20Bs189/22y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen Ing. A* B* und weitere Beschuldigte wegen §§ 165 Abs 1, 2 und 4, 12 dritter Fall; 153 Abs 1 und 3 StGB über die Beschwerde des Ing. A* B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. Mai 2022, GZ 333 HR 170/19y-565, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (in der Folge kurz: WKStA) führt zu AZ 85 St 2/20i (vormals 28 St 8/19a) ein Ermittlungsverfahren unter anderem gegen Ing. A* B* wegen §§ 165 Abs 1, 2 und 4, 12 dritter Fall; 153 Abs 1 und 3 StGB.
Demnach steht Ing. A* B* im Verdacht, er habe ab 2006 die Herkunft von Vermögensbestandteilen verschleiert, die aus einer Untreue des in Deutschland hierfür rechtskräftig verurteilten D* zum Nachteil der E* mit einem Gesamtschaden von über neunzig Millionen Euro herrührten, indem er über das Scheinunternehmen F* G* (F*) jeweils vorgebliche Zahlungen von rund 5,5 Millionen Euro über die H* I* Ltd (H*) erhalten habe, ohne dass er oder das genannte Unternehmen geldwerte/tatsächliche Vermittlungsleistungen erbracht hätten. Sowohl Ing. A* B* als auch J* K* waren in Unternehmen der L* in führender Funktion tätig. Daher besteht ferner der Verdacht, sie hätten sich durch das angeführte Verhalten auch der Untreue zum Nachteil der von ihnen vertretenen Gesellschaften der L* strafbar gemacht. Die Zahlungen von F* erfolgten in engem Zusammenhang mit der Anrechnung durch das M* von konkreten Geschäften der L* auf die Gegengeschäftsverpflichtung der N* GmbH (O*). Im Gegenzug dafür von O* im Wege von F* geleistete Zahlungen wären demzufolge den jeweiligen Unternehmen zugestanden, und nicht diese vertretenden Machthabern. Letztere, darunter B* und K*, hätten dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die Zahlungen unmittelbar den Machtgebern zufließen; ihnen persönlich zugekommene Zahlungen hätten sie abzuführen gehabt.
Nach der Verdachtslage habe Ing. A* B* daher das Verbrechen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 bzw. 2 und 4 StGB, allenfalls auch das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB, begangen.
Die Ermittlungen werden vom Bundeskriminalamt Abteilung 7.1. Wirtschaftskriminalität zu GZ 2.221564/1/II/BK 7.1, T* geführt (vgl. Anlass- und Zwischenberichte ON 2, 5, 84, 87, 98, 114, 151).
Nachdem der Beschuldigte Ing. A* B* mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 (zum bereits wiederholten Mal) die Einvernahme des Zeugen P* zum Beweis dafür beantragt hatte, dieser werde bestätigen, dass H* keine Briefkastenfirma, sondern ein vielmehr tatsächlich existentes Unternehmen sei, das Leistungen erbracht habe, entgegnete die WKStA auf den Beweisantrag mit Note vom 9. Juni 2020 (ON 267), dass das angeführte Beweisthema durch die bereits erfolgte Vorlage einer Stellungnahme des P* vom 18. Mai 2020 abgedeckt sei. Eine darüber hinausgehende Vernehmung des P* im Rechtshilfeweg erachtete die Anklagebehörde aus derzeitiger Sicht für nicht erforderlich, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen sei, dass eine tatsächliche Leistungserbringung durch die H* I* Ltd nicht grundsätzlich bezweifelt werde.
Am 18. Februar 2022 wurde im gegenständlichen Ermittlungsverfahren ein umfangreicher Abschlussbericht erstattet (ON 502).
Mit Schriftsatz vom 13. April 2022 (ON 531) erhob Ing. A* B* Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO „gegen den Abschlussbericht des Bundeskriminalamtes vom 17. Februar 2022“ (ON 502), den er zusammengefasst damit begründete, der im Rahmen der Berichtspflicht gemäß § 100 StPO und somit im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstellte Abschlussbericht sei fehler- und lückenhaft, stelle für die Beurteilung wesentlicher Tatbestandselemente relevante Kernbereiche offenkundig unrichtig dar, sodass aus dem Bericht kein objektives Bild in Ansehung des zu untersuchenden Sachverhalts gewonnen werden könne. Die Befundaufnahme stelle einen Verstoß gegen das Objektivitätsgebot des § 3 StPO dar. So seien etwa Eingaben des Beschuldigten und für die Beurteilung einer strafrechtlichen Verantwortung maßgebliche Dokumente im gegenständlichen Abschlussbericht nicht ausreichend berücksichtigt und entlastenden Momenten keine Beachtung geschenkt worden. Darüber hinaus sei der irreführend, unvollständig und unpräzise Abschlussbericht mit Auslassungen und Fehleinschätzungen behaftet. Das Verfassen eines unvollständigen und unsachlichen Abschlussberichtes sowie das Ignorieren de facto sämtlicher entlastender Unterlagen, insbesondere der Eingaben des Beschuldigten sowie die als Verfahrensverstoß zu wertende unterlassene Einvernahme des Zeugen P* stelle einen Verstoß gegen das in § 3 StPO normierte Objektivitätsgebot dar, wodurch er in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 EMRK und Artikel 47 GRC verletzt worden sei.
Dem Einspruch möge durch die Feststellung entsprochen werden, dass der Beschuldigte KR Ing. A* B* durch den entgegen § 3 StPO verfassten Abschlussbericht in seinen Rechten verletzt wurde, wobei der Kriminalpolizei der Auftrag erteilt werden möge, einen neuen, sämtliche im Einspruch aufgezeigte entlastende Umstände berücksichtigenden Abschlussbericht zu verfassen.
Nach Einholung einer Stellungnahme der WKStA (ON 532) und einer Äußerung des Beschuldigten vom 2. Mai 2022 wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StPO gegen den Abschlussbericht des Bundeskriminalamtes vom 17. Februar 2022 (ON 502) ab und führte begründend unter Hinweis auf die zuletzt ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien aus, dass weder aus § 100 StPO, noch aus § 3 StPO im konkreten Fall ein subjektives Recht des Beschuldigten abzuleiten sei. Soweit sich der Einspruchswerber auf die „unterlassene Einvernahme des Zeugen P*, gerade im Hinblick auf die fragwürdigen Ergebnisse zu den Länderberichten“ beziehe (ON 531, Seite 12 f), wies die Haft- und Rechtsschutzrichterin darauf hin, dass ungeachtet eines entsprechenden Beweisantrags vom 27. Mai 2020 (ON 264) der Einspruch weder auf § 55 StPO gestützt, noch die Einvernahme des dort angeführten Zeugen in Entsprechung des Einspruchs begehrt worden sei.
Die Ausführungen im Einspruch stellten inhaltlich eine Stellungnahme des Beschuldigten zum Abschlussbericht dar, der von der Staatsanwaltschaft bzw. der Kriminalpolizei Berücksichtigung zu finden habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die (mangels Zustellnachweis) im Zweifel fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten Ing. A* B* (ON 574), in der er zusammengefasst moniert, ein unvollständiger, vorgefilteter und einseitiger Abschlussbericht, der gegen das Gebot der Wahrheitserforschung und das Objektivitätsgebot verstoße und der Staatsanwaltschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens zur Beurteilung des Sachverhalts im Hinblick auf die Erhebung einer Anklage oder Einstellung des Ermittlungsverfahrens diene, begründe entgegen der Darstellung des Erstgerichts sehr wohl ein aus § 1 iVm § 100 StPO begründetes subjektives Recht, weil die Bestimmung des § 47 StPO keine der in § 44 Abs 3 StPO vergleichbare Regelung enthalte, wonach allen Verfahrensbeteiligten ein Antrag auf Ablehnung eines ausgeschlossenen Richters zukommt, während § 47 StPO lediglich normiere, dass sich befangene Organe der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen hätten, folglich die Konsequenzen aus einer gegebenen Befangenheit gemäß § 47 Abs 1 StPO grundsätzlich selbst zögen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht Einspruch wegen Rechtsverletzung im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert (Z 1) oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde (Z 2; vgl zur Legitimation Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 10).
Mit Erkenntnis vom 30. Juni 2015, G 233/2014-15, G 5/2015/16, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“ in § 106 Abs 1 StPO aufgehoben. Somit unterliegen – schon dem Wortlaut der angeführten Norm in der geltenden Fassung nach – nur mehr Eingriffe der Staatsanwaltschaft in subjektive Rechte der Kontrolle der Strafgerichte (Kirchbacher/ Fabrizy , StPO 14 § 106 Rz 1). Gemäß § 106 Abs 1 Z 1 und 2 StPO in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 107 Abs 1 StPO sind demnach Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, die sich gegen selbständige Akte der Kriminalpolizei wenden, als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Erlass des BMJ vom 5. Juli 2016, BMJ-S590.000/003-IV3/2016).
Insoweit sich der Beschwerdeführer daher durch die von ihm behauptete Falschinformation der WKStA durch eine unrichtige Interpretation der T* mit offenkundigem Täuschungswillen (ON 574, Seite 22) im Abschlussbericht vom 13. April 2022 in seinem subjektiven Recht auf Objektivität bei Erforschung der materiellen Wahrheit nach § 3 StPO verletzt erachtet, kommt ihm ein Einspruchsrecht nach § 106 Abs 1 StPO gar nicht zu, handelt es sich doch dabei schon dem eigenen Vorbringen nach um einen der Kriminalpolizei und nicht der Staatsanwaltschaft - auch wenn sie dieser als Leiterin des Ermittlungsverfahrens gemäß §§ 20a iVm 100a StPO zu berichten hat – zuzuordnenden behaupteten Eingriff in seine subjektiven Rechte.
Im Rahmen ihrer Aufgaben sind Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist (§ 71 Abs 1 erster Satz StPO), in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären (§ 2 Abs 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat zudem das Ermittlungsverfahren zu leiten (§ 101 Abs 1 erster Satz StPO) und für die zur Entscheidung über das Einbringen der Anklage notwendigen Ermittlungen zu sorgen (§ 4 Abs 1 zweiter Satz StPO). Adressatin nach § 100 StPO zu erstattender Berichte ist die Staatsanwaltschaft (§ 100 Abs 2 StPO), die als Leiterin des Ermittlungsverfahrens letztlich zur Entscheidung und gegebenenfalls Anordnung gegenüber der Kriminalpolizei befugt ist, welche konkreten Inhalte unter den Kriterien von Anlass, Durchführung und Ergebnis aktenmäßig festzuhalten sind. Bei rechtlichen Zweifeln über den Inhalt des Ermittlungsakts hat die Kriminalpolizei die Staatsanwaltschaft zu befassen (vgl. 11 Os 56/20z).
Der vom Beschuldigten monierte – unberücksichtigt gebliebene - Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen P* vom 27. Mai 2020 (ON 264) war wiederum nicht an die Kriminalpolizei, sondern an die WKStA gerichtet, die das Beweisthema durch Vorlage einer Stellungnahme (§ 55 Abs 4 StPO) des begehrten Zeugen vom 18. Mai 2020 als abgedeckt betrachtete (ON 267). Gegen die derzeitige Abstandnahme von der beantragten Beweisaufnahme war der Einspruch jedoch nicht gerichtet, sondern wendet sich explizit gegen den Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 13. April 2022 (ON 531).
Folglich wäre der Einspruch wegen Rechtsverletzung vom Erstgericht zurückzuweisen gewesen.
Doch selbst wenn man dem Einspruchswerber (wie das Erstgericht) eine Legitimation zur Erhebung eines Einspruchs gegen die als unsachlich und tendenziös erachtete Arbeitsweise der Kriminalpolizei zubilligt, kommt diesem inhaltlich keine Berechtigung zu.
