33R116/23f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Widerspruchs gegen die Marke Nr 318246, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Patentamts vom 31.3.2023, WM 10050/2022-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Im Widerspruchsverfahren stehen einander – soweit für das Rekursverfahren relevant – folgende Marken gegenüber:
Die Antragstellerin brachte vor, die Zeichen seien hochgradig ähnlich; der Wortbestandteil, der die älteren Marken präge, sei vollständig in die jüngere Marke aufgenommen worden. Außerdem seien die Waren und Dienstleistungen hinter den Zeichen ähnlich.
Die Antragsgegnerin brachte im Wesentlichen vor, für die beteiligten Verkehrskreise bestehe keine Ähnlichkeit zwischen den Waren und Dienstleistungen hinter der jüngeren Marke und den Waren und Dienstleistungen des Antragstellers. Die Zeichen würden nur eine sehr geringe Ähnlichkeit aufweisen.
Mit Eingabe vom 2.12.2022 gab die Antragsgegnerin die Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ihrer Marke auf Schneekanonen (Klasse 11) und Bau- und Montage- und Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit Schneekanonen (Klasse 37) bekannt. Die jüngere Marke wurde mit Wirksamkeit vom 2.12.2022 teilweise gelöscht.
Das Patentamt stellte das Verfahren im Hinblick auf die mit Wirkung vom 2.12.2022 gelöschten Waren und Dienstleistungen ein und wies den Widerspruch im Übrigen ab. Zwischen Schneekanonen und Montage- und Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit Schneekanonen und den Waren und Dienstleistungen hinter der älteren Marke bestehe keine Ähnlichkeit. Selbst wenn einzelne Waren hinter der jüngeren Marke als Komponenten in Schneekanonen verbaut sein könnten, würde der Verkehr die betriebliche Herkunft dieser Komponenten nicht beim Hersteller der komplexen Ware Schneekanone vermuten. Die Dienstleistungen der Qualitätskontrolle und Authentifizierung könnten sich auf sämtliche Lebensbereiche und damit auch auf Wintersport, etwa in Form der Begutachtung einer Skipiste, erstrecken. Derartige Sachverständigenleistungen würde der Verkehr aber nicht mit der Lieferung, der Montage und dem Abbau einer Schneekanone in Verbindung bringen. Auch Dienstleistungen im Bereich Sicherheit könnten wohl auch auf einer Skipiste erbracht werden. Der Verkehr werde die Herkunft von mit der Gewährleistung der Pistensicherheit verbundenen Aufgaben nicht der Lieferung, der Montage und dem Abbau von Schneekanonen zuordnen.
Auch wenn die Zeichen in klanglicher Hinsicht ähnlich seien, ergebe eine Gesamtbewertung, dass keine Gefahr der Verwechslung bestehe und die Voraussetzungen für eine Löschung nicht erfüllt seien.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, den Beschluss des Patentamts dahin abzuändern, dass die jüngere Marke vollständig gelöscht werde.
Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern diese beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus dem selben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (StRsp, etwa EuGH C-39/97, Canon , Rz 29; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ; 4 Ob 40/22v, Glück – Glück im Glas, Der kostbare Laden ).
Für den Begriff der Verwechslungsgefahr gilt unionsweit ein einheitlicher Maßstab. Nach der Rechtsprechung des EuGH und der ständigen Rechtsprechung in Österreich ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die Marken jeweils in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind und die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren und Dienstleistungen entscheidend ist (RS0117324; RS0121482; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).
Umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft sowie Bekanntheitsgrad auf dem Markt und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen, Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (17 Ob 18/11p, Junkerschinken ; 4 Ob 183/22y, ZARA HOME – AZRA HOME ; RS0121500; RS0121482). Die Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Warenidentität und hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (17 Ob 36/08f, Cobra ). Bei der Prüfung der Gleichartigkeit von Waren und Dienstleistungen ist bei eingetragenen Marken das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen maßgeblich. Die dort verwendeten Gattungsbezeichnungen sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen (vgl RS0116295). Die Prüfung erfolgt in erster Linie abstrakt anhand des Registerstands; die Frage der Verwechslungsgefahr ist eine Rechtsfrage (RW0000786; RS0066553 [T13]).
