32Bs193/23a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Genannten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 12. Jänner 2023, GZ 37 Hv 64/22a-54, nach der am 23. Jänner 2024 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterin Dr. Vetter und des Richters Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski und des Verteidigers Mag. Breiteneder, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten A* durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (I/1) sowie der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (I/2) und des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB (II) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A*
(I) am 5. November 2010 in **
1) als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem sie gegenüber Beamten des Landeskriminalamts ** wahrheitswidrig behauptete, dass C* mit ihrem am ** geborenen Sohn E* dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen habe, und
2) C* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie ihn, wie zu 1) beschrieben, einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, obwohl sie wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, sowie
(II) in ** und andernorts gewerbsmäßig (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) und mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Vorspiegelung einer Traumatisierung und Pflegebedürftigkeit ihres am ** geborenen Sohnes E* aufgrund eines schweren sexuellen Missbrauchs, somit durch Täuschung über Tatsachen, in zahlreichen Angriffen zu Handlungen verleitet oder zu verleiten versucht, die die betroffenen Institutionen in einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, und zwar
am (richtig) 14. Dezember 2010 (US 4) Verfügungsberechtigte der G* zur Auszahlung von Pflegegeld (§ 15 StGB),
vom 14. Dezember 2010 bis zum März 2014 Verfügungsberechtigte des H* zur Auszahlung einer erhöhten Familienbeihilfe im Gesamtbetrag von 5.532 Euro,
am 4. April 2012 sowie vom 13. März 2013 bis zum 1. März 2022 (US 5) Verfügungsberechtigte der G* zur Auszahlung von Pflegegeld im Gesamtbetrag von 66.060,10 Euro, wobei sie außerdem eine Erhöhung des Pflegebedarfs des E* und eine Retraumatisierung aufgrund einer Drohung durch einen Nachbarn im Mai 2012 behauptete,
vom Dezember 2013 bis zum März 2014 und vom Juli 2015 bis zum Februar 2022 Verfügungsberechtigte der G* zur Gewährung beitragsloser Versicherungszeiten im Rahmen der Sozialversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger, wodurch diese im Gesamtbetrag von 35.113,91 Euro am Vermögen geschädigt wurde, und
vom 11. Juli 2014 bis zum 29. November 2021 Verfügungsberechtigte der Bezirkshauptmannschaft F* (auch unter Vorspiegelung ihrer Arbeitswilligkeit) zur Auszahlung einer Mindestsicherung im Gesamtbetrag von 67.849,00 Euro (US 6).
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen zweier Verbrechen und eines Vergehens, den langen Tatzeitraum, das mehrfache Überschreiten der Wertgrenze sowie die zweifache Deliktsqualifikation als erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und dass es in einem Fall beim Versuch geblieben ist. Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen verwies das Erstgericht darauf, dass auch ein erhöhter Gesinnungsunwert zu berücksichtigen gewesen sei, weil die Angeklagte ihren minderjährigen Sohn als argumentatives Mittel eingesetzt habe, er auch Untersuchungen über sich ergehen lassen habe müssen und „die Behauptung eine[r] Traumatisierung aufgrund eines sexuellen Übergriffs samt anschließendem Pflegebedarf erfahrungsgemäß eine besondere empathische Reaktion des Gegenüber auslöst“ (US 16 f).
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19. Juli 2023, GZ 13 Os 24/23p-4, liegt nunmehr ihre eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie deren gänzlich bedingte Nachsicht nach § 43 Abs 1 StGB anstrebende Berufung (ON 58.2) zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Im Hinblick auf die mehrfachen Angriffe (vgl US 4 ff) war zu II./ des Schuldspruchs die (über die Gewerbsmäßigkeit hinausgehende) Tatwiederholung (RIS-Justiz RS0091375 [T6]) als erschwerend zu berücksichtigen.
Das mehrfache Überschreiten der Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB ist im Rahmen des § 32 Abs 3 StGB aggravierend zu werten (RIS-Justiz RS0099961 und RS0091126; Riffel in WK 2 StGB § 32 Rz 77).
Entgegen den Berufungsausführungen kann angesichts der Deliktskumulierung, des langen Tatzeitraums und der Intrumentalisierung ihres Sohnes für betrügerische Zwecke (US 3 ff) keinesfalls von einem bloß unauffälligen Gesinnungsunwert der Angeklagten gesprochen werden. Dass sie die Betrugstaten nicht beging, um sich einen ausschweifenden Lebensstil zu finanzieren (wovon das Erstgericht ohnehin nicht ausging – vgl US 3 f), vermag – den Rechtsmittelausführungen zuwider - keine mildernde Wirkung zu entfalten.
Die aggravierende Wertung der zweifachen Deliktsqualifikation (bezogen auf § 146 StGB, US 16) verstößt – wie der Oberste Gerichtshof in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung zu GZ 13 Os 24/23p–4 (Rz 10) – bereits ausgeführt hat, nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil sowohl der zweite Strafsatz des § 148 StGB als auch jener des § 297 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht und der angesprochene Umstand demnach nicht die aktuelle Strafdrohung bestimmt.
Bei objektiver Abwägung der nach dem Vorgesagten ergänzten Strafzumessungslage erweist sich – ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe - die verhängte Unrechtsfolge insbesondere mit Blick auf den überaus langen Tatzeitraum, die Deliktskumulierung und den von der Angeklagten verursachten beträchtlichen Schaden keineswegs als überhöht. Diese entspricht vielmehr dem Schuld- und Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert der strafbaren Handlungen. Für deren Herabsetzung bietet weder das Berufungsvorbringen der Angeklagten noch der Akteninhalt begründeten Anlass.
Einer von der Angeklagten angestrebten gänzlich bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB stehen mit Blick auf die Deliktskumulierung und den überaus langen (zehn Jahre übersteigenden) Tatzeitraum bereits spezialpräventive Hindernisse entgegen. Solcherart ist – wie das Erstgericht zutreffend ausführt (US 17) - nicht davon auszugehen, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder auch in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, die Angeklagte von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Daran vermögen auch ihre weiteren Berufungsausführungen nichts zu ändern, wonach ihr als alleinerziehende Mutter dreier minderjähriger Kinder alleine schon durch das gegenständliche Strafverfahren eindrücklich die Konsequenzen neuerlicher Delinquenz vor Augen geführt worden seien. Mit Blick auf die vorliegende Versagung teilbedingter Strafnachsicht bereits aus Gründen der Spezialprävention konnten die weiteren Rechtsmittelausführungen zu Aspekten der
Generalprävention auf sich beruhen.