17Bs284/23y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 107b Abs 1, 3, 3a und 4 StGB uaD über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 15. Juni 2023 sowie dessen implizierte Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom selben Tag, beide GZ 13 Hv 77/22v-156, nach der am 24. Jänner 2024 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider Reich sowie des Richters Ing.Mag. Kaml, in Anwesenheit der Oberstaatsanwaltin Dr.Verena Lechner sowie des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag.Wissam Barbar durchgeführten Berufungsverhandlung
Spruch
I) zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO hat der Angeklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen;
und
II) den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungs gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene A* der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 106 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.
Inhaltlich des Schuldspruches hat er
I./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2014 bis 5.11.2021 in ** und anderen Orten B* durch nachstehende Äußerungen, mithin durch gefährliche Drohungen, zu Handlungen und Unterlassungen genötigt, die teilweise besonders wichtige Interessen der genötigten Person betreffen, und zwar
A./ dazu, die Ehe mit ihm weiterzuführen und eine Trennung zu unterlassen,
a./ durch die sinngemäße Äußerung, wenn sie einen anderen Mann anschaue, werde er ihr Gesicht verbrennen, mithin durch Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung;
b./ durch die sinngemäße Äußerung, wenn sie ihn verlasse, werde er sie töten oder ihr die Kinder entziehen, mithin durch Drohung mit dem Tod und einer Entführung;
B./ im Frühjahr 2021 dazu, in der Öffentlichkeit immer ein Kopftuch zu tragen, durch die gegenüber der gemeinsamen Bekannten C* in Anwesenheit der B* getätigte sinngemäßen Äußerung, er werde sie töten, sollte sie sich ohne Kopftuch zeigen, wobei er die Äußerung durch die Geste des Halsabschneidens unterstrich
II./ B* in ** durch nachstehende Handlungen am Körper verletzt, und zwar
1./ im Oktober 2015 durch das Versetzen eines Faustschlages, wodurch diese eine Hämatom mit Schwellung an der Oberlippenschleimhaut und ein Hämatom am rechten Unterlid (3mm x 10mm) erlitt, und
2./ im März 2017, indem er einen Aschenbecher aus Glas gegen sie warf und sie am Ellbogen traf, wodurch sie eine Abschürfung am Ellbogen erlitt;
III./ am 28. Februar 2022 in ** Beamte, nämlich die Justizwachebeamten D*, E* und F* mit Gewalt, indem er sich durch ruckartige Bewegungen aus ihren Fixierungen loszureißen versuchte, an einer Amtshandlung, nämlich seiner Verbringung aus dem Haftraum und seiner anschließenden Verlegung in einen anderen Haftraum zu hindern versucht, wobei es beim Versuch blieb, da es den Beamten dennoch gelang, die Amtshandlung durchzuführen;
IV./ in ** zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Juli 2019, B* dadurch, dass er einmal den analen und einmal den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchführte, obwohl sie ausdrücklich erklärt hatte, dies nicht zu wollen, gegen deren Willen den Beischlaf vorgenommen.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als mildernd den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, das teilweise Geständnis sowie den Umstand, dass teilweise eine Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Februar 2022 möglich gewesen wäre; erschwerend demgegenüber den raschen Rückfall nach der Verurteilung vom 24. Februar 2022, die Begehung während der Strafhaft, das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, den langen Deliktszeitraum sowie die Tatbegehung gegen eine Angehörige.
Unter einem fasste das Erstgericht den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO, sah vom Widerruf der dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Februar 2022, AZ 41 Hv 74/21g, gewährten teilbedingten Strafnachsicht ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.
Gegen dieses Urteil richtet sich nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 14. November 2023, GZ 11 Os 111/23t 5 dessen Berufung, gegen den Beschluss seine implizierte Beschwerde.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig erfasst und auch in nicht zu kritisierender Weise gewichtet. Soweit die Berufung moniert, dem Angeklagten hätte der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 7 StGB (Unbesonnenheit) zugerechnet werden müssen, ist nicht nachvollziehbar und wird dies auch nicht argumentiert, warum die Tathandlungen der Körperverletzung durch Werfen eines Aschenbechers und der Widerstand gegen die Staatsgewalt auf einen Willensimpuls zurückzuführen seien, der aus besonderen Gründen dem ruhigen Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre (Mayerhofer StGB 6 § 34 Rz 26), insbesondere unter Berücksichtigung der weiteren Tathandlungen des Angeklagten, die allesamt eine Geringschätzung der körperlichen Integrität anderer Personen erkennen lassen.
Darüber hinaus argumentiert die Berufung, die Strafe sei unverhältnismäßig, da sich der Angeklagte auf seine Entlassung (nach Verbüßung des unbedingten Teiles der Strafe wegen Schlepperei) habe freuen dürfen, er jedoch stattdessen in Untersuchungshaft genommen worden sei und somit bereits eine lange Haftstrafe verbüße. Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar, hat doch der Angeklagte diesen Umstand ausschließlich seiner über viele Jahre anhaltenden Delinquenz und dem Begehen einer weiteren strafbaren Handlung nur vier Tage nach seiner ersten gerichtlichen Verurteilung zuzuschreiben.
Angesichts eines Strafrahmens von sechs Monaten bis fünf Jahren, der jahrelangen und massiven Delinquenz gegen seine Ehefrau sowie des unmittelbar nach der Erstverurteilung erfolgten Rückfalls ist die dreijährige Sanktion wohl streng, aber im Ergebnis nicht zu kritisieren.
Die Verlängerung der Probezeit hinsichtlich des bedingt nachgesehenen Strafteils aus der Verurteilung wegen Schlepperei ist angesichts der neuerlichen Delinquenz nur vier Tage nach Verkündung dieses Urteils samt Belehrung über die Folgen neuerlicher Delinquenz das Absehen vom Widerruf und Verlängern der Probezeit auf fünf Jahre ohnedies milde und wird vom Angeklagten auch nicht bekämpft.
Es war sohin der Berufung und er implizierten Beschwerde des Angeklagten ein Erfolg zu versagen.
Eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der Freiheitsstrafe kam aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht.