JudikaturOLG Wien

17Bs280/23k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht, Strafrecht
01. Dezember 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen § 283 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 StGB über die Beschwerde der A* B* Unlimited Company gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. November 2023, GZ 334 HR 98/23y-11, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Wien führt zu AZ 505 UT 29/23b ein Ermittlungsverfahren gegen einen unbekannten Täter wegen der Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 StGB.

Der unbekannte A*-User „C*.“, Inhaber des öffentlich einsehbaren A*-Accounts D*, steht im Verdacht, öffentlich auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich geworden sei, zu Hass gegen die durch ihre Hautfarbe, ihre sexuelle Ausrichtung und das fehlende Kriterium der Staatsangehörigkeit definierten Gruppen von Personen aufgestachelt zu haben und diese in der Absicht, die Menschenwürde der Mitglieder der Gruppe zu verletzen, in einer Weise beschimpft zu haben, die geeignet sei, die Gruppen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, indem er diese pauschal als minderwertig bzw. kriminell dargestellt habe, indem er nachstehende Postings und Kommentare in dem öffentlich einsehbaren A*-Account D* veröffentlicht habe, und zwar

a./ am 15. Februar 2023 um 09:59 Uhr den Kommentar: „Kann ich mir schon vorstellen, dass du dich nicht wehrst, wenn ein Macheten-Motumbo deine Frau/Mutter/Tochter auf offener Straße messert, wie das ja wöchentlich irgendwo vorkommt. Da ist es natürlich wichtig, gegen die E* und Nazis zu kämpfen. Du bist halt ein echter Held.“ als Reaktion auf einen Tweet des F* mit dem Titel: „Da haben sich also #Schutzsuchende mal wieder handgreiflich ausgetobt? Mein Gott #Volk, wehr dich endlich!“ und den Kommentar eines anderen A* Users: „Ich wehre mich gegen Nazis, Faschisten und @E*, hab gut zu tun. Irgendwo muss man ja anfangen!“ ;

b./ am 16. Februar 2023 um 19:47 Uhr den Kommentar: „Stimmt, die afghanischen Analphabeten und der Messer-Motombu aus dem Senegal zahlen uns dann die Pension. Du Witzgur.“ als Reaktion auf den Tweet des G*: „In der Asylpolitik wurden viele Fehler gemacht - gerade in der Kommunikation. Seit 2015 haben in Europa die simplen Vereinfacher kurzsichtigen Nationalisten wieder Hochkonjunktur. Und leider versagt die politische Mitte im Umgang mit dieser hochemotionalen Krise. #Pressestunde“ ;

c./ am 20. Februar 2023 um 08:41 Uhr den Kommentar: „naja, wenn man jemand dahergelaufenen Messsermann aus Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten zum "Psychisch Kranken" macht, gibts am Ende eben mehr davon. Aber über den Elefanten im Raum spricht die Journaille ja nicht.“ als Reaktion auf den Tweet der H*: „Gesamtgesellschaftliche Veränderungen und Wandel bei der Wertehaltung": Mehr geistig abnorme Straftäter in Österreichs Haftanstalten. [Krone+] **.“ ;

d./ am 21. Februar 2023 um 10:23 Uhr den Kommentar: „Kinder werden vor Züge gestoße, sie werden mit dem Auto überfahren, sie werden gruppenvergewaltigt und sie werden gemessert - Das sind Kollateralschäden eurer Migrationspolitik bzw. der bunten Gesellschaft. Ihr tragt die politische Verantwortung dafür.“ als Reaktion auf einen Tweet des I*: „Das vierjährige #Mädchen, dass heute in #J* vermisst und gesucht wurde, ist mit diversen Messerstichen tot aufgefunden worden. Ein 19-jähriger gilt als tatverdächtig und wurde festgenommen. Was geht in einem Menschen vor, ein Kita-Kind mit einem #Messer zu töten? @welt.“ ;