Wie vom Erstgericht zutreffend dargestellt und dem Beschwerdeführer bekannt, judiziert das Oberlandesgericht Wien in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. etwa 22 Bs 176/12m, 18 Bs 156/12w) in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass aus den in § 3 StPO normierten Prinzipien einzelnen Personen keine subjektiven Rechte eingeräumt werden, die nach § 106 Abs 1 StPO relevierbar sind (vgl. OLG Wien AZ 18 Bs 34/16f, 22 Bs 123/16y, 19 Bs 345/16y, 19 Bs 140/18d, 22 Bs 332/18m, 22 Bs 333/18h, 18 Bs 344/19y, 18 Bs 345/19w, 22 Bs 28/20h).
Wenn der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, die Interpretation der T* sei falsch, sie verfolge die Taktik, die WKStA offenkundig zu täuschen (ON 574, Seite 22) eine tendenziöse, voreingenommene Berichterstattung und damit Befangenheit des bzw. der Verfasser(s) des Abschlussberichtes vorwirft, ist auszuführen, dass unter subjektiven Rechten im Sinne des § 106 Abs 1 StPO (nur) solche zu verstehen sind, welche die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei der Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach der Strafprozessordnung konkret einzuhalten sind (Z 1) oder dem Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der Strafprozessordnung einräumen (Z 2) [vgl. Pilnacek / Stricker , WK-StPO § 106 Rz 11; Pilnacek / Pleischl , das neue Vorverfahren (2005 [Rz 432]).
Subjektive Rechte des Beschuldigten (im Ermittlungsverfahren) ergeben sich zunächst aus der demonstrativen Aufzählung der Informations-, Mitwirkungs- und Antragsrechte in § 49 StPO. Darüber hinaus begründen auch einzelne Bestimmungen zu den – vor allem die Programmatik des Strafverfahrens festlegenden – Verfahrensgrundsätzen subjektive Rechte des Beschuldigten (Fuchs, Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren, ÖJZ 2007, 895; EBRV 25 BlgNR. XXII. GP 2, 10, 12). Derartige Normen des ersten Hauptstücks des ersten Teils der Strafprozessordnung sind anhand ihrer sprachlichen Ausgestaltung, nämlich des Einsatzes von Wendungen eines eindeutig subjektiven Rechte begründenden Sinngehalts zu identifizieren (§ 6 Abs 1 und 2, 7 Abs 1 StPO „… hat das Recht, …“; § 9 Abs 1: „… hat Anspruch auf …“ [vgl. auch § 49 StPO: „… hat insbesondere das Recht, …“; § 55 Abs 1: „… ist berechtigt …“). Einer vergleichbaren Textierung entbehrt § 3 Abs 2 StPO, wonach alle Richter, Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden sowie die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln haben. Indem der Gesetzgeber solcherart sprachlich differenziert, bringt er seinen – im Übrigen erklärten [EBRV 25 BlgNR. XXII GP 2, 10, 12]) Willen, dem Beschuldigten Verfahrensrechte ausschließlich im gesetzlich ausdrücklich festgelegten Umfang einzuräumen, deutlich zum Ausdruck. Daraus ist abzuleiten, dass – unbeschadet der herausragenden Bedeutung der Verfahrensrechte für die Auslegung der Verfahrensbestimmungen – mit Blick auf das Fehlen einer für die Begründung subjektiver Rechte des Beschuldigten typischen Wendung in § 3 Abs 2 StPO die Ansicht, wonach diese Bestimmung dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren ein subjektives Recht auf Einhaltung sämtlicher Verfahrensbestimmungen einräumt, die für eine objektive und vollständige Aufklärung des Falls, verlässliche Ermittlungsergebnisse und ihre seriöse Dokumentation sorgen, weder mit dem Wortlaut, noch mit der Systematik der Strafprozessordnung in Einklang steht. Der Gesetzgeber begegnet dem strukturell bedingten Anschein einer aufgrund der Ermittlungstätigkeit eingetretenen Voreingenommenheit der im Vorverfahren tätigen Ermittlungsorgane ( Grabenwarter / Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 6 § 24 Rz 28f und Rz 49) erklärtermaßen mit der Einräumung der in §§ 49 ff StPO normierten Verfahrensrechte, insbesondere des Beweisantragsrechtes nach §§ 49 Z 6, 55 StPO (EBRV 25. BlgNR. XXII GP 12), um vor allem das rechtliche Gehör (Artikel 6 Abs 1 EMRK) und das Recht des Beschuldigten auf wirksame Verteidigung (Artikel 6 Abs 3 lit c EMRK, § 7 StPO) zu wahren.
