metall, insbesondere Gelenkarm-, Senkrecht-, Vertikal- und Terrassenmarkisen, Wintergarten- und Fenstermarkisen.

Die Rechtsabteilung wies den Antrag auf Eintragung der Wortmarke ab. Dem Zeichen fehle es an der nötigen Unterscheidungskraft iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Es bestehe aus den zusammengesetzten Wörtern „NOVO“ und „LINE“, denen beiden für sich ein eindeutiger Begriffsinhalt – „neu“ auf Portugiesisch und Kroatisch sowie „Linie“ auf Englisch – zukomme. Aufgrund der allgemeinen Gebräuchlich- und Verständlichkeit dieser Wörter erschließe sich ihr Sinn selbst jenen, die der angeführten Fremdsprachen nicht mächtig seien. „NOVO“ werde zudem auch von anderen Unternehmen für die Bewerbung und den Vertrieb von Markisen, Rollos, Jalousien udgl verwendet. Die Kombination der beiden Wörter sei keine ungewöhnliche Zusammensetzung; vielmehr sähen die Konsumenten in ihr nur einen informativen Hinweis darauf, dass die so bezeichneten Waren der Klassen 6, 19 und 22 zu einer neuen Produktlinie gehörten. Damit nähmen sie „NOVOLINE“ nicht als Marke, sondern nur als Information über die Qualität und Art der beanspruchten Waren wahr. Damit sei das Zeichen nicht geeignet, um als individualisierender Unternehmenshinweis zu dienen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Antragsstattgebung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Als Verfahrensmangel rügt die Antragstellerin, dass die Rechtsabteilung erst im bekämpften Beschluss darauf hingewiesen habe, „NOVO“ habe auch in der kroatischen Sprache eine Bedeutung. Dieses zusätzliche Argument habe sie in ihren zuvor der Antragstellerin zur Äußerung übermittelten Schreiben vom 23.2. und 16.5.2023 nicht erwähnt. Es komme für die Antragstellerin überraschend; sie habe sich dazu im Verfahren nicht äußern können.

1.1 Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wirkt nicht absolut und führt nicht in jedem Fall zur Aufhebung. Vielmehr hat das Rekursgericht die Entscheidung zu bestätigen, wenn selbst nach den eigenen Angaben des Rekurswerbers kein anderes Verfahrensergebnis zu erwarten ist ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I 2 § 58 Rz 16).

1.2 Mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Worts „NOVO“ in der kroatischen Sprache hat die Rechtsabteilung ihre – insbesondere im Schreiben vom 16.5.2023 offengelegte – Argumentation gestützt, dass „NOVO“ auch in anderen Sprachen mit ähnlichem Wortstamm vorkomme und selbst von Konsumenten ohne weitergehende Fremdsprachenkenntnisse im Sinne von „neu“ verstanden werde. Insoweit handelt es sich um kein neues, die Antragstellerin überraschendes Argument.

Überdies führt die Antragstellerin im Rekurs nicht aus, welchen Einfluss der Gehörverstoß auf die Richtigkeit der Entscheidung des Patentamts haben konnte, warum also ein früherer Vortrag zum neuen Argument das Vorliegen von Unterscheidungskraft begründet hätte. Die allfällige Relevanz eines Verfahrensverstoßes kann folglich nicht überprüft werden (vgl 133 R 9/19z, SPORTS DIRECT ; G. Kodek aaO Rz 19).

2. Die Antragstellerin argumentiert im Rahmen ihrer Rechtsrüge , das angemeldete Zeichen sei ein unterscheidungskräftiger Fantasiebegriff. Schon für die Zerlegung in die Bestandteile „NOVO“ und „LINE“ bedürfe es eines gewissen Interpretationsaufwands; in der Folge könne der Durchschnittsverbraucher den beiden Wörtern aufgrund ihrer Herkunft aus unterschiedlichen Sprachen und Sprachfamilien nicht ohne weiteres eine Bedeutung zuordnen. Beide Wörter seien außerdem jeweils für sich vom EUIPO als unterscheidungskräftige Zeichen registriert worden. In seiner Gesamtheit sei das Zeichen eine ungewöhnliche Kombination von Begriffen aus zwei unterschiedlichen Sprache; um darin die Bewerbung einer neuen Produktlinie zu sehen, bedürfe es ebenfalls weiterer Überlegungen des Konsumenten, sodass das Zeichen als individualisierender Unternehmenshinweis geeignet sei.

