JudikaturOLG Wien

23Bs375/23z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Aichinger und die Richterin Mag. Staribacher als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 24. Oktober 2023, GZ 822 BE 94/23d 10, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der 47 jährige polnische Staatsangehörige A* verbüßte bis 9. November 2023 – danach wurde er zur Übernahme der Strafvollstreckung nach Polen ausgeliefert (vgl ON 13 und IVV-Auszug) - in der Justizanstalt Sonnberg eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten, die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ 46 Hv 8/23s wegen des Vergehens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 15 Abs 1 StGB verhängt worden war. Die Hälfte der Strafzeit hätte er am 7. Dezember 2023 verbüßt.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgerichts Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) - die bedingte Entlassung des A* nach dessen Anhörung am 24. Oktober 2023 (ON 8, 1) gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StVG aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen ab (ON 10).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Strafgefangenen unmittelbar nach Entscheidungsverkündung erhobenen (ON 8, 1), in der Folge nicht ausgeführten Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Voranzustellen ist, dass aufgrund der mittlerweile erfolgten Überstellung des Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in sein Heimatland die Entscheidung über eine bedingte Entlassung oder sonstige Erleichterung der Sanktion auf den Vollstreckungsstaat übergegangen ist (vgl Martetschläger, WK 2 StGB, § 76 ARHG Rz 4). Dennoch wirkt sich dies nicht auf die vorliegende Entscheidung aus, weil der Strafgefangene Anspruch auf eine (ex ante) Prüfung der Richtigkeit der bekämpften Entscheidung hat (vgl OLG Graz 1 Bs 126/17i).

Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussicht auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (Jerabek/Ropper, WK 2 StGB § 46 Rz 15/1). Erfahrungsgemäß wächst die Gefahr bei Begehung weiterer strafbarer Handlungen mit zunehmender Zahl von Verurteilungen; je mehr Vorstrafen der Verurteilte hat und je gravierender sie sind, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens, sodass der Verurteilte in diesem Fall doch eher durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, als durch die bedingte Entlassung selbst in Verbindung mit entsprechenden Maßnahmen (Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 46 Rz 7).

Bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung ist nach § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Taten begangen wurden, eingetreten ist oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird und dieser somit zumindest gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann, ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Auf Basis dieser Grundsätze teilt das Beschwerdegericht die Einschätzung des Erstgerichts, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann. Es bedarf daher nur zu einer rekapitulierenden Darstellung der relevanten spezialpräventiven Kriterien, die einer bedingten Entlassung entgegenstehen.

A* weist in Österreich nur die vollzugsgegenständliche Freiheitsstrafe auf (vgl ON 4), wurde jedoch in seinem Heimatland (vgl ON 12) als auch in Deutschland (ON 11) seit dem Jahr 1997 laufend, meist spezifisch einschlägig, straffällig und verspürte immer wieder auch das Strafübel. Dennoch verstand er sich dazu, nach Österreich zu reisen und im raschen Rückfall nach einer im November 2022 in Polen erlittenen einschlägigen Vorstrafe im Jänner 2023 in zwei Angriffen vollzugsgegenständlich zu delinquieren. Schon aus diesem Vorleben erhellt, dass es sich beim Strafgefangenen um einen beharrlichen Straftäter handelt, der trotz seines massiv belasteten strafrechtlichen Vorlebens nicht davor zurückschreckte in zwei aufeinander folgenden Tagen in ** Baustellencontainer aufzubrechen und Baumaschinen und Werkzeuge im Gesamtwert von mehr als 5.000 Euro zu stehlen.

Im Sinne der oben dargelegten, vom Gesetzgeber geforderten Gesamtwürdigung aller Umstände kann nicht darüber hinweg gesehen werden, dass sich aus dem strafrechtlichen Vorleben des Beschwerdeführers ein unleugbares Persönlichkeitsdefizit erschließen lässt, sodass kein Grund zur Annahme besteht, A* werde durch eine bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von neuerlicher Delinquenz abgehalten.

Taugliche Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB sind in diesem besonders gelagerten Fall ebensowenig zu ersehen wie Umstände, die für eine positive Verhaltensprognose sprechen und das dargestellte negative Persönlichkeitsprofil entkräften könnten. Solche vermochte A* weder in seinem Antrag auf bedingte Entlassung noch bei seiner Anhörung darzustellen.

Zu Recht ist daher das Erstgericht davon ausgegangen, dass bei diesem Strafgefangenen ein evidentes Rückfallrisiko vorliegt. Ziel des Strafvollzuges ist es, Verurteilte durch die Bekämpfung von Defiziten zukünftig zur Abstandnahme von Straftaten zu veranlassen. Diese persönlichkeitsverändernde Wirkung ist beim Beschwerdeführer nur durch den weiteren Strafvollzug zu erreichen.

Das Beschwerdegericht teilt daher das erstgerichtliche Prognosekalkül, sodass eine bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt an den dargestellten individualpräventiven Erfordernissen scheitert. Da eine bedingte Entlassung schon aus spezialpräventiven Erwägungen außerhalb jeglicher Reichweite liegt, erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Erstgericht zusätzlich treffend aufgezeigten generalpräventiven Bedenken.

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