e./ am 21. Februar 2023 um 10:27 Uhr den Kommentar: „Es ist mir egal. Es geht darum, dass diese Zuwanderungspolitik tödlich ist und nicht darum, wen es dieses Mal erwischt hat. Dann ist es eben beim nächstes Mal wieder ein deutsches Kind, das gemessert wird.“ als Reaktion auf den Tweet der Polizei J*: „In #** im #** wurde eine heute als #vermisst gemeldete 4-Jährige von einer Passantin leblos aufgefunden. Ihre Verletzungen deuten auf ein Tötungsdelikt hin. Ein 19-jähriger Tatverdächtiger wurde festgenommen. Weitere Ermittlungen führt unsere 4. #Moko,^tsm.“ ;

f./ am 26. März 2023 um 16:27 Uhr den Kommentar: „Du kannst einen Afrikaner aus Afrika rausbringen, du bringst aber Afrika niemals aus ihm heraus. Man holt sich mit diesen Leuten den zivilisatorischen Bodensatz ins Land.“ als Reaktion auf einen Tweet des aka zeigend ein Video, in dem eine weiße Person von vielen schwarzen Personen verfolgt und angegriffen wird;

g./ am 8. März 2023 um 19:41 Uhr den Kommentar: „Sowas hockt für über 9.000 Euro im Monat an Steuergeldern im österr. Nationalrat. Gesellschaftliche Degeneration. #L*“ als Reaktion auf einen Tweet des M*: „Aus gegebenem Anlass: Herr N*, hauen Sie sich mit Ihrer billigen Hetze über die Häuser. Wir lassen uns nicht unsichtbar machen, wir verstecken uns sicher nicht!“ .

Nach der Verdachtslage hat der unbekannte Täter dadurch die Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 StGB begangen.

Mit Anordnung vom 22. Mai 2023 ordnete die Staatsanwaltschaft Wien (soweit hier relevant) wie folgt an (ON 3):

I./ Die Staatsanwaltschaft Wien ordnet gemäß § 76a Abs 1 und Abs 2 der österreichischen Strafprozessordnung (StPO) für den Anbieter von Kommunikationsdiensten bzw. sonstigen Diensteanbieter (§ 3 Z 2 ECG) A* B* Unlimited Company, c/o Trust Safety – Legal Policy, ** Irland , die Erteilung und Herausgabe nachfolgender Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten nach Maßgabe des § 167 Abs. 5 Z 2 TKG 2021 an, und zwar betreffend

den A*-User „C*.“, Inhaber des A*-Accounts D*,

zu den Zeitpunkten

- 15.02.2023, 09:59 Uhr (UTC + 1);

- 16.02.2023, 19:47 Uhr (UTC + 1);

- 20.02.2023, 08:41 Uhr (UTC + 1);

- 21.02.2023, 10:23 Uhr (UTC + 1);

- 21.02.2023, 10:27 Uhr (UTC + 1);

- 08.03.2023, 19:41 Uhr (UTC + 1);

- 26.03.2023, 16:27 Uhr (UTC + 2);

hinsichtlich

- Anmelde- und Registrierungsdaten samt IP-Adresse;

- E-Mail-Adresse;

- Account-Status;