2.1 Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933, RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee ; C 104/00 P, Companyline ; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (vgl RS0066749; Koppensteiner , Markenrecht 4 82), und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 4 Rz 53 ff). Maßgeblich ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Inland (RS0079038), also jene des Handels und der normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (RS0079038 [T1]; Asperger aaO Rz 64-65; Koppensteiner aaO 83).

2.2 Nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 MSchG sind zudem solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können oder im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind. Ein Zeichen ist nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (RS0109431; 33 R 31/21b, BEBACARE ). Dabei müssen die Verkehrskreise „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und indirekten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen“ herstellen können (C 326/01 P, Universaltelefonbuch , Rz 33; C 494/08 P, Pranahaus , Rz 29; 4 Ob 153/21k, Myflat ). Lässt sich dagegen die Beziehung zwischen Ware oder Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung ebenso erlaubt, wie wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt (RS0066456; 33 R 91/23d, OLIOBENE ).

2.3 Bei Wortmarken bejaht die Rechtsprechung die Unterscheidungskraft nur bei frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörtern (im engeren Sinn) oder bei Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit den Waren und Dienstleistungen, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644).

2.4 Auch aus mehreren Worten zusammengesetzte Marken sind nach denselben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken; ihre Schützbarkeit ist zu verneinen, wenn sie nur eine Aussage über die Ware oder Dienstleistungen selbst enthalten, die sie beschreibt (RS0122385). Eine Marke, die sich aus einer sprachlichen Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, hat selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl 4 Ob 78/18a, SCHNEEWETTE mwN). Der EuGH hat darüber hinaus ausgesprochen, dass die Eintragung auch einer solchen Wortverbindung unzulässig ist, die geeignet ist, von anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Bezeichnung eines Merkmals ihrer Waren- oder Dienstleistungen verwendet zu werden (C 191/01 P, Doublemint , Rz 32). Dies erklärt sich aus der Überlegung, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, dass Zeichen oder Angaben, die Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von jedermann frei verwendet werden können, weshalb es nicht erlaubt ist, dass solche Zeichen oder Angaben einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (C 191/01 P, Doublemint , Rz 31; C 265/00, Biomild , Rz 36; 4 Ob 180/16y, FairUse ).

2.5 Fremdsprachige Begriffe sind im Allgemeinen so zu behandeln wie deutschsprachige ( Newerkla in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 4 Rz 224). Die Eintragung eines fremdsprachigen Worts als Marke ist unzulässig, wenn die beteiligten Verkehrskreise im Mitgliedstaat, in dem die Eintragung beantragt wird, imstande sind, die Bedeutung dieses Worts trotz seiner Fremdsprachigkeit zu erkennen (34 R 12/14f, Nero ; 33 R 91/23d, OLIOBENE ). Ob ein fremdsprachiger Begriff Kennzeichnungskraft hat, hängt somit davon ab, ob er im Prioritätszeitpunkt im Inland so weit bekannt war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s, car care ; 4 Ob 28/06f, Firekiller ; 4 Ob 11/14t, Expressglas ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood ; 4 Ob 28/06f, Firekiller ; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Die Verbindung zweier Worte verschiedener Sprachen bewirkt für sich auch noch keinen merklichen Unterschied zwischen der neuen Wortfolge und der bloßen Summe ihrer Bestandteile ( Asperger aaO Rz 92 mwN).

2.6 Die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, ist nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen (C 398/08 P, Vorsprung durch Technik , Rz 35 mwN). Für Werbeslogans gelten daher die gleichen Grundsätze wie für andere Mehrwortzeichen (vgl RS0122385 [T1]). Sie sind aber dann nicht schützbar, wenn der Satz oder Satzteil nur eine beschreibende Aussage über die Ware oder Dienstleistung enthält (17 Ob 21/11d, Echte Berge II ; 4 Ob 36/14v, SELECTIVE/LINE , Rz 3.2; 34 R 78/14m, BE ORIGINAL ). Entscheidend ist, ob der Verkehr aus dem Slogan zumindest gleichzeitig auch einen Herkunftshinweis entnimmt (C 398/08 P, Vorsprung durch Technik, Rz 45). Unterscheidungskraft fehlt neben beschreibenden Slogans vor allem üblichen Anpreisungen. Werbemäßige Anpreisungen sind als Marke nicht schützbar (4 Ob 36/14v, SELECTIVE/LINE , Rz 3.4 mwN).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft abzusprechen:

