JudikaturOLG Wien

17Bs25/24m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen § 3g VerbotsG 1947 über die Beschwerde der B* International Unlimited Company gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 9. Jänner 2024, GZ 12 HR 303/23b-13, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Wien führte zu AZ 505 UT 17/23p ein Ermittlungsverfahren gegen A* wegen des Verdachts des Verbrechens nach § 3g VerbotsG 1947.

Nach dem Bericht der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst zu DSN-S2-OE-1-4-MS/1 7961/2023 steht A* im Verdacht an einem noch festzustellenden Ort

A./ sich auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG 1947 bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt zu haben, indem er auf der Social-Media-Plattform B* nachfolgende Postings veröffentlichte

I./ am 20. April 2023 ein Bild eines Werbeplakats der D* und dem Kommentar „Erst #** dann D*“, wobei der 20. April der Geburtstag F* ist und ** als dessen Lieblingsspeise gelten, wodurch er die Person des F* glorifizierte;.

II./ am 4. Juli 2023 ein Bild von drei Personen, welche einen Hitlergruß zeigen und dem Kommentar: „von wem es nicht so ein Foto gibt der ist KEIN Normaldenker. Merkts euch das endlich mal, gell @ghaslauer.“

Mit Anordnung vom 12. Oktober 2023 (ON 7) ordnete die Staatsanwaltschaft Wien unter anderem gemäß § 76a Abs 1 StPO die Erteilung und Herausgabe nachfolgender Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten nach Maßgabe des § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 (Pkt. I./) an. Es wurden betreffend den B*-Account mit der URL ** folgende Informationen begehrt:

Die Anordnung wurde der B* International Unlimited Company am 12. Oktober 2023 per ERV übermittelt (Zustellzeitpunkt 13. Oktober 2023).

Am 19. November 2023 trat die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren gemäß § 40 Abs 1 MedienG an die Staatsanwaltschaft St. Pölten ab, da der Beschuldigte Medieninhaber des B*-Profils "**", auf dem die inkriminierten Postings veröffentlicht wurden, in ** wohnt.

Mit Schriftsatz vom 24. November 2023 (ON 10.4) erhob die B* International Unlimited Company (im Folgenden „Einspruchswerberin“) Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 Z 2 StPO gegen Punkt I./ der angeführten Anordnung vom 12. Oktober 2023, die hinsichtlich der übrigen Anordnungspunkte unbekämpft blieb.

Neben Ausführungen zur Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Einspruches sowie zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Strafverfahrens begründete die Einspruchswerberin ihren Einspruch im Wesentlichen damit, dass die bekämpfte Anordnung der Staatsanwaltschaft rechtswidrig sei, weil die Einspruchswerberin die begehrten Daten auf der Grundlage des von der Staatsanwaltschaft herangezogenen § 76a Abs 1 StPO nicht herausgeben dürfe.

Die Einspruchswerberin stellte daher den Antrag, die Staatsanwaltschaft möge dem Einspruch selbst entsprechen und die bekämpfte Anordnung einer Auskunft über Stammdaten aufheben; in eventu der Einzelrichter des Landesgerichts möge in Stattgebung dieses Rechtsmittels den rechtskonformen Zustand herstellen, insbesondere 1) die bekämpfte Anordnung einer Auskunft über Stammdaten aufheben; 2) die Anordnung einer Auskunft über Stammdaten für rechtswidrig erklären; sowie 3) feststellen, dass die Einspruchswerberin durch die Anordnung in ihren subjektiven Rechten verletzt wurde.

Die Staatsanwaltschaft habe die Herausgabe von Stammdaten zu dem Link eines Online-Accounts, nämlich **, begehrt und ihre Anordnung auf § 76a Abs 1 StPO gestützt. § 76a Abs 1 StPO sei aber keine geeignete Rechtsgrundlage für diese Datenauskunft.

„Stammdaten“ seien im § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 taxativ aufgezählt. Die Bestimmung in Abs 1 erlaube – im Gegensatz zu Abs 2 des § 76a StPO – ausschließlich die Herausgabe von Stammdaten, für die keine Verarbeitung von Verkehrsdaten erforderlich sei.

