17Bs297/23k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* B* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. November 2023, GZ 187 BE 232/23i-5, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die bedingte Entlassung des A* B* gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 17. Jänner 2024 angeordnet.
Gemäß § 48 Abs 1 StGB wird die Probezeit mit drei Jahren bestimmt.
Gemäß §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 und 3 StGB wird/werden A* B* für die Dauer der Probezeit
1. Bewährungshilfe angeordnet und 2. die Weisungen erteilt,
- sich einer regelmäßigen psycho- therapeutischen Behandlung (mindestens vierzehntägig) zu unterziehen; - regelmäßige ärztliche Kontrollen in Bezug auf seine Diabeteserkrankung (mindestens vierteljährlich) durchzuführen; und die Einhaltung der Weisungen vierteljährlich dem Gericht durch Übermittlung von Bestätigungen nachzuweisen.
Text
Begründung:
Der am * geborene polnische Staatsangehörige A* B* verbüßt derzeit in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (in der Folge: eüH) eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. Dezember 2022, AZ 114 Hv 119/22p, wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall, Abs 2 StGB verhängte unbedingte Freiheitsstrafe von vier Monaten.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 17. Februar 2024, die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 und Z 2 StVG werden am 17. Jänner 2024 erfüllt sein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht aus spezialpräventiven Gründen den von B* im Oktober 2023 gestellten Antrag (ON 2.2) auf bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 und Z 2 StVG ab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde (ON 7), der Berechtigung zukommt.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach § 46 Abs 4 StGB ist insbesondere zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung in Bezug auf künftige Straffreiheit voraus. Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose sind insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in die Erwägungen einzubeziehen ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 46 Rz 15/1). Die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe soll der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 17).
Der vollzugsgegenständlichen Verurteilung wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall, Abs 2 StGB liegt zu Grunde, dass B* am 8. September 2022 in ** die Beamten RvI C* und RvI D* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Vorführung zum Amtsarzt, zu hindern versuchte sowie zu einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu nötigen versuchte, indem er diesen jeweils mit den flachen Händen einen Stoß gegen die Brust versetzte.
Zutreffend verweist das Erstgericht zwar auf den äußerst raschen Rückfall des Strafgefangenen bereits am Tag der Rechtskraft seiner einschlägigen Verurteilung wegen des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB, jedoch ist dem gegenüberzustellen, dass sich dieser nunmehr seit rund einem Jahr wohlverhalten hat und die Zeit im eüH ohne jede Beanstandung verlaufen ist (ON 2.1 AS 4 f). Das tadellose Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers, der sich nicht nur weisungsgemäß seit August 2023 einer psychotherapeutischen Behandlung unterzieht (vgl ON 6 AS 7 f) und seit Monaten psychisch stabil ist (aaO AS 9), sondern auch regelmäßige ärztliche Kontrollen in Bezug auf seine Diabeteserkrankung durchführt, lässt auf eine positive Verhaltensänderung seit der Tat schließen. Gerade zur Sicherung des erreichten Erfolges scheint es fallkonkret zweckmäßig, unter Fortführung der dem Beschwerdeführer bereits im Rahmen des eüH mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. August 2023 zu AZ 190 Bl 60/23p erteilten Auflagen - zu deren Absolvierung er sich auch jetzt ausdrücklich bereit erklärte (ON 6 AS 4) - sowie unter Anordnung von Bewährungshilfe, den Vollzug des Strafrestes unter der Kontrolle des Gerichtes zur Bewährung auszusetzen. Gerade beim im Erstvollzug befindlichen Verurteilten, der über eine Wohnung verfügt und in aufrechter Beschäftigung steht (ON 2.1 AS 4), der sich auf einem Weg der Besserung zu befinden scheint, und durch seine Beteuerungen, seine Taten zu bereuen auch Problemeinsicht zeigt, ist zu erwarten, dass sich eine bedingte Entlassung samt angeordneten Unterstützungsmaßnahmen, die ihn gleichzeitig unter weitere Kontrolle stellt, vor dem Hintergrund seiner Erkrankungen (vgl das Sachverständigengutachten in ON 14 S 36, wonach beim Strafgefangenen ein depressiv-ängstliches Zustandsbild mit paranoiden Tendenzen bei vordiagnostizierter rez. depressiver Störung F 33.2 und Diabetes mellitus Typ 1 vorliegt) im Ergebnis als wirksamer erweisen als der restlose Vollzug von lediglich einem weiteren Monat (vgl zu all dem Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 46 Rz 4).
Der Beschwerde war daher Folge zu geben und dem Beschwerdeführer die im Spruch genannten Unterstützungs- und Überwachungsmaßnahmen anzuordnen.