3.1 Entgegen der Argumentation der Antragstellerin zerfällt die angemeldete Wortkombination ohne weiteres Nachdenken in die Bestandteile „NOVO“ und „LINE“, gerade weil die beteiligten Verkehrskreise die Bedeutung der beiden Wörter trotz ihrer Fremdsprachigkeit erkennen können und damit die deutschen Wörter „neu“ und „Linie“ in Verbindung bringen:

3.1.1 Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache (4 Ob 36/14v, SELECTIVE/LINE ; 34 R 78/14m, BE ORIGINAL ). Der englische Begriff „line“ ist im Geschäftsverkehr, in der Werbung, in Medien, im Internet – zB „online“, „hotline“, „helpline“ etc – allgegenwärtig und wird vom Durchschnittsverbraucher, der in der Regel über Grundkenntnisse der englischen Sprache verfügt, sofort verstanden (vgl 4 Ob 36/98t, jusline ; 4 Ob 36/14v, SELECTIVE/LINE; oder in abgewandelter Form: 33 R 9/20s, DER STEIRERLINER). Damit fällt das Auge bei Betrachtung der Wortkombination jedenfalls sofort auf den englischen Wortteil, was wiederum zwanglos zur Zergliederung in die Bestandteile „NOVO“ und „LINE“ führt, ohne dass eine Trennung der Wörter durch ein Satzzeichen oder ein Binnenkapitälchen erforderlich ist.

3.1.2 Dabei schließt sich das Rekursgericht auch der Auffassung der Rechtsabteilung an, dass der Wortteil „NOVO“ im Sinne von „neu“ verstanden wird. Selbst wenn der Durchschnittsverbraucher nicht des Portugiesischen mächtig ist, jedoch den Grundwortschatz einer anderen romanischen Sprache oder Latein beherrscht und damit das Vokabel für „neu“ in der jeweiligen Sprache kennt (zB „nuovo“ auf Italienisch, „nuevo“ auf Spanisch, „nouveau“ auf Französisch, „novus“ auf Latein), wird er ohne gedanklichen Zwischenschritt auch „NOVO“ dieselbe Bedeutung zuschreiben. Das Rekursgericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der österreichischen Bevölkerung zumindest eine der angeführten romanischen Sprachen rudimentär versteht. Aber selbst jene Konsumenten, die keinen Bezug zu diesen Sprachen haben, werden „NOVO“ mit „neu“ in Verbindung bringen, ist doch das Wort „Novum“ (aus dem Lateinischen, iSv „etwas Neues“) ein in der deutschen Sprache gebräuchliches Wort geworden („ein Novum darstellen“; vgl auch 33 R 31/21b, BEBACARE : der serbokroatische Wortteil „Beba“ würde selbst von einem großen Teil der Konsumenten, die Serbokroatisch nicht verstehen, aufgrund der klanglichen Ähnlichkeit als „Baby“ aufgefasst werden). Dass „NOVO“ auch im Kroatischen – einer Amtssprache in Teilen Österreichs – „neu“ bedeutet, muss folglich als weiteres Argument gar nicht mehr ins Treffen geführt werden, wenngleich auch slawische und lateinische Wörter miteinander etymologisch verwandt sein können (vgl zu „novus“: https://de.wiktionary.org/wiki/novus).

3.1.3 Der von der Antragstellerin angestrebten deutschen Aussprache des Wortteils „LINE“ als [lihne] und nicht – wie in der englischen Sprache – als [lain] ist entgegenzuhalten, dass die im Rekurs beispielhaft angeführten deutschsprachigen Wörter – zB Mandoline, Violine, Praline – nach den Regeln der deutschen Phonetik auch so ([-line])ausgesprochen werden sollen. Demgegenüber identifiziert der Durchschnittsverbraucher „NOVOLINE“ als fremdsprachig, weshalb er den zweiten Wortteil auch entsprechend der englischen Phonetik ([lain]) aussprechen wird.

3.2 Aber auch die Auffassung der Antragstellerin, die angemeldete Wortfolge sei ungewöhnlich und nicht ohne weitere Gedankenschritte als „neue Linie“ zu verstehen, weshalb sie sich von der Summe ihrer Bestandteile jedenfalls abhebe, kann nicht geteilt werden:

