32Bs267/23h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den Richter Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit gegen das (Unzuständigkeits-)Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. September 2023, GZ 125 Hv 94/23v-15.3, nach der am 23. Jänner 2024 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterin Dr. Vetter und des Richters Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski und des Angeklagten A* sowie seiner Verteidigerin Prof. Mag. Dr. Weld durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit am 2. August 2023 beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 125 Hv 94/23v eingebrachtem Strafantrag vom 1. August 2023 legte die Staatsanwaltschaft Wien A* das Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zur Last (ON 8).
Demnach habe er am 2. April 2023 in ** B* durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich der Zahlung eines Geldbetrages von 5.000 Euro, der ihm nach seiner Ansicht aus der Abwicklung eines gemeinsamen Geschäftes zusteht, zu nötigen versucht, indem er ihm eine WhatsApp-Sprachnachricht mit dem Inhalt: „Und schicke mir eine Zahlungsbestätigung, dass du das Geld im Sudan schon bezahlt hast. Andernfalls denk nicht mal daran, mir Geschichten zu erzählen, (...). Ich meine es ernst, bei Gott, ich werde dich dann auf der Stelle zunichte machen. Lass mich raus aus der Sache mit der Nacht, als ein Mann dich mit einem Messer erstechen hätte können. Der war vielleicht einer der Leute aus der Arbeit, oder es war der, mit dem du wohnst, oder vielleicht auch nicht, da mische ich mich in Angelegenheiten nicht ein, die mich nichts angehen. Klar? Du bist ja einer mit vielen Problemen. Allerdings, wenn er dich nicht abgestochen hat und mit dir nicht fertig geworden ist, dann werde ich mit dir fertig. Also sei gewarnt.“, schickte sowie telefonisch äußerte, dass er seine Leute im Sudan habe und diese B* umbringen werden, wenn er das Geld nicht überweise.
In der am 25. September 2023 vor dem Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien durchgeführten Hauptverhandlung dehnte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft die Anklage gemäß § 263 Abs 1 StPO um den (weiteren) Vorwurf des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB aus (ON 15.2 S 8). Demnach habe der Angeklagte einen ihm von B* anvertrauten Geldbetrag „in Höhe von EUR 2.800,--, EUR 75,--, und EUR 1.399,39 per Überweisung von 6.2.2022, und einen weiteren Betrag von EUR 700,-- und EUR 800,-- zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt sich mit dem Vorsatz zugeeignet [...], sich oder einen Dritten damit unrechtmäßig zu bereichern“.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 25. September 2023 (ON 15.3) erklärte sich der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien für die Entscheidung über die vorliegende (ausgedehnte) Anklage als sachlich unzuständig. Begründend verwies er darauf, dass (in Ansehung des im schriftlichen Strafantrag vom 1. August 2023 [ON 8] unter Anklage gestellten Sachverhalts) ein konkreter Tatverdacht nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB mit einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren vorliege und daher gemäß § 31 Abs 3 Z 1 StPO die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffengericht gegeben sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 1.10) und fristgerecht ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft Wien wegen Nichtigkeit nach § 489 Abs 1 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 6 und Z 10 StPO (ON 17). Begehrt wird, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Einzelrichter zurückzuverweisen.
Der Angeklagte verwies in seiner Gegenausführung vom 15. November 2023 darauf, dass der Berufung der Staatsanwaltschaft – ungeachtet des Umstandes, dass er überhaupt freizusprechen sei - im Ergebnis Berechtigung zukomme (ON 18.2).
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Prüfungsinhalt des Unzuständigkeitsurteils ist ein Anschuldigungsbeweis (RIS-Justiz RS0098830; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 497). Dieser gilt dann als erbracht, wenn sich aus dem Anklagevorbringen – allenfalls in Verbindung mit einem in der Hauptverhandlung rechtmäßig vorgekommenen Beweismittel – der naheliegende Verdacht ergibt, der inkriminierte Sachverhalt wäre im Fall eines Schuldspruchs als eine in die Zuständigkeit (hier) des Schöffengerichts fallende strafbare Handlung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0124012, RS0098830 [T1]).
