JudikaturOLG Wien

18Bs281/23i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Juni 2023, GZ 71 Hv 45/23s-91.2, und über seine Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht, nach der am 7. Dezember 2023 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Staatsanwältin Mag. Wagner, LL.M., des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Mag. Haas durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung

I./ zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

II./ den Beschluss gefasst:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, „§ 15 StGB“ (I./A./ und C./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (I./B./), mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (I./D./1./) und nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./D./2./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 6 WaffG (II./) schuldig erkannt und unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiters wurde gemäß § 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB das im Spruch angeführte sichergestellte Suchtgift sowie nach § 26 Abs 1 StGB die dort angeführte Schreckschusspistole samt Munition eingezogen, gemäß § 20 Abs 1 StGB ein sichergestellter Bargeldbetrag von 1.630 Euro für verfallen erklärt und gemäß § 19a Abs 1 StGB beide sichergestellten Mobiltelefone konfisziert. Ferner wurde zugleich mit dem Urteil der Beschluss auf Widerruf der zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2022, AZ 163 Hv 34/22y, gewährten bedingten Strafnachsicht ausgesprochen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in **

I./ vorschriftswidrig Suchtgift

A./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter (§ 12 StGB) anderen überlassen und zu überlassen versucht, indem er das Suchtgift an die Käufer übergab, und zwar von 2021 bis 15. Februar 2023 in zahlreichen, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen teils bekannten, teils unbekannten Abnehmern, insgesamt 6.607,90 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 0,87 % Delta-9-THC und 11,41 % THCA), 206,90 Gramm Cannabisharz (beinhaltend 2,45 % Delta-9-THC und 32,16 % THCA), 37,9 Gramm Cannabisharz (beinhaltend 0,82 % Delta-9-THC und 10,81 % THCA) sowie 114 Gramm Kokain (beinhaltend 75,14 % Cocain);

B./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen angeboten, indem er das Suchtgift offerierte, und zwar von 1. November 2022 bis 18. Jänner 2023 in zahlreichen, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen teils bekannten, teils unbekannten Abnehmern, insgesamt 320 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 0,87 % Delta-9-THC und 11,41 % THCA) und 13 Gramm Kokain (beinhaltend 75,14 % Cocain);

C./ anderen verschafft, indem er das Suchtgift vermittelte, und zwar von 20. September 2022 bis 9. Februar 2023 in zahlreichen, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen teils bekannten, teils unbekannten Abnehmern, insgesamt 219 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 0,87 % Delta-9-THC und 11,41 % THCA), 3 Gramm Cannabisharz (beinhaltend 2,45 % Delta-9-THC und 32,16 % THCA) und 3 Gramm Kokain (beinhaltend 75,14 % Cocain);

D./ besessen, und zwar

1./ in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter (§ 12 StGB) insgesamt 94,8 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 0,89 % Delta-9-THC und 11,58 % THCA) sowie 1 Gramm Kokain (mit durchschnittlichem Reinheitsgehalt Cocain), indem er das Suchtgift bunkerte;

2./ am 17. November 2022 zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch 1,6 Gramm Cannabiskraut, indem er dieses bei sich trug;

II./ von Ende 2022 bis zum 15. Februar 2023, wenn auch nur fahrlässig, eine Schusswaffe und Munition, nämlich eine Schreckschusspistole inklusive Patronen besessen, obwohl ihm dies nach § 11a WaffG verboten war, indem er diese an seiner Aufenthaltsadresse aufbewahrte.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit drei Vergehen, die „zigfache“ Tatbegehung bei I./A./ und I./C./, den raschen Rückfall, den langen Tatzeitraum und zwei einschlägige Vorstrafen (jeweils eine in Österreich und in Algerien), als mildernd hingegen das reumütige Geständnis und die Sicherstellung des in Punkt I./A./1./ und I./D./ angeführten Suchtgifts sowie der zu II./ angeführten Schreckschusspistole samt Munition.

