JudikaturOLG Wien

33R120/23v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
27. November 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 318748 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 27.3.2023, WM 82/2022-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Bildmarken

1. UM 18350596 , angemeldet am 7.12.2020, registriert am 13.10.2021,

2. UM 18350597 , angemeldet am 7.12.2020, registriert am 13.10.2021,

jeweils eingetragen für die Waren und Dienstleistungen

Klasse 09: Elektronische Datenbanken; Software; Leere USB-Flashdrives; USB-Sticks; Karten mit integrierten Schaltkreisen [Smartcards]; Kodierte Geldkarten; Kodierte gedruckte Geldautomatenkarten; Magnetische Geldkarten; Kreditkarten; Elektronische Kartenleser; Laserkarten; Karten mit integrierten Schaltkreisen [Smartcards]; Kreditkartenleser; Lesegeräte für kodierte Magnetkarten; Magnetische oder kodierte Bankkarten; Kodierte Karten mit Bezahlfunktion; Magnetisch kodierte Zahlkarten; Kodierte Karten für den elektronischen Kapitaltransfer; Einzahlungs-Deposit-Automaten; Elektronische Endgeräte für die Verarbeitung von Kreditkartenzahlungen; Apps für Smartphones, Tablet-Computer, Computer und PCs für den Zugang zu Bankdienstleistungen; Computersoftware für den Zugang zu Informationsverzeichnissen, die aus dem weltweiten Computernetz heruntergeladen werden können; Internet-Server; Computerserver; Datenbankserver; Kodierte Magnetkarten; Mauspads [Mausmatten]; Geldautomaten; Herunterladbare Software-Anwendungen für Computer; Codierte Schlüsselkarten; Gesicherte Datenendgeräte für elektronische Transaktionen; Computersoftware in Bezug auf Finanzgeschäfte; Alle vorstehend genannten Waren ausschließlich mit besonderer Bezugnahme auf den Bank-, Finanz-, Geld- und Versicherungsbereich.

Klasse 36: Versicherungsdienstleistungen; Finanzdienstleistungen; Geldgeschäfte; Bankgeschäfte; Finanzielle Beratung; Home Banking; Finanzielle Schätzung [Versicherungs-, Bank-, Grundstücksangelegenheiten]; Versicherungsvermittlung; Verwaltung von Versicherungspolicen; Verwaltung von Versicherungspolicen; Verwaltung von Versicherungsportfolios; Vermittlung von Versicherungen für Banken; Vermittlung von Versicherungen von Kreditrisiken; Hypothekendienste im Bezug auf Versicherungen; Vermitteln von Kreditversicherungen; Auskünfte und Beratung in Versicherungsangelegenheiten; Vermitteln von Garantieversicherungen; Finanzdienstleistungen von Versicherungsgesellschaften; Vermittlung von Immobilien für Dritte; Immobilienverwaltung; Vermietung von Immobilien; Anlageberatung in Bezug auf Immobilien; Immobilienvermietungsdienste; Immobilienverwaltung; Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Bewertung und Verwaltung von Immobilien; Ausgabe von Reiseschecks; Ausgabe von Guthabenkarten; Depotverwahrung von Wertsachen; Akquisition und Übertragung von Geldforderungen; Verwaltung von Sparkonten; Vermögensverwaltung; Verwaltung von Rentenversicherungsverträgen; Handelsbankgeschäfte; Dienstleistungen eines Maklers; Finanzierung; Beratung über Finanzplanung; Erarbeiten von Steuergutachten und -schätzungen; Finanzdienstleistungen betreffend den Aufbau von Treuhandvermögen; Bereitstellung von Girokonten; Finanzierung; Vermittlung von Rentenversicherungsverträgen; Finanzdienstleistungen über ein weltweites Computernetz oder das Internet; Übernahme von finanziellen Bürgschaften; Finanzdienstleistungen betreffend die Sicherung von Geldanlagen; Finanzielles Risikomanagement; Verwaltung von Treuhandvermögen; Finanzverwaltung von Girokonten; Finanzverwaltung im Bankwesen; Internetbanking; Investmentgeschäfte; Handelsbankgeschäfte; Online-Banking; Finanzplanung und -verwaltung; Darlehens-, Kredit- und Leasingfinanzierungsdienste; Internetbanking; Bank- und Finanzdienstleistungen; Telebanking; Führung von Bankkonten