JudikaturOLG Wien

17Bs49/24s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Jänner 2024, GZ 188 BE 7/24k-6, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Hirtenberg eine vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 7. Dezember 2021 zu AZ 37 Hv 64/21w (rechtskräftig am 4. April 2022) wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren.

Das errechnete Strafende fällt auf den 2. April 2027. Die Hälfte der Strafzeit wird er am 3. April 2024 verbüßt haben, zwei Drittel der Strafzeit werden am 3. April 2025 vollzogen sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des A* auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes gemäß § 133a StVG aus generalpräventiven Erwägungen ab (ON 6).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Strafgefangenen (ON 7), der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 133a Abs 1 StVG ist vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt hat, und wenn (1.) gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht, (2.) er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird, und (3.) der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen.

Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 so lange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg cit).

Die „Schwere der Tat“ im Sinne dieser Bestimmung stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung) einer Tat ab (vgl RIS-Justiz RS0091863), der durch den Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – gewichtige Gründe vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben ( Pieber in WK² StVG § 133a Rz 18; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 46 Rz 16), wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern vor allem auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist (vgl Jerabek/ Ropper aaO § 43 Rz 18).

Mit der in Vollzug stehenden Verurteilung wurde der Beschwerdeführer (zusammengefasst) schuldig erkannt, in der Nacht von 2. auf 3. April 2024 in ** über telefonische Aufforderung nach vermeintlich schlechter Bezahlung von Prostituierten durch das spätere Opfer gemeinsam mit fünf weiteren namentlich genannten Mittätern sowie weiteren unbekannten Mittätern Rache geübt zu haben, indem sie eigens aus ** und ** anreisten und B* Bargeld in Höhe von 25.300,- Euro, ein Mobiltelefon sowie eine Packung Zigaretten raubten und diesen absichtlich schwer am Körper zu verletzen versuchten, wobei sie zur Tatausführung zunächst in dessen Zimmer in einem Apartmenthaus vermummt mit schwarzen Gesichtsmasken gewaltsam eindrangen, diesem Faustschläge, Fußtritte und Schläge mit zumindest einem Baseballschläger gegen den Kopf und den Körper versetzten, ihm mit einem Klappmesser (Klingenlänge etwa 10 cm) eine Schnittwunde an der rechten Hand zufügten und ihm das Messer an den Hals hielten und Geld forderten. Durch die Tathandlung erlitt das Opfer vier Quetschrisswunden im Bereich der rechten Schläfe sowie der hohen Scheitel- und Hinterhauptsregion, eine Schnittverletzung in der rechten Daumenfalte und eine Schädelprellung.

Mit der Normierung eines Strafrahmens von einem bis zu fünfzehn Jahren bringt der Gesetzgeber bei § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB bereits eine Vorbewertung zum Ausdruck, wonach das Verbrechen des Raubes unter Verwendung einer Waffe einen hohen sozialen Störwert aufweist. Die vom Strafgefangenen begangene Tat zeichnet sich zudem aus zahlreichen weiteren Umständen durch einen hohen Unrechtsgehalt aus. So setzte der Strafgefangene die Tathandlung nämlich nicht nur über Auftrag einer anderen Person in Form einer länderübergreifenden Selbstjustiz, sondern überfiel das Opfer auch noch im Rahmen einer „Home Invasion“ während es schlief, maskiert und in Begleitung zahlreicher, weiterer Mittäter unter Verwendung mehrerer Waffen, welche sie nicht nur drohend einsetzten, sondern auch tatsächlich zur Anwendung brachten, um das Opfer, das dadurch auch tatsächlich mehrere Verletzungen davontrug, absichtlich schwer zu verletzen und diesem erhebliche Vermögenswerte wegzunehmen. Gerade diese konkreten Aspekte der Tathandlung stellen – entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - jene Begleitumstände dar, die sich aus Sicht der Allgemeinheit selbst von regelmäßig vorkommenden, weniger geplant und brutal durchgeführten Raubhandlungen auffallend abheben. Damit handelt es sich um eine schwere Straftat, die den Rechtsfrieden empfindlich und nachhaltig beeinträchtigte.

Würde trotz der konkreten Schwere der Tat bereits vor Verbüßung von zwei Drittel der Strafe vorläufig vom Strafvollzug abgesehen, wäre dies geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Effektivität des Strafrechts zu erschüttern und darüber hinaus die gebotene Abschreckungswirkung auf andere, vergleichbaren (schweren) Taten zugeneigte Personen zu verfehlen. Es bedarf daher zufolge der Schwere der Taten ausnahmsweise des weiteren Vollzugs, um die generelle Normtreue der Bevölkerung zu festigen (positive Generalprävention) und der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (negative Generalprävention). Das Argument, dass über eine allfällige Bewilligung oder Abweisung eines Antrags auf vorzeitige Entlassung gemäß § 133a StVG medial nicht berichtet wird, ergeht sich in reiner Spekulation und schlägt bereits deshalb fehl, weil dem folgend vor dem Hintergrund unterbliebener Berichterstattung niemals generalpräventive Erwägungen einem Vorgehen nach § 133a StVG entgegenstünden.

Demgemäß war der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss daher nicht Folge zu geben.

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