JudikaturOLG Wien

17Bs36/24d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen § 39 Abs 1 SMG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Jänner 2024, GZ 112 Hv 55/23p-65, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene afghanische Staatsangehörige A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. November 2023, rechtskräftig am selben Tag, wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt. Unter einem wurden mit Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB die mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. September 2019, AZ 143 Hv 38/19k, sowie vom 17. Februar 2020, AZ 161 Hv 17/20f, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bzw zehn Wochen widerrufen (ON 46).

Am 20. November 2023 übermittelte der Vorsitzende betreffend den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten eine Strafvollzugsanordnung (StV1) an die zuständige Justizanstalt Wien-Josefstadt (Punkt 7 der Endverfügung in ON 48 AS 1), woraufhin dieser umgehend in Strafhaft übernommen wurde (vgl die Strafantrittsberichte vom 21. November 2023 [ON 50.1, 51.1 und 52.1]).

Mit Eingabe vom 27. Dezember 2023 beantragte A* einen Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG (ON 62), den der Vorsitzende mit Beschluss vom 11. Jänner 2024 mit zutreffender Begründung zurückwies (ON 65).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Verurteilten (ON 66.1), der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 39 Abs 1 Z 1 SMG ist der Vollzug einer nach diesem Bundesgesetz außer nach § 28a Abs 2, 4 oder 5 SMG oder einer wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln im Zusammenhang steht, verhängten Geldstrafe oder drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe nach Anhörung der Staatsanwaltschaft – auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs 4 StVG) – für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme, gegebenenfalls einschließlich einer bis zu sechs Monate dauernden stationären Aufnahme zu unterziehen.

Die Stammfassung dieser Bestimmung (§ 39 SMG idF BGBl I 1997/112) verwies für die Zulässigkeit des Aufschubs auf die allgemeinen Voraussetzungen und Bedingungen des § 6 Abs 1 StVG. Danach ist die Einleitung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe unter bestimmten Voraussetzungen aufzuschieben, sodass eine Freiheitsstrafe, die (aktuell) bereits vollzogen wird, (grundsätzlich) nicht mehr aufgeschoben, sondern nur noch unterbrochen werden kann. Für die Zulässigkeit des Strafaufschubs (sei es nach § 5 oder § 6 StVG) wird daher auf den Beginn des Vollzugs der betreffenden Strafe abgestellt (vgl 12 Os 34/21y = EvBl 2021/121 mwN).

Der seit der SMG-Novelle 2007 (BGBl I 2007/110) nunmehr gesetzlich explizit geregelte Sonderfall („… auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug [§ 3 Abs 4 StVG] …“) hiezu ist, dass sich der Verurteilte im Zeitpunkt der (formellen) Übernahme in den Strafvollzug, wofür der Anstaltsleiter zuständig ist ( Drexler/Weger , StVG 5 § 3 Rz 9), bereits in Haft befindet. Demnach wollte der Gesetzgeber im Fall sofortiger Rechtskraft des Urteils eines in Haft befindlichen Angeklagten - diesfalls ist er nämlich unverzüglich in Strafhaft zu nehmen (§ 3 Abs 4 StVG) - klarstellen, dass der Aufschub auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug zu gewähren ist.

Zusammengefasst ist der Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG gegebenenfalls nur bis zum Beginn des Vollzugs der betreffenden Strafe zulässig. Einzig für die Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs 4 StVG) sieht § 39 Abs 1 SMG eine Ausnahme vor. Bei einer bis dahin erfolgten Antragstellung des Verurteilten oder von Amts wegen begonnenen Prüfung ist der Strafvollzug auch noch nach diesem Zeitpunkt aufzuschieben, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen (12 Os 34/21y = EvBl 2021/121 mwN).

Fallaktuell erfolgte die förmliche Einleitung des Vollzuges der Freiheitsstrafe durch den Anstaltsleiter bereits am 21. November 2023, während der Antrag des Beschwerdeführers mit 27. Dezember 2023 datiert. Daraus erhellt, dass der in Rede stehende Antrag des seine Rechtsunkenntnis reklamierenden Beschwerdeführers, der jedoch ohnehin im Verfahren anwaltlich vertreten wurde, nach Einleitung des Strafvollzuges und damit verspätet eingebracht wurde.

Demgemäß war der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss des Erstgerichtes ein Erfolg zu versagen.

Rückverweise