2. Zur Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Zeichen :
2.1. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die verwendeten Zeichen in Bild, Klang und Bedeutung einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen (RS0117324; RS0066753), wobei in der Regel die Verwechslungsgefahr nach einem dieser Gesichtspunkte genügt (RS006779 [T13]; RS0079571; RS0079190; 4 Ob 183/22y, ZARA HOME – AZRA HOME ).
Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf Einzelheiten achtet; dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (RS0117324; C-342/97, Loyd , Rn 26).
Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779). Wird eine registrierte Marke vollständig in eine andere Marke aufgenommen, ist regelmäßig, und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind, Ähnlichkeit anzunehmen (RS0079033; vgl Schumacher in Kucsko/Schumacher , Marken.Schutz³ § 10 Rz 493 mwN).
2.2. Nach den dargelegten Grundsätzen besteht eine Ähnlichkeit zwischen den Marken, die geeignet ist, zu einer Verwechslung beizutragen. Der Wortbestandteil der älteren Marke UM 17981713, Snowhow, wurde zur Gänze in die jüngere Marke übernommen. Dasselbe gilt für die ältere Marke UM 10146355; sie ist so geschaltet, dass ihr Wortbestandteil durch die optisch hervorgehobene Einfügung eines „h“ zwischen „Sn“ und „ow“ im Korrekturstil ebenfalls als Snow How zu lesen ist. Zwar ist dem Wort Snowhow in der jüngeren Marke noch das unterscheidungskräftige Merkmal Sherpa vorangestellt; beide mit Unterscheidungskraft ausgestatteten Elemente stehen aber zumindest gleichberechtigt nebeneinander; jedenfalls überwiegt die Wirkung des Bestandteils „Sherpa“ nicht derart, dass die Ähnichkeit zwischen den Marken, die durch die Übernahme des Wortbestandteiles der älteren Marken erzeugt wird, aufgehoben wäre.
3. Zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen :
3.1. Als relevante Faktoren bei der Prüfung der Warengleichartigkeit kommen insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren nach ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrem Verwendungszweck, ihrer Vertriebsstätte und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren in Betracht (RS0116295). Waren werden insbesondere dann als vom selben Hersteller stammend angesehen werden, wenn die Waren aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise derselben Warengattung angehören und als Bestandteil eines allgemeinen Sortiments dieser Erzeugnisse angesehen werden können, die möglicherweise dieselbe betriebliche Herkunft haben. Dabei ist die nahe Verwandtschaft von Waren nach ihrer Zweckbestimmung für die Ähnlichkeit wesentlicher als die Verschiedenheit der stofflichen Zusammensetzung ( Schumacher , aaO Rz 439f mwN). Auch dass Waren häufig an denselben spezialisierten Verkaufsstätten abgesetzt werden, kann eine Ähnlichkeit begründen (vgl Schumacher , aaO Rz 453). Dass Verbraucher eine Ware als Ergänzung oder Zubehör einer anderen Ware betrachten, genügt nicht, um bei ihnen die Vorstellung erwecken zu können, dass die Waren dieselbe betriebliche Herkunft hätten. Dies setzt voraus, dass die Verbraucher die Vermarktung dieser Waren unter derselben Marke als üblich ansehen, was normalerweise mit sich bringt, dass die Hersteller oder Händler der Waren großteils dieselben sind. Einander ergänzende Waren, die eine Ähnlichkeit begründen, sind solche, zwischen denen ein enger Zusammenhang besteht, weil die eine Ware für die Verwendung der anderen Ware unverzichtbar oder bedeutsam ist, sodass die Verbraucher annehmen könnten, die Herstellung beider Waren liege in der Verantwortung desselben Unternehmens (funktionale Komplementarität; Schumacher , aaO Rz 448 f).
Dienstleistungen werden die angesprochenen Verkehrskreisen nach der Rechtsprechung als zusammengehörend betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen erbracht, wenn die Dienstleistungen nicht völlig gegensätzlicher Natur sind und sich in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Verrichtung eng berühren. Gehören mit ähnlichen Zeichen gekennzeichnete Dienstleistungen zu einem gemeinsamen Geschäftsbereich, besteht eine enge Verbindung beim Verwendungszweck, und die fraglichen Dienstleistungen haben ergänzenden Charakter. Daraus ist zu schließen, dass sie ähnlich sind ( Schumacher , aaO Rz 455 mwN).
Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen ist nach denselben Grundsätzen zu beurteilen; es kommt darauf an, ob zwischen ihnen eine derartige Verknüpfung besteht, dass für die Verkehrsbeteiligten der Schluss nahe liegt, die Dienstleistungen werden von demselben Unternehmen erbracht, das auch die Waren herstellt oder vertreibt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn zwischen Ware und Dienstleistung eine unmittelbare wirtschaftliche Beziehung besteht oder wenn im Zuge von Dienstleistungen die betreffenden Waren angeboten werden oder Verwendung finden ( Schumacher , aaO Rz 456f).
3.2. Zwischen den Waren und Dienstleistungen, die hinter den hier angesprochenen Marken stehen, besteht keine Ähnlichkeit. Die Schneekanonen der Antragsgegnerin und die Waren des Antragstellers gehören weder derselben Warengattung an, noch besteht eine Verwandtschaft im Hinblick auf die Zweckbestimmung oder stoffliche Zusammensetzung. Sie werden auch nicht an derselben Verkaufsstätte abgesetzt und ergänzen einander nicht in zwingend erforderlichen Bestandteilen. Es ist zwar denkbar, dass in einer Schneekanone eine vom Antragsteller angebotene Art von Ware – etwa ein Apparat, Instrument oder Kabel für Elektrizität – verbaut ist oder dass derartige Komponenten im Rahmen von Auf-, Montage- und Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit Schneekanonen, etwa als Ersatzteil, eingesetzt werden; die Verwendung dieser Waren würde aber keinen Beitrag zu den Produkteigenschaften leisten, die eine Schneekanone für den Verkehr ausmachen. Das Rekursgericht geht daher davon aus, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Waren des Antragstellers nicht mit Schneekanonen und damit zusammenhängenden Dienstleistungen in Verbindung bringen.
Auch die vom Antragsteller angebotenen Dienstleistungen werden die angesprochenen Verkehrskreise nicht mit den Waren und Dienstleistungen der Antragsgegnerin verbinden. Die Produktion oder der Vertrieb von Schneekanonen sowie Bau-, Montage- und Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit Schneekanonen haben keine Verbindung zu den Dienstleistungen des Antragstellers. Selbst wenn im Rahmen von Bildungsmaßnahmen, Qualitätskontrollen, Sicherheitsdienstleistungen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten im Einzelfall ein Bezug zu Schnee oder Skipisten, auf denen Schneekanonen eingesetzt werden, hergestellt würde, ändert dies nichts an der Natur der Dienstleistungen, für die die älteren Marken registriert sind. Diese definieren sich nicht über die möglicherweise im Einzelnen angesprochenen Inhalte oder Einsatzbereiche, etwa ein Vortrag über Schneekanonen oder Qualitätskontrollen im Bereich von Skipisten, sondern über die Art der Dienstleistung selbst, nämlich Bildung, Authentifizierung, Qualitätskontrolle etc.
4. Da die Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich sind, besteht trotz Ähnlichkeit der Zeichen keine Verwechslungsgefahr; die Voraussetzungen der §§ 29a, 30 Abs 1 Z 2 MSchG liegen nicht vor.
5. An dieser Einschätzung würde auch der Umstand nichts ändern, dass der Antragsteller die Wortbildmarke
auf Hinweistafeln für Schitourenrouten abdrucken lässt. Es mag sein, dass die im Rekurs dargestellte Beteiligung an der Entwicklung von Lösungen und Lenkungskonzepten für Bergbahnbetreiber mit Blick auf Schitourengeher eine möglichen Art der Erbringung von der einen oder anderen Art von Dienstleistung ist, für die die älteren Marken eingetragen sind, und in diesem Zusammenhang die Marke auch auf Hinweisschilder aufgedruckt wird. Abgesehen davon, dass dieser Aufdruck neben anderen Marken auch als bloßer Werbehinweis verstanden werden könnte, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die beteiligten Verkehrskreise, seien es auch Schitouren gehende Endverbraucher, den Eindruck gewinnen könnten, das Unternehmen, das an der Ausschilderung oder Konzeption einer Schitourenroute mitgewirkt hat, würde auch die Schneekanonen herstellen, montieren oder abbrechen, aus denen der Kunstschnee kommt, der beim Skitourengehen begangen wird.
6. Da die Entscheidung keine Rechtsfrage in der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (vgl RS0111880; RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der wie hier rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.