Die Stammdatenauskunft nach § 76a Abs 1 StPO sei insbesondere nicht dazu geeignet einen unbekannten Verfasser eines Postings auszuforschen, denn für die Auskunft dürfen lediglich andere Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 verarbeitet werden. Gegenständlich sei nur der Link ** bekannt, der allerdings keine Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 darstelle. § 76a Abs 1 StPO stelle aus diesem Grund keine taugliche Rechtsgrundlage für die Anordnung der Staatsanwaltschaft dar, da der Betreiber im Rahmen der Stammdatenauskunft nach § 76a Abs 1 StPO ausschließlich solche Daten verarbeiten könne, die selbst in der taxativen Auflistung vorkommen.

Die Einspruchswerberin führte weiters aus, dass im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung an Strafverfolgungsbehörden für die Einteilung von Daten in Verkehrs- oder in Stammdaten, die Ermittlung der Daten zu berücksichtigen sei. Könne ein Anbieter nur Auskunft über Stammdaten erteilen, indem er Verkehrsdaten verarbeite, seien die gesetzlichen Bestimmungen zur Verarbeitung von Verkehrsdaten einzuhalten.

Es sei irrelevant, ob es sich beim Ergebnis der Auskunft über Daten um Stammdaten handle. Entscheidend sei, wie der Betreiber auf die Daten zugreife. Eine Beauskunftung von Stammdaten nach § 76a Abs 1 StPO sei daher unzulässig, wenn im Rahmen einer Abfrage Verkehrsdaten in der Form von Transaktionsdaten anfallen und gespeichert werden. Eine Verarbeitung von Verkehrsdaten im Rahmen der StPO sei gemäß § 167 Abs 5 TKG 2021 lediglich für die Zugangsdatenauskunft nach § 76a Abs 2 StPO und für die Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 134 Z 2 StPO zulässig, nicht jedoch für die Stammdatenauskunft nach § 76a Abs 1 StPO.

Die Einspruchswerberin müsse als Betreiberin eines OTT-Dienstes, um auf die von Nutzern bei der Erstellung eines Accounts hinterlegten Daten anhand eines URL zugreifen zu können, zwingend Verkehrsdaten, insbesondere Transaktionsdaten, verarbeiten. Es sei für sie nicht möglich, auf die Daten zuzugreifen, ohne dass Verkehrsdaten automatisch anfallen und gespeichert werden. Es komme somit zwangsläufig zur Verarbeitung von Verkehrsdaten, weshalb die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen zu beachten seien.

Weiters brachte die Einspruchswerberin vor, dass § 76a Abs 1 StPO zwar im Rahmen des Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetzes um „sonstige Diensteanbieter“ erweitert worden sei, § 76a Abs 1 StPO allerdings dennoch nicht auf Datenauskünfte zu einem Online-Account anwendbar sei, da der Begriff der Stammdaten sich nicht geändert habe. Die Novelle hätte lediglich zum Ziel gehabt, dass auch von Internetdiensten, insbesondere OTT-Dienste, die keine Anbieter von Kommunikationsdienste sind, die Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten nach § 76a Abs 2 StPO erlangt werden können.

Die Gesetzesänderung habe allerdings keine Erweiterung der Stammdatenauskünfte nach § 76a Abs 1 StPO bewirkt. Auskünfte im Zusammenhang mit OTT-Diensten seien weiterhin lediglich in § 76a Abs 2 StPO und nicht in § 76a Abs 1 StPO geregelt. Anmelde- und Registrierungsdaten von Nutzern auf B* seien Zugangsdaten iSd §§ 76a Abs 2 und 134 Z 2 StPO und daher Verkehrsdaten.

Die Einspruchswerberin könne nicht zur Herausgabe von Stammdaten verpflichtet werden, da sie über keine reinen Stammdaten verfüge. Sie könne auf Stammdaten nur zugreifen, indem sie Verkehrsdaten verarbeite. Dies sei aber für Auskünfte nach § 76a Abs 1 StPO unzulässig.

§ 76a Abs 1 StPO stelle somit keine gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Staatsanwaltschaft dar und die Einschreiterin sei daher in ihrem subjektiven Recht verletzt.