- Geräteinformation, inklusive Telefonnummer.“

Mit Schriftsatz vom 3. August 2023 erhob die A* B* Unlimited Company Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen Punkt I./ der angeführten Anordnung, die hinsichtlich der übrigen Anordnungspunkte unbekämpft blieb (ON 6.2). Neben Ausführungen zur Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Einspruches sowie zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Strafverfahrens begründete die Einspruchswerberin ihren Einspruch im Wesentlichen damit, dass § 76a Abs 1 und 2 StPO nicht anwendbar wären und sie aufgrund der rechtswidrigen Anordnung die Daten nicht herausgeben dürfe. Nach § 76a Abs 1 StPO seien Betreiber von öffentlichen Kommunikationsdiensten und sonstige Diensteanbieter verpflichtet, Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Kriminalpolizei gegenüber Auskunft über Stammdaten eines Nutzers zu erteilen. Stammdaten seien alle Daten, die für die Begründung, die Abwicklung, Änderung oder Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Benutzer und dem Anbieter oder zur Erstellung und Herausgabe von Nutzerverzeichnissen erforderlich seien. Das Gesetz enthalte in § 160 Abs 3 Z 5 TKG eine taxative Aufzählung. Die Bestimmung in Abs 1 erlaube – im Gegensatz zu Abs 2 des § 76a StPO – ausschließlich die Herausgabe von Stammdaten, für die keine Verarbeitung von Verkehrsdaten erforderlich sei. Könne ein Anbieter nur auf Stammdaten zugreifen, indem er Online-Daten verarbeite, handle es sich bei diesen Daten – selbst wenn sie in der gesetzlichen Auflistung von Stammdaten aufscheinen – um Verkehrsdaten. Das bedeute, dass Daten wie E-Mail-Adressen oder Telefonnummern tatsächlich "doppelfunktional" seien: Sie seien nur dann Stammdaten, wenn ihre Herausgabe ohne Verarbeitung von Verkehrsdaten möglich sei. Hingegen handle es sich um Verkehrsdaten, wenn ihre Herausgabe die Verarbeitung von Verkehrsdaten erfordere. Für die gegenständliche Anordnung komme § 76a Abs 1 StPO einerseits nicht in Betracht, weil der Großteil der begehrten Daten nicht in der taxativen Aufzählung des § 160 Abs 3 Z 5 TKG enthalten sei. Lediglich „Anmelde- und Registrierungsinformationen“ würden verbleiben. Neben den öffentlichen, der Staatsanwaltschaft ohnehin bekannten Daten, betreffe dies somit nur E-Mail-Adresse oder Telefonnummer und Geburtsdatum eines Nutzers. Sonstige, darüberhinausgehende Daten habe die Einspruchswerberin zu ihren Nutzern nicht. Andererseits müssten für die Herausgabe der verbleibenden Daten, Online-Daten, und somit Verkehrsdaten verarbeitet werden. Da die Einspruchswerberin einen Social-Media Dienst anbiete und daher keine physischen Vertragsunterlagen habe, erfordere die Herausgabe von Daten zu einem bestimmten Online-Account stets einen technischen Prozess, im Rahmen dessen Online-Daten, also Verkehrsdaten, verarbeitet werden müssen. Aus diesem Grund sei § 76a Abs 1 StPO auf Datenauskünfte in Bezug auf einen Online-Account nicht anwendbar. Hinsichtlich § 76a Abs 2 StPO führte die Einspruchswerberin aus, dass diese Bestimmung nicht anwendbar sei, zumal die punktuellen Bestimmungen gerade nicht auf die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Daten zutreffen würden. Die Staatsanwaltschaft begehre Auskunft über Anmelde- und Registrierungsdaten zu einem bestimmten Display- und Nutzernamen. Auskünfte zu einem Display- oder Nutzernamen eines Social-Media-Accounts sehe die Bestimmung nicht vor.

In teilweiser Entsprechung des Einspruches widerrief die Staatsanwaltschaft Wien ihre Anordnung mit Note vom 22. August 2023 in folgendem Umfang (ON 1.6 und 7):

1. Im Umfang der Erteilung und Herausgabe von Aus- künften über Stamm- und Zugangsdaten nach Maßgabe des § 167 Abs. 5 Z 2 TKG 2021 betreffend den A*-User „C*.“, Inhaber des A*-Accounts D*, gestützt auf die Rechtsgrundlage gemäß § 76a Abs 2 StPO zur Gänze;

2. Im Umfang der Erteilung und Herausgabe der Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach Maßgabe des § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 betreffend den A*-User „C*.“, Inhaber des A*-Accounts D*, gestützt auf die Rechtsgrundlage gemäß § 76a Abs 1 StPO hinsichtlich der Zeitpunkte 15. Februar 2023, 09:59 Uhr (UTC + 1), 16. Februar 2023, 19:47 Uhr (UTC + 1), 20. Februar 2023, 08:41 Uhr (UTC + 1), 21. Februar 2023, 10:23 Uhr (UTC + 1), 21. Februar 2023, 10:27 Uhr (UTC + 1), 8. März 2023, 19:41 Uhr (UTC + 1), 26. März 2023, 16:27 Uhr (UTC + 2);