Folglich verleiht § 3 Abs 2 StPO dem Beschuldigten weder ein konkretes subjektives Recht dahingehend, dass kein parteiliches oder voreingenommenes Organ der Kriminalpolizei an den Ermittlungen beteiligt ist (vgl. OLG Wien 18 Bs 34/16f), noch auf Ablehnung eines befangenen Organs der Kriminalpolizei von der Tätigkeit im Ermittlungsverfahren (JBl 2010, 394 = OLG Graz 10 Bs 24/10w).
Ein Recht auf Einspruch wegen Rechtsverletzung steht nicht zu, wenn das Gesetz – wie in § 47 Abs 3 StPO – ein eigenes Prozedere zur Effektuierung einer Vorschrift vorsieht (vgl. OLG Graz, 10 Bs 24/10w; OLG Linz, 7 Bs 133/16g; OLG Wien, zuletzt 22 Bs 28/20h; Mayerhofer/Salzmann, StPO 6 § 106 Rz 1; Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 106 Rz 14).
Betreffend die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft werden in § 47 Abs 1 StPO Fallgruppen für Befangenheiten aufgelistet, bei denen jedes Organ der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen habe, wenn – soweit hier relevant - § 47 Abs 1 Z 3 StPO auf das Vorliegen anderer (als der in Z 1 und Z 2 genannten) Gründe abgestellt, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Nach § 47 Abs 2 StPO hat auch das befangene Organ unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen, wenn die Vertretung durch ein anderes Organ nicht sogleich bewirkt werden kann, dies jedoch nur, soweit es nicht gegen sich selbst oder gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte. Das Gesetz sieht die Ablehnung eines Staatsanwalts oder eines Organs der Kriminalpolizei nicht vor. Vielmehr hat der jeweilige Behördenleiter aufgrund einer bestehenden Befangenheit im Dienstaufsichtsweg das Erforderliche zu veranlassen (§ 47 Abs 3 StPO). Eine Entscheidungskompetenz des Gerichts über die Befangenheit ist dem Gesetz nicht zu entnehmen ( Lässig , WK-StPO § 47 Rz 6; RIS-Justiz RS0127031; OLG Linz 7 Bs 133/16g).
Aber auch aus der Formulierung des § 1 StPO (iVm § 100 StPO) ist entgegen dem Beschwerdevorbringen kein subjektives Recht abzuleiten, das im Wege des § 106 StPO relevierbar wäre.
§ 100 Abs 1 erster Satz StPO verpflichtet die Kriminalpolizei (iSv § 18 Abs 1 StPO) Ermittlungen (die im Rahmen ihrer Aufgaben zur Aufklärung von Straftaten erlangten erheblichen Tatsachen, in welchem Umfang umfassende Dokumentationspflicht besteht – Vogl , WK-StPO § 100 Rz 4; Hinterhofer / Oshidari , Strafverfahren Rz 7.68) aktenmäßig festzuhalten, sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen werden können. Adressatin der darauf bezogenen Berichte ist die Staatsanwaltschaft (§ 100 Abs 2 StPO), die als Leiterin des Ermittlungsverfahrens letztlich zur Entscheidung und gegebenenfalls Anordnung gegenüber der Kriminalpolizei befugt ist, welche konkreten (auch schützenswerte Persönlichkeitsrechte betreffenden) Inhalte unter den angesprochenen Kriterien von Anlass, Durchführung und Ergebnis aktenmäßig festzuhalten sind (vgl § 100 Abs 3a StPO, wonach die Kriminalpolizei bei rechtlichen Zweifeln die Staatsanwaltschaft zu befassen hat – siehe auch EBRV 181 BlgNR 25. GP 2; Ratz , ÖJZ 2020/103, 865 [870]). Eine diesbezügliche Entscheidungen der Staatsanwaltschaft wird jedoch vorliegend nicht bekämpft.