Mit ablehnender Stellungnahme vom 6. Dezember 2023 (ON 12) führte die Staatsanwaltschaft dazu aus, dass es grundsätzlich richtig sei, dass gewisse Daten je nach Verwendung bzw Nutzung sowohl unter die Kategorie Stamm- als auch Verkehrsdaten fallen können. Wenn es bei der Erfüllung des Begehrens um Auskunft über Stammdaten zur Verarbeitung von Verkehrsdaten komme, müssen die Bedingungen des § 99 TKG 2003 eingehalten werden. Es sei allerdings unbeachtlich, ob der Betreiber zum Zweck der Erteilung der Auskunft über Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 Verkehrsdaten verarbeiten müsse. Für die Anwendung des § 76a Abs 1 StPO sei nur die in § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 bezeichneten Daten von Bedeutung, es könne nicht auf die unternehmensinterne Form der Speicherung ankommen.

Allein aufgrund des Umstandes, dass die Einspruchswerberin für die Auskunftserteilung über Stammdaten intern Verkehrsdaten verarbeiten müsse, da sie die Daten der Nutzer nur elektronisch zur Verfügung habe, seien diese Stammdaten nicht als Verkehrsdaten zu qualifizieren. Die rein interne Verarbeitung der Daten, ohne dass die Daten Teil des Kommunikationsverkehrs seien, stelle keinen Einriff in das Kommunikationsgeheimnis dar. Entgegen dem Vorbringen der Einspruchswerberin umfasse § 76a Abs 1 StPO nunmehr nach der erfolgten Gesetzesänderung alle OTT-Dienste und somit auch das von der Einspruchswerberin betriebene soziale Kommunikationsnetzwerk. Die Einspruchswerberin sei daher verpflichtet, Auskunft über die begehrten Stammdaten zu geben.

Die Stellungsnahme der Staatsanwaltschaft wurde der Einspruchswerberin zur Äußerung binnen sieben Tagen zugestellt. Die Einspruchswerberin äußerte sich nicht zur Stellungnahme.

Mit dem hier angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht St. Pölten diesem Einspruch wegen Rechtsverletzung nicht Folge. Begründend führte es aus, dass das Vorbringen der Einspruchswerberin, sie verfüge über keine Stammdaten, die sie ohne Verarbeitung von Verkehrsdaten herausgeben könnte, weshalb sie einem Ersuchen gemäß § 76a Abs 1 StPO nicht entsprechen könne (ON 10.4, S 7), nicht überzeuge und verwies dabei auf die Datenschutzrichtlinien der Einspruchswerberin, wonach Personen, die die Dienste von C* nutzen wollen, verpflichtet seien, verschiedene Daten bekannt zu geben. Sie verfüge somit bereits über Stammdaten, ohne zunächst Verkehrsdaten verarbeiten zu müssen. Nach Rechtsprechung des OLG Wien sei das Vorhandensein von physischen Vertragsunterlagen keineswegs Voraussetzung dafür, ob von einem Diensteanbieter erhobene Daten als Stammdaten gemäß § 76a Abs 1 StPO iVm §§ 181 Abs 9, 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 einzustufen seien. Die von der Einspruchswerberin im Zuge des Anmeldeprozess erhobenen Daten seien somit unabhängig davon, wo diese unternehmensintern abgespeichert oder hinterlegt sind, jedenfalls als Stammdaten im Sinne des § 76a Abs 1 StPO zu qualifizieren. Der (sonstige) Diensteanbieter vermöge nicht durch bloße Verarbeitung von Stammdaten im eigenen Ermessen diese in Verkehrsdaten umzuqualifizieren. Die Einspruchswerberin sei somit verpflichtet, Auskunft über die von der Staatsanwaltschaft begehrten Stammdaten zu geben. Die Staatsanwaltschaft habe die Herausgabe von Stammdaten gemäß § 76a Abs 1 StPO somit zu Recht angeordnet. Die Einspruchswerberin sei demnach nicht in ihrem subjektiven Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren (§ 5 Abs 1 StPO) verletzt, weshalb dem Einspruch wegen Rechtsverletzung nicht Folge zu geben war.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der B* International Unlimited Company (ON 14), vorbringend, sie sei in ihrem subjektiven Recht auf Einhaltung der gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen verletzt. Die Beschwerde erfolge zur Wahrung des Rechtes der Einschreiterin personenbezogene Daten lediglich nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bekanntgeben zu müssen. Das Landesgericht verweise pauschal auf die Datenschutzrichtlinien der Einschreiterin, wonach Nutzer bestimmte Daten festlegen müssen, um eine Account zu erstellen, und leite daraus ab, dass die Einschreiterin daher sehr wohl über „Stammdaten“ verfüge, ohne Verkehrsdaten verarbeiten zu müssen (ON 13, S 8). Die Ansicht, dass es sich bei sämtlichen Anmelde- und Registrierungsdaten um Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 handle, sei falsch. Von den „Anmelde- und Registrierungsinformationen“ seien tatsächlich nur E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Geburtsdatum auch Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021. Daten, die in der taxativen Auflistung nicht vorkommen würden, seien keine Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021, selbst wenn Nutzer sie für die Erstellung eines Accounts festlegen müssen. Daten, die in der Auflistung nicht vorkommen würden, seien keine Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021, selbst wenn Nutzer sie für die Erstellung eines Accounts festlegen müssen. Weiteres monierte die Beschwerdeführerin, dass die Verarbeitung von Verkehrsdaten für Stammdatenauskunft nach § 76a Abs 1 StPO gesetzlich verboten sei. Für die Verarbeitung von Verkehrsdaten im Rahmen der Stammdatenauskunft gebe es nicht nur keine gesetzliche Grundlage, sondern sei ausdrücklich gesetzlich verboten. Um Nutzerdaten, die zu einem Online-Account hinterlegt sind, anhand eines URLs abrufen zu können, müsse die Einschreiterin, zwingend Verkehrsdaten, insbesondere Transaktionsdaten, verarbeiten. Die Ansicht der Strafverfolgungsbehörden bis hin zum OLG Wien, wonach es keine Rolle spiele, ob die Einschreiterin Verkehrsdaten verarbeiten müsse, verletze das Gesetz (§ 167 Abs 5 TKG 2021, § 5 Abs 1 StPO). Die Einschreiterin generiere keine Stammdaten und sei es auch keine „Ermessensentscheidung“ der Einschreiterin, sondern eine technische Notwendigkeit, Verkehrsdaten zu verarbeiten, um „Stammdaten“ zu einem Online-Account herausgeben zu können.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Einspruch wegen Rechtsverletzung an das Gericht steht gemäß § 106 Abs 1 StPO jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil (fallbezogen relevant) eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde (Z 2). Subjektive Rechte gewähren konkrete Verfahrensrechte im Ermittlungsverfahren nach der StPO. Der Einspruch hat die Behauptung, im Ermittlungsverfahren in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, zu begründen und ein bestimmtes Begehren zu enthalten, auf welche Weise dieser Rechtsverletzung abgeholfen werden soll. Das Gericht, dem ein Einspruch nach § 106 StPO vorgelegt wird, hat die Rechtmäßigkeit des staatsanwaltschaftlichen Handelns ex-ante zu prüfen (Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 18).

