22Bs263/23x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Krems a.d. Donau als Schöffengericht vom 1. März 2023, GZ 15 Hv 4/23v-20, nach der am 16. Jänner 2024 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein der Richter Mag. Hahn und Mag. Trebuch, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. B* sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Raabe durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 44 Abs 2 StGB wird der Amtsverlust gemäß § 27 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB für die Dauer der Probezeit bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des weiteren Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 207 Abs 1; 212 Abs 1 Z 1 (richtig: Z 2) StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 207 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von 20 Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Unter einem wurde der Angeklagte verhalten, den Privatbeteiligten C* sowie D* und E* F* jeweils binnen 14 Tagen EUR 3.000,-- zu bezahlen.
Der Schuldspruch erfolgte, weil der Angeklagte
A./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornahm, und zwar
I./ im April 2018 in ** an der am ** geborenen C* dadurch, dass er mit der Hand unter die Hose fuhr und ihre unbedeckte Vagina betastete;
II./ im Sommer 2019 in ** an der am ** geborenen D* F* dadurch, dass er mit der Hand über ihrer Hose ihre Vagina betastete;
III./ am 14. August 2021 in ** an der am ** geborenen E* F* dadurch, dass er mit der Hand über ihrer Hose ihre Vagina betastete;
B./ durch die unter A./ beschriebenen Tathandlungen jeweils mit einer unmündigen minderjährigen Person und mit ihm in absteigender Seitenlinie verwandten Person, die seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstand, nämlich jeweils seiner Nichte, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person jeweils eine geschlechtliche Handlung vornahm.
Bei der Strafbemessung werteten die Tatrichter das Zusammentreffen von drei Verbrechen und drei Vergehen sowie das jeweils zarte Alter der Opfer als erschwerend, mildernd demgegenüber das umfassende und reumütige Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit, die Schadensgutmachung durch Anerkenntnis der von den Opfern geforderten Beträge sowie die bereits begonnene Therapie und erachteten davon ausgehend die verhängte Freiheitsstrafe als schuld- und tatangemessen. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit und die bereits begonnene Therapie wäre es dabei sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Gründen möglich, einen zwanzigmonatigen Teil der Sanktion bedingt nachzusehen.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten durch den Obersten Gerichtshof am 20. September 2023, GZ 13 Os 64/23w-4, verbleibt dessen Berufung, mit der er eine Herabsetzung und gänzliche bedingte Nachsicht der Sanktion begehrt (ON 24), zur Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist in spruchgemäßem Umfang berechtigt.
Zunächst sind die besonderen Strafzumessungsgründe insofern zu korrigieren und zu ergänzen, als zum Nachteil des Angeklagten ein langer Tatzeitraum ausschlägt, zu seinem Vorteil die bereits tatsächlich geleisteten Zahlungen an die Privatbeteiligten (das bloße Anerkenntnis wirkt entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts nicht mildernd).
Des weiteren ist festzuhalten, dass - wie vom Obersten Gerichtshof in oben zitierter Entscheidung angeführt - die Subsumtion der vom Schuldspruch zu B./ umfassten Taten nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB verfehlt ist, weil der Angeklagte mit den von ihm missbrauchten Nichten nicht in absteigender Linie verwandt ist. Jedoch ermöglicht der Urteilssachverhalt die Subsumtion des Geschehenen unter § 212 Abs 1 Z 2 StGB, sodass für die Beurteilung der Straffrage keine ins Gewicht fallende Änderung der Strafzumessungstatsachen eintritt.
Zur Berufung selbst ist festzuhalten, dass es zutrifft, dass beide Milderungsgründe des § 34 Abs 1 Z 17 StGB vorliegen, erbrachte der Berufungswerber doch einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung (der den Opfern auch eine kontradiktorische Vernehmung ersparte) und zeigte sich vollumfassend reumütig geständig. Hinzu tritt, dass auch die wenngleich auf Druck seiner Schwester erfolgte Selbstanzeige gegenüber in vergleichbaren Fällen vorhandenem Nachtatverhalten ebenso herausragt, wie die sofort begonnene Therapie.
Letztlich ist zu konstatieren, dass die durch die Tathandlungen bewirkten Einriffe in die sexuelle Sphäre der Opfer am unteren Rand des strafbaren Spektrums angesiedelt sind, somit der Erfolgsunwert – auch im Verhältnis zu vergleichbaren Fällen – als nicht besonders schwer einzustufen ist.
In Verbindung mit den mittlerweile geleisteten Zahlungen an die Privatbeteiligten ermöglicht die vorliegende außergewöhnliche Strafzumessungslage daher eine gänzlich bedingte Nachsicht der verhängten Sanktion, weil aufgrund der vorangeführten Umstände (Selbstanzeige, reumütiges Geständnis, Beitrag zur Wahrheitsfindung, freiwillige Therapie und vollständige Zahlung der Privatbeteiligtenzusprüche) nicht erkennbar ist, wieso der Vollzug eines viermonatigen Strafteils notwendig sein soll, um den Rechtsmittelwerber zu normtreuem Verhalten anzuleiten.
Vielmehr reicht in casu die Androhung der Vollziehung in Verbindung mit den vom Erstgericht erteilten Weisungen hin, um der Begehung strafbarer Handlungen durch den Angeklagten, aber auch andere potenzielle Rechtsbrecher, entgegenzuwirken.
Aus denselben Erwägungen war auch eine bedingte Nachsicht des Amtsverlusts gemäß § 44 Abs 2 StGB möglich, zumal der Angeklagte seit über 25 Jahren als Finanzbeamter tätig ist und bei den von ihm vorgenommenen Prüfungen von Großbetrieben auch kein Kontakt mit Minderjährigen zu erwarten ist.
Eine Herabsetzung der Sanktion verbietet sich jedoch angesichts der über einen mehrjährigen Tatzeitraum wiederholten strafbaren Handlungen.
Zur Weisungserteilung (Beschluss ON 20a) ist festzuhalten, dass aufgrund des dazu ausdrücklich abgegebenen Rechtsmittelverzichts keine Entscheidung des Berufungsgerichts mehr zu erfolgen hatte.