3. Im Umfang der Erteilung und Herausgabe der Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach Maßgabe des § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 betreffend den A*-User „C*.“, Inhaber des A*-Account D*, gestützt auf die Rechtsgrundlage gemäß § 76a Abs 1 StPO hinsichtlich der IP-Adresse, des Account-Status und der Geräteinformation .

Der Einspruch im Umfang der Erteilung und Herausgabe der Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach Maßgabe des § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 betreffend den A*-User „C*.“, Inhaber des A*-Accounts D*, gestützt auf die Rechtsgrundlage des § 76a Abs 1 StPO hinsichtlich der Anmelde- und Registrierungsdaten, der E-Mail-Adresse und der Telefonnummer wurde am 23. August 2023 mit ablehnender Stellungnahme dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Entscheidung vorgelegt.

Die Staatsanwaltschaft Wien begründete die Aufrechterhaltung eines Teils der Anordnung in ihrer ablehnenden Stellungnahme (ON 8) wie folgt: Bei den Anmelde- und Registrierungsdaten, der E-Mail-Adresse und der Telefonnummer handle es sich um Stammdaten im Sinne des § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021, nämlich um Daten, die für die Begründung, die Abwicklung, Änderung oder Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Benutzer und dem Anbieter oder zur Erstellung und Herausgabe von Nutzerverzeichnissen erforderlich seien. Wenngleich in der Anordnung nicht ausdrücklich die Auskunftserteilung über den Namen, den akademischen Grad, die Anschrift, die Nutzernummer und sonstige Kontaktinformation für die Nachricht, die Information über Art und Inhalt des Vertragsverhältnisses, die Bonität sowie das Geburtsdatum begehrt wurde, so seien unter „Anmelde- und Registrierungsdaten“, „E-Mail-Adresse“ und „Telefonnummer“ jene Daten zu verstehen, die der Benutzer dem Anbieter im Zuge der Begründung der Rechtsbeziehung, also der Erstellung des Online-Accounts, übermittle und die für die Erstellung des Accounts, sohin für die Begründung der Rechtsbeziehung zwischen dem A*-User und der A* B* Unlimited Company erforderlich seien. Es sei daher seitens der Staatsanwaltschaft Wien eine Auskunft über Stammdaten, gestützt auf die Rechtsgrundlage des § 76a Abs 1 StPO, begehrt worden. Hinsichtlich der Auskunftserteilung betreffend „Anmelde- und Registrierungsdaten“, „E-Mail-Adresse“ und „Telefonnummer“ zu den Zeitpunkten 15. Februar 2023, 09:59 Uhr (UTC + 1), 16. Februar 2023, 19:47 Uhr (UTC + 1), 20. Februar 2023, 08:41 Uhr (UTC + 1), 21. Februar 2023, 10:23 Uhr (UTC + 1), 21. Februar 2023, 10:27 Uhr (UTC + 1), 8. März 2023, 19:41 Uhr (UTC + 1) und 26. März 2023, 16:27 Uhr (UTC + 2), sei das Begehren hingegen zu Unrecht erfolgt. Zu beachten sei, dass gewisse Daten – wie IP-Adressen – sowohl unter die Kategorie Stamm- als auch unter jene der Verkehrsdaten fallen können und damit doppelfunktional seien. Insofern komme es hinsichtlich der Differenzierung zwischen den beiden Datenarten auch auf deren konkrete Verwendung bzw Nutzung an. Von praktischer Bedeutung sei idZ, wie der OGH zu 4 Ob 41/09x festgehalten habe, dass das alleinige Abstellen auf die Bekanntgabe von Stammdaten, ohne die Umstände bei deren Ermittlung zu beachten, nicht zulässig sei. Seien demgemäß zur Erfüllung des Begehrens um Auskunft über Stammdaten Verkehrsdaten zu verarbeiten, seien die entsprechenden Bedingungen des § 99 TKG 2003 (Art 6 EK-Datenschutz-RL) einzuhalten. Es spiele dabei jedoch keine Rolle, ob der Betreiber zum Zweck der Erteilung der Auskunft über Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 (vormals § 92 Abs 3 Z 3 TKG 2003) Verkehrsdaten verarbeiten müsse. Einzig entscheidend für die Anwendung des § 76a Abs 1 StPO sei die nach der Legaldefinition des § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 bezeichnete Art der Daten, nicht jedoch die jeweils unternehmensinterne Form der Speicherung (und Verarbeitung), andernfalls es dem einzelnen Rechtsunterworfenen freistünde, durch individuelles Handeln die Normen der StPO auszuhebeln und sich seiner Auskunftspflicht zu entziehen. Die Tatsache, dass die A* B* Unlimited Company in Online-Daten Einsicht nehmen müsse, um Auskunft über Stammdaten erteilen zu können, weil die Daten vom Nutzer bei seiner Begründung der Rechtsbeziehung, also bei Erstellung eines Accounts, online eingegeben wurden und die A* B* Unlimited Company diese daher nur elektronisch zur Verfügung habe, mache diese Stammdaten noch nicht zu Verkehrsdaten. Der Diensteanbieter vermöge nicht durch bloße Verarbeitung von Stammdaten im eigenen Ermessen diese "umzuqualifizieren". Es handle sich bei den „Anmelde- und Registrierungsdaten“, der „E-Mail-Adresse“ und der „Telefonnummer“ um Stammdaten nach § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021. Auch wenn die A* B* Unlimited Company diese Daten nur elektronisch erfasst und gespeichert habe, könnten diese Daten anhand außerhalb der Kommunikationsvorgänge erfasster und gespeicherter Daten erhoben werden, sodass diese Daten keinen Teil des Kommunikationsverkehrs bilden würden, weshalb es sich in diesem Zusammenhang nicht um Verkehrsdaten iSd § 160 Abs 3 Z 6 TKG 2021, sondern um Stammdaten iSd § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 handle. Die Anordnung sei daher in diesem Punkt nicht rechtswidrig und von der Einspruchswerberin zu befolgen.