Gemäß § 76a Abs 1 StPO sind Anbieter von Kommunikationsdiensten und sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 ECG) auf Ersuchen von Gerichten, die sich auf die Aufklärung des konkreten Verdachts einer Straftat einer bestimmten Person beziehen, zur Auskunft über Stammdaten eines Nutzers (§ 181 Abs 9 TKG) oder Nutzers eines sonstigen Dienstes (§ 3 Z 4 ECG) verpflichtet. Gleiches gilt gemäß § 76a Abs 2 StPO auf Anordnung der Staatsanwaltschaft (§ 102 StPO) für die Auskünfte über folgende in § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 erwähnte Daten des Inhabers der betroffenen technischen Einrichtung:

1. Name, Anschrift und Teilnehmerkennung des Nutzers, dem eine öffentliche IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone zugewiesen war, es sei denn, dass diese Zuordnung eine größere Zahl von Teilnehmern erfassen würde;

2. die bei Verwendung von E-Mail Diensten dem Nutzer zugewiesene Nutzerkennung;

3. Name und Anschrift des Nutzers, dem eine E-Mail-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, und

4. die E-Mail-Adresse und die öffentliche IP-Adresse des Absenders einer E-Mail.

Unter die angesprochene Kategorie von sonstigen Diensteanbietern nach § 76a Abs 1 StPO fallen auch mit Google vergleichbare OTT-Dienste. „Over the top“-Dienst ist ein über das Internet zur Verfügung stehender Dienst, ohne dass ein traditioneller Internet-Service-Provider involviert ist. Beispiele für OTT-Dienste können Suchmaschinen (**), Videoplattformen wie ** sowie soziale Kommunikationsnetze wie ** und B* ebenso wie **, (Video)Telefondienste wie ** und auch Cloud-Services sein (ErläutRV 481 BlgNr 27. GP, 29 f). Das von der Beschwerdeführerin betriebene soziale Kommunikationsnetzwerk B* ist somit klar von § 76a Abs 1 StPO im Sinne eines sonstigen Diensteanbieters (§ 3 Z 2 ECG) erfasst.