3.2.1 Zunächst macht der Umstand, dass die Verbindung der beiden Wörter grammatikalisch nicht korrekt sei, weil das Wort „line“ in „eingedeutschter“ Verwendung weiblich ( die „Linie“) und „NOVO“ folglich auf „NOVA“ zu ändern wäre, das angemeldete Zeichen noch nicht zu einem interpretationsbedürftigen Fantasiewort. Die beteiligten Verkehrskreise, die die jeweilige Bedeutung der beiden Begriffe erkennen, nehmen die Wortkombination folglich unabhängig von ihrer grammatikalischen Richtigkeit als eine Verbindung der beiden Bedeutungen – somit als „neue Linie“ – wahr, zumal die aus einem Adjektiv und einem nach gestellten Substantiv bestehende Wortverbindung keiner für die deutsche Sprache ungewöhnlichen Satzstruktur folgt (vgl Asperger aaO Rz 96; C 80/09 P, Patentconsult, Rz 26; 33 R 91/23d, OLIOBENE ). Es ist zwar zutreffend, dass es sich bei „NOVOLINE“ um eine sprachliche Neuschöpfung handelt. Jedoch kommt dem Umstand, dass eine Wortkombination eine „lexikalische Erfindung“ ist, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft keine tragende Rolle zu (vgl Asperger , aaO Rz 94). Erzeugt der durch die Verbindung der Bestandteile bewirkte Neologismus keinen von der bloßen Zusammenfügung der Bestandteile hinlänglich abweichenden Charakter, begründet auch eine bewusste Falschschreibung keine Unterscheidungskraft (vgl Asperger aaO Rz 98 unter Verweis auf EuG, T-339/05, LOKTHREAD ).

3.2.2 Damit bewirkt die Wortkombination insgesamt nicht den von der Rechtsprechung geforderten, über die Summe der Bestandteile hinausgehenden Eindruck, sondern wird nur als die Art und Qualität der Waren beschreibend wahrgenommen. Wer das Zeichen „NOVOLINE“ im Zusammenhang mit den damit gekennzeichneten Waren liest, wird diese zwanglos einer neuen Produktlinie, einem neuen Sortiment zuordnen und die Wortfolge im Sinne einer werblichen Anpreisung verstehen. Entgegen der EuGH-Entscheidung C 398/08, Vorsprung durch Technik (insb Rz 57–59) , erkennt der inländische Verkehr im angemeldeten Zeichen keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft für bestimmte Waren, sondern verbindet damit ohne erheblichen Interpretationsaufwand eine die Ware als qualitativ neu oder neuwertig anpreisende Aussage.

3.3 Im Übrigen ist auch das von der Rechtsabteilung in ihrem Schreiben vom 16.5.2023 (auf das sie im bekämpften Beschluss verweist) angedeutete Freihaltebedürfnis nicht gänzlich von der Hand zu weisen (vgl C 191/01 P, Doublemint, Rz 31 f). Die Antragstellerin hält zutreffend fest, dass sich die Feststellungen der Rechtsabteilung hiezu zwar nur auf den Wortteil „NOVO“ beziehen; dieser Begriff werde der Rechtsabteilung zufolge bereits von anderen Unternehmen im Zusammenhang mit der Bewerbung und dem Vertrieb ähnlicher oder gleicher Waren verwendet und sei branchenüblich geworden. Ähnliche Überlegungen können allerdings auch zum Wortteil „line“ angestellt werden, wird dieser doch regelmäßig zur Beschreibung einer Produktlinie oder eines bestimmten Sortiments verwendet (vgl 4 Ob 36/14v, SELECTIVE/LINE ).

Das markenrechtliche Freihaltebedürfnis ist im Gedanken begründet, dass ein allgemeines Interesse an der Benützung von beschreibenden Angaben für Waren und Dienstleistungen besteht (vgl C 191/01 P, Doublemint , Rz 31 f; 4 Ob 180/16y, FairUse ; Newerkla aaO Rz 186). Soweit dem Zeichen „NOVOLINE“ daher die Beschreibung einer neuen Produktlinie innewohnt, steht seiner Schutzwürdigkeit auch das Interesse anderer Wirtschaftsteilnehmer an der Freihaltung dieses Wortzeichens entgegen – wenngleich dies allein hier nicht ausschlaggebend für die Schutzausschließung ist (vgl Newerkla aaO Rz 189).

3.4 Wie die Antragstellerin richtig erkannte, stehen die von ihr für ihren gegenteiligen Standpunkt zitierten Beispiele eingetragener nationaler und internationaler Marken der Rechtsansicht des Rekursgerichts schon deshalb nicht entgegen, weil Markeneintragungen grundsätzlich keine präjudizielle Wirkung für andere Verfahren entfalten (vgl RS0125405 [T4], 4 Ob 78/18a, Schneewette ; 133 R 126/18d, Black Friday ; 33 R 45/23i, Brenneralm ).

4. Die Beurteilung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft wirft im Einzelfall keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf (vgl RS0121895). Der ordentliche Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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