In der anschließend erstatteten Äußerung der Einspruchswerberin entgegnete diese, dass die Staatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme nunmehr andere Daten als in der ursprünglichen Anordnung begehre (ON 9.2). In der Anordnung sei die Auskunft über Stammdaten zu insgesamt sieben konkret bezeichneten Zeitpunkten zwischen dem 15. Februar und 26. März 2023 begehrt, diese Anordnung jedoch widerrufen worden, da es sich um Verkehrsdaten handeln würde. Hingegen meine nun die Staatsanwaltschaft, dass sie ihre Anordnung, nämlich die Erteilung und Herausgabe der Auskunft über Stamm– und Zugangsdaten hinsichtlich der Anmelde- und Registrierungsdaten, gestützt auf § 76a Abs 1 StPO, aufrecht erhalte. Es sei nicht klar, auf welche Daten sich die Staatsanwaltschaft bezieht, zumal sie zunächst ausschließlich die Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt begehrt habe. Da die Staatsanwaltschaft die Anordnung der begehrten Auskunft zu diesem Zeitpunkt widerrufen habe, würden in der Anordnung keine darüberhinausgehenden Informationen übrig bleiben, hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft ihre ursprüngliche Anordnung nun aufrechterhalten könne. Im Übrigen räume die Staatsanwaltschaft selbst ein, dass es sich bei den begehrten Daten um Verkehrsdaten handle. Dies habe sie für die Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt angenommen, müsse das auch für jeden anderen Zeitpunkt gelten. Bei den verfügbaren Anmelde- und Registrierungsinformationen in Bezug auf einen Online-Account zu einem bestimmten Zeitpunkt handle es sich stets um Stammdaten, deren Herausgabe die Verarbeitung von Verkehrsdaten erfordere. Zuletzt stütze sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation auf die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 76a StPO und übersehe, dass die Verarbeitung von Verkehrsdaten für Auskünfte nach § 76a Abs 1 StPO gesetzlich nicht zulässig sei. Auch aus den Materialien zu § 76a StPO gehe hervor, dass die Verarbeitung von Verkehrsdaten zur Erteilung von Datenauskünften zwar nach § 76a Abs 2 StPO, nicht jedoch nach Abs 1 leg cit zulässig sei. Die Herausgabe von Stammdaten zu einem Online-Account sei für die Einspruchswerberin technisch nicht möglich, ohne dabei Verkehrsdaten zu verarbeiten. Rechtsgrundlage für die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Daten seien daher die §§ 134 Z 2, 135 Abs 2 StPO, nicht jedoch § 76a Abs 1 StPO.