Das erkennende Gericht verwies zunächst darauf, dass die Staatsanwaltschaft durch die vorgenommene Ausdehnung des Strafantrages in der Hauptverhandlung vom 25. September 2023 in Richtung des Vergehens der Veruntreuung im Zusammenhang mit der Abwicklung eines „Traktorenkaufs und –transports“ (Verdacht der Zueignung der im ausgedehnten Spruchpunkt genannten Geldbeträge – ON 15.2 S 8) nunmehr sehr wohl davon ausgehe, der Angeklagte habe sich auf Kosten des B* ungerechtfertigt bereichert. Demzufolge sei deren weitere Annahme, er habe beim Versuch, durch (die im schriftlichen Strafantrag vom 1. August 2023 wiedergegebene) gefährliche Drohung weitere Zahlungen im Zusammenhang mit demselben (Traktoren-)Geschäft von B* zu erzwingen, plötzlich geglaubt, dass ihm „der zusätzlich zum bereits rechtswidrig Herausgelockten bzw. Veruntreuten“ geforderte Geldbetrag von 5.000 Euro auch rechtlich zustehe, logisch nicht nachvollziehbar.
Die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, er habe durch die inkriminierte Äußerung B* tatsächlich nahelegen wollen, dass es auch „unter Brüdern“ bei derartigen geschäftlichen Auseinandersetzungen „so weit kommen kann dass Messer gegeneinander verwendet werden“ und dass „auch zwischen Brüdern wegen Geld getötet wird“ (ON 15.2 S 6), begründe nach den erstgerichtlichen Ausführungen zudem den „zumindest konkreten Verdacht“, er habe B* tatsächlich Angst um sein Leben einflößen, ihn somit „mit dem Tod“ bedrohen wollen. Dieser „Qualifikationsverdacht“ werde durch die wiederholten Drohungen des Angeklagten sowohl in der Sprachnachricht als auch in einem kurz darauf folgenden Telefonat bestärkt (US 8).
Der vom erkennenden Gericht als wahrscheinlich erachtete Sachverhalt kann durch den aus § 489 Abs 1 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 6 StPO eröffneten Anfechtungsrahmen nur nach Maßgabe der Z 5 (zugunsten des Angeklagten auch Z 5a) des § 281 Abs 1 StPO, nicht aber beweiswürdigend nach Art der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in Frage gestellt werden (RIS-Justiz RS0119510; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 498 f). Eine verfehlte rechtliche Unterstellung ist aus § 489 Abs 1 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 6 StPO relevierbar; eine Bezugnahme auf Z 9 bis 11 des § 281 Abs 1 StPO kommt nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0099554 [T1]; Lewisch , WK-StPO § 261 Rz 25). Solcherart sind nur die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts bekämpfbar, die für die abweichende Zuständigkeit von Bedeutung sind (RIS-Justiz RS0098834).
Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Berufung, indem sie (in Ansehung des im schriftlichen Strafantrag vom 1. August 2023 inkriminierten Sachverhalts) unter Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten bzw dessen erregten Zustand zum Tatzeitpunkt zur Frage des Bereicherungsvorsatzes, des Bedeutungsinhalts der Drohung und der subjektiven Intention hinsichtlich der Drohung mit dem Tod eigene beweiswürdigende Überlegungen anstellt, ohne damit Begründungsmängel (iSd Z 5) aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken (iSd Z 5a) gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht angenommenen Verdachtslage in Richtung des Verbrechens nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu wecken. Mit den Ausführungen in der Berufung wird der vom Erstgericht für wahrscheinlich gehaltene Sachverhalt solcherart nur beweiswürdigend in Frage gestellt (RIS-Justiz RS0119510).
Entgegen dem Berufungsvorbringen setzt die begründete Besorgniseignung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) einer rein verbalen Todesdrohung keineswegs zwingend (hier nicht gegebene) begleitende Verhaltensweisen, wie die Verwendung eines lebensgefährlichen Mittels, voraus (vgl hiezu 14 Os 117/21v mwN; vgl Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 33 mit Beispielen relevanter Tatumstände). Warum die vorliegenden (mutmaßlichen) Äußerungen mit Blick auf die Ankündigung des „Erstechens“ und „Abstechens“ zunächst in einer Sprachnachricht (mit gegen deren Ende immer aggressiver werdendem Tonfall) und dann des „Umbringens“ in einem nachfolgenden Telefonat (vgl US 8) nicht geeignet sein sollten, dem Bedrohten begründete Besorgnis in Bezug auf einen Angriff auf sein Leben einzuflößen (vgl zu dieser Rechtsfrage RIS-Justiz RS0092160, RS0092448), macht die Berufung nicht (den Kriterien des § 281 Abs 1 Z 6 StPO entsprechend) klar. Vielmehr erschöpft sie sich in einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung der Verdachtsannahmen des Erstgerichts.
Eine Kostenentscheidung hat zu entfallen (RIS-Justiz RS0098811).