Nach § 181 Abs 9 erster Satz TKG 2021 sind Anbieter auf schriftliches Verlangen der zuständigen Gerichte, Staatsanwaltschaften oder der Kriminalpolizei (§ 76a Abs 1 StPO) verpflichtet, diesen zur Aufklärung und Verfolgung des konkreten Verdachts einer Straftat Auskunft über Stammdaten (§ 160 Abs 3 Z 5 TKG) von Nutzern zu geben. „Stammdaten“ gemäß § 160 Abs 3 Z 5 TKG sind alle Daten, die für die Begründung, die Abwicklung, Änderung oder Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Benutzer und dem Anbieter oder zur Erstellung und Herausgabe von Nutzerverzeichnissen erforderlich sind, diese sind nach taxativer Aufzählung Name, akademischer Grad, Anschrift, Nutzernummer und sonstige Kontaktinformation für die Nachricht, Information über die Art und Inhalt des Vertragsverhältnisses, Bonität sowie Geburtsdatum.

Mit Anordnung vom 12. Oktober 2023 (ON 7) wurde von der Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 76a Abs 1 StPO die Erteilung und Herausgabe exakt dieser Stamm- und Zugangsdaten (Pkt. I./) und keine darüber hinausgehende Auskunft begehrt.

Wie den öffentlich einsehbaren Datenschutzrichtlinien von B* (C* Datenschutzrichtlinie [**]) zu entnehmen ist, muss ein einen persönlichen Account erstellender Nutzer vor Nutzung der Dienste von B*, Daten zur Verfügung stellen. Dazu gehören ein Anzeige-name, ein Nutzername, ein Passwort, eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, ein Geburtsdatum, die Anzeigesprache und Daten zur einmaligen Anmeldung bei Dritten (wenn der Nutzer diese Anmeldemethode wählt). Sämtliche Profildaten und Inhalte speichert die Einschreiterin für die Laufzeit des Accounts, wie auf ** unter Punkt 4 angegeben und verfügt die Beschwerdeführerin somit über Stammdaten ihrer Nutzer.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, sie verfüge über keine Stammdaten, die sie ohne Verarbeitung von Verkehrsdaten herausgeben könne, weshalb sie einem Ersuchen gemäß § 76a Abs 1 StPO nicht entsprechen könne, da sie die Daten ihrer Nutzer grundsätzlich nicht lokal speichere, weder physisch noch digital, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Tatsache, dass die Einschreiterin in Online-Daten Einsicht nehmen muss, um Auskunft über Stammdaten erteilen zu können, weil die Daten vom Nutzer bei seiner Begründung der Rechtsbeziehung, also bei Erstellung eines Accounts, online eingegeben wurden und die B* International Unlimited Company diese daher nur elektronisch zur Verfügung hat, diese Stammdaten noch nicht zu Verkehrsdaten macht. Auch, ob die Einschreiterin die Daten lokal speichert liegt in ihrem Ermessen, kann jedoch nicht zu einer Umqualifikation der Stammdaten in Verkehrsdaten führen. Der (sonstige) Diensteanbieter vermag nicht durch bloße Verarbeitung von Stammdaten im eigenen Ermessen diese in Verkehrsdaten umzuqualifizieren. Einzig entscheidend für die Anwendung des § 76a Abs 1 StPO ist nach Legaldefinition des § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 die bezeichnete Art der Daten, nicht jedoch die jeweils unternehmensinterne Form der Speicherung (und Verarbeitung). Wie das Oberlandesgericht Wien nunmehr bereits in mehreren Entscheidungen (17 Bs 238/23h, 17 Bs 252/23t, 17 Bs 257/23b, 18 Bs 156/23g, 18 Bs 300/23h, 18 Bs 339/23v) festhielt, ist auch das Vorhandensein von physischen Vertragsunterlagen keineswegs Voraussetzung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Abschließend ist festzuhalten, dass § 76a StPO mit Ablauf des 16. Februar 2024 außer Kraft tritt (BGBl I Nr 182/2023) und § 76a Abs 1 StPO durch den (inhaltsgleichen) § 137 Abs 1 zweiter Satz StPO ersetzt wird.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

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