Mit dem hier angefochtenen Beschluss (ON 11) gab das Landesgericht für Strafsachen Wien dem Einspruch nicht Folge. Begründend führte es kurz zusammengefasst aus, der aufrechte Inhalt der Anordnung sei im Gesamtkontext der Note vom 22. August 2023 gerade noch ausreichend bestimmbar. Unter „sonstige Diensteanbieter“ iSd § 76a Abs 1 StPO seien auch alle OTT („over the top“)-Dienste, wozu auch O* (ehemals A*) zähle, zu subsumieren. Bei der Erstellung eines persönlichen Accounts auf dieser Plattform müsse jede Person einige Daten zu Verfügung stellen, nämlich ein Anzeigename, ein Nutzername, ein Passwort, eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, ein Geburtsdatum, die Anzeigesprache und Daten zur einmaligen Anmeldung bei Dritten (wenn der Nutzer diese Anmeldemethode wählt). Bei diesen Daten handle es sich sohin um auskunftspflichtige Stammdaten iSd § 76a Abs 1 StPO iVm §§ 181 Abs 9, 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021, uzw unabhängig davon, ob diesbezüglich physische Vertragsunterlagen vorhanden seien bzw wo diese Daten gespeichert oder hinterlegt seien. Nachdem in der Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht mehr Bezug auf einen konkreten Zeitpunkt für die begehrten Stammdaten genommen werde, habe die Einspruchswerberin sämtliche Stammdaten gemäß § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021 des betroffenen Nutzers zu beauskunften.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der A* B* Unlimited Company (ON 13) mit der Behauptung die Anordnung sei entgegen dem in § 5 Abs 1 StPO geregelten Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Strafverfahrens erlassen worden, sohin die Einschreiterin in ihrem subjektiven Recht, dass ihr Verpflichtungen nur nach Maßgabe des Gesetzes auferlegt werden dürfen, verletzt. Dabei bringt sie zusammengefasst vor, dass ein alleiniges Abstellen auf Bekanntgabe von Stammdaten, ohne die Umstände der Ermittlung derselben zu beachten, nicht zulässig sei. Um auf (Nutzer-)Daten in Bezug auf einen Online-Account zugreifen zu können, müsse die Einschreiterin zwingend Verkehrsdaten, insbesondere Transaktionsdaten verarbeiten. Dies ergebe sich schon aus den jeweiligen Definitionen der Begriffe „Verkehrsdaten“ im TKG und „Nachricht“ in der StPO. Verkehrsdaten seien definitionsgemäß u.a. jene Daten, die zum Zwecke der Weiterleitung einer Nachricht an ein Kommunikationsnetz verarbeitet werden (§ 160 Abs 3 Z 6 TKG). Neben der klassischen Sprachtelefonie würden auch solche Daten unter diesen Terminus fallen, die bei paketvermittelten Diensten zur Übertragung von „Nachrichten“ im Internet erzeugt werden. Der Nachrichtenbegriff der StPO sei dabei denkbar weit und keinesfalls auf Kommunikationsvorgänge zwischen zwei natürlichen Personen beschränkt. Neben den Kommunikationsinhalten bei der klassischen Sprachtelefonie seien Nachrichten und Informationen iSd § 134 Z 3 StPO daher auch Informationen über Aufrufe von Webseiten und Surfen im Internet sowie Informationen, die in die Cloud übertragen werden. Weiters betonte die Beschwerdeführerin, dass § 76a Abs 1 StPO für Datenauskünfte in Bezug auf einen Social Media Account nicht anwendbar sei, sich die gesetzliche Erweiterung „sonstige Diensteanbieter“ auf Stamm- und Zugangsdatenauskünfte nach § 76a Abs 2 StPO beziehen würde und Stammdaten zu Nutzern eines OTT-Dienstes Zugangs- und daher Verkehrsdaten seien. Die Differenzierung zwischen reinen Stammdaten und jenen Stammdaten, die Verarbeitung von Verkehrsdaten erfordern würden, sei im Sinne des Rechtsschutzes unerlässlich. § 76a Abs 1 und Abs 2 StPO würden keine gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Staatsanwaltschaft bilden und sei die Einschreiterin in ihrem subjektiven Recht verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 87 StPO steht gegen gerichtliche Beschlüsse der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die vom Zwangsmittel betroffen ist, Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu. Vorliegend kommt der Einschreiterin als Empfängerin der gerichtlichen Anordnung zur Auskunft über Stammdaten Rechtsmittellegitimation zu.