Nach Zurückweisung der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 7. September 2023, GZ 12 Os 85/23a-4, ist nunmehr über dessen - eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe anstrebende - Berufung (ON 96) zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsparameter im Wesentlichen vollständig aufgelistet und auch tat- und schuldangemessen gewichtet.

Hinzuzutreten hat lediglich zu Ungunsten des Berufungswerbers die Begehung der Taten zu I./A./ und B./ aus Gewinnstreben (US 14), da dieses gerade kein Tatbestandsmerkmal des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter, fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG darstellt (siehe RIS-Justiz RS0106649; RS0130193 [T4]), womit die erschwerende Wertung dieses Umstands auch nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt.

Der Umstand, dass dem Schuldspruch teilweise (!) „ weiche “ Drogen zugrunde liegen (aber auch nicht unbeträchtliche Mengen an Kokain), ist nach seit Jahren gefestigter Judikatur nicht mildernd zu berücksichtigen, wird doch das individuelle Gefährdungspotenzial über die Suchtgift-Grenzmengenverordnung bereits berücksichtigt, sodass dessen neuerliche mildernde Bewertung bei der Strafbemessung gegen das in § 32 Abs 2 erster Satz StGB verankerte Doppelverwertungsverbot verstieße (RIS Justiz RS0102874, insb T1).

Dass dem Berufungswerber zusätzlich zu seinem Geständnis auch der Milderungsgrund eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung zuzubilligen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen, haben seine in der Hauptverhandlung getätigten Angaben zum Wohnort des „ B* “ doch nicht zu dessen Ausforschung geführt (siehe den in der Berufungsverhandlung verlesenen Bericht des LKA ASt West, PAD/22/02343320/040/KRIM, vom 19. Juli 2023 aus dem Akt 5 St 10/23g des Staatsanwaltschaft Wien).

Zutreffend erfasst und auch seinem Gewicht entsprechend berücksichtigt hat das Erstgericht auch den Milderungsgrund der teilweisen Sicherstellung des Suchtgifts bzw der Waffe samt Munition, denn diesem Umstand kommt fallbezogen keine allzu große Bedeutung zu, zumal es sich bei Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz um Gefährdungsdelikte handelt, die nicht in den Bereich des ersten Falles der Z 13 des § 34 StGB fallen (RIS-Justiz RS0108961), und der Berufungswerber aus Eigenem zur Sicherstellung nichts beigetragen hat, sondern vielmehr das Suchtgift/die Waffe anlässlich seiner Festnahme bei ihm bzw in der Bunkerwohnung von den Sicherheitsbehörden vorgefunden werden konnte.

Dass das Erstgericht die Vielzahl der Tatangriffe erschwerend gewichtete ist ebenfalls im Ergebnis nicht verfehlt, zumal diese Ausdruck seiner kriminellen Beharrlichkeit ist, wenngleich diesem Umstand angesichts der Wertung des langen Tatzeitraums nach Auffassung des Senats kein eigenständiges Gewicht zukommt.

Die vom Erstgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen nach § 28a Abs 4 SMG von einem bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe gefundene Sanktion noch unterhalb des ersten Drittels des Strafrahmens ist der gewünschten Reduktion somit nicht zugänglich.

Zu Recht hat das Erstgericht schließlich auch den Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juni 2022, AZ 163 Hv 34/22y, gewährten bedingten Strafnachsicht (bedingter Strafteil 10 Monate) ausgesprochen, bedarf es doch in derartigen Fällen offensichtlicher Wirkungslosigkeit gebotener Resozialisierungsmaßnahmen samt raschestem Rückfall in spezifisch einschlägige Delinquenz mit zudem deutlich gesteigerter krimineller Energie aus spezialpräventiven Erwägungen zusätzlich des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht.

Den Rechtsmitteln ist daher nicht Folge zu geben.

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