Gemäß § 76a Abs 1 StPO sind Anbieter von Kommunikationsdiensten und sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 ECG) auf Ersuchen von Gerichten, die sich auf die Aufklärung des konkreten Verdachts einer Straftat einer bestimmten Person beziehen, zur Auskunft über Stammdaten eines Nutzers (§ 181 Abs 9 TKG 2021) oder Nutzers eines sonstigen Dienstes (§ 3 Z 4 ECG) verpflichtet. Gleiches gilt gemäß § 76a Abs 2 StPO auf Anordnung der Staatsanwaltschaft (§ 102 StPO) für die Auskünfte über in § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 erwähnte Daten des Inhabers der betroffenen technischen Einrichtung.

Unter die angesprochene Kategorie von sonstigen Diensteanbietern nach § 76a Abs 1 StPO fallen auch mit P* vergleichbare OTT-Dienste. „Over the top“-Dienst ist ein über das Internet zur Verfügung stehender Dienst, ohne dass ein traditioneller Internet-Service-Provider involviert ist. Beispiele für OTT-Dienste können Suchmaschinen (P*), Videoplattformen wie Q* sowie soziale Kommunikationsnetze wie R* und A* ebenso wie S*, (Video)Telefondienste wie T* und auch Cloud-Services sein (ErläutRV 481 BlgNr 27. GP, 29 f). Das von der Beschwerdeführerin betriebene soziale Kommunikationsnetzwerk A* ist somit klar von § 76a Abs 1 StPO im Sinne eines sonstigen Diensteanbieters (§ 3 Z 2 ECG) erfasst.

Nach § 181 Abs 9 erster Satz TKG 2021 sind Anbieter auf schriftliches Verlangen der zuständigen Gerichte, Staatsanwaltschaften oder der Kriminalpolizei (§ 76a Abs 1 StPO) verpflichtet, diesen zur Aufklärung und Verfolgung des konkreten Verdachts einer Straftat Auskunft über Stammdaten (§ 160 Abs 3 Z 5 TKG) von Nutzern zu geben. „Stammdaten“ gemäß § 160 Abs 3 Z 5 TKG sind alle Daten, die für die Begründung, die Abwicklung, Änderung oder Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Benutzer und dem Anbieter oder zur Erstellung und Herausgabe von Nutzerverzeichnissen erforderlich sind, diese sind nach taxativer Aufzählung Name, akademischer Grad, Anschrift, Nutzernummer und sonstige Kontaktinformation für die Nachricht, Information über die Art und Inhalt des Vertragsverhältnisses Bonität sowie Geburtsdatum.

Wie den öffentlich einsehbaren Datenschutzrichtlinien von A* ( ** ) zu entnehmen ist, muss ein einen persönlichen Account erstellender Nutzer vor Nutzung der Dienste von A*, Daten zur Verfügung stellen. Dazu gehören ein Anzeigename, ein Nutzername, ein Passwort, eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, ein Geburtsdatum, die Anzeigesprache und Daten zur einmaligen Anmeldung bei Dritten (wenn der Nutzer diese Anmeldemethode wählt). Sämtliche Profildaten und Inhalte speichert die Einschreiterin für die Laufzeit des Accounts, wie auf ** unter Punkt 4 angegeben und verfügt die Beschwerdeführerin somit über Stammdaten ihrer Nutzer.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, sie verfüge über keine Stammdaten, die sie ohne Verarbeitung von Verkehrsdaten herausgeben könne, weshalb sie einem Ersuchen gemäß § 76a Abs 1 StPO nicht entsprechen könne, da sie die Daten ihrer Nutzer zu einem Online-Account hinterlegt habe (die Daten also nicht lokal speichere, weder physisch noch digital), so ist dem entgegenzuhalten, dass die Tatsache, dass die Einschreiterin in Online-Daten Einsicht nehmen muss, um Auskunft über Stammdaten erteilen zu können, weil die Daten vom Nutzer bei seiner Begründung der Rechtsbeziehung, also bei Erstellung eines Accounts, online eingegeben wurden, und die A* B* Unlimited Company diese daher nur elektronisch zur Verfügung hat, diese Stammdaten noch nicht zu Verkehrsdaten macht. Auch, ob die Einschreiterin die Daten lokal speichert, liegt in ihrem Ermessen, kann jedoch nicht zu einer Umqualifikation der Stammdaten in Verkehrsdaten führen. Der (sonstige) Diensteanbieter vermag nicht durch bloße Verarbeitung von Stammdaten im eigenen Ermessen diese in Verkehrsdaten umzuqualifizieren. Bei den Anmelde- und Registrierungsdaten, der E-Mail-Adresse und der Telefonnummer handelt es sich um Stammdaten nach § 160 Abs 3 Z 5 TKG 2021, die über Anordnung nach § 76a Abs 1 StPO erhoben werden dürfen. Wie das Oberlandesgericht Wien nunmehr bereits in mehreren Entscheidungen (18 Bs 156/23g, 17 Bs 238/23h, 17 Bs 252/23t, 17 Bs 257/23b) festhielt, ist hiefür das Vorhandensein von physischen Vertragsunterlagen keineswegs Voraussetzung. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob Grundlage für die Erlangung der begehrten Stammdaten ein Verkehrsdatum iSd § 160 Abs 3 Z 6 TKG ist und ob der Anbieter zum Zweck der Erteilung der Auskunft die ihm zur Verfügung stehenden Verkehrsdaten verarbeiten muss (so auch das zur Rechtslage vor Einführung des § 76a StPO ergangene Erkenntnis 15 Os 172/10y).

Der Argumentation, dass die gesetzliche Erweiterung auf „sonstige Diensteanbieter“ lediglich für Stamm- und Zugangsdatenauskunft nach § 76a Abs 2 StPO notwendig gewesen sei, gelingt es nicht zu überzeugen. Weder der Gesetzestext noch die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass „sonstige Dienstanbieter“ nur für die Auskunft über in § 167 Abs 5 Z 2 TKG 2021 erwähnte Daten nach Abs 2 leg cit Anwendung finden sollen. Nach den Gesetzesmaterialien waren in § 76a StPO sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 E-Commerce-Gesetz) ausdrücklich anzuführen, um sicherzustellen, dass auch von Internetdiensten, insbesondere OTT-Diensten, die keine Anbieter von Kommunikationsdiensten sind, die dort genannten Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten erlangt werden können (ErläutRV 481 BlgNr 27. GP, 4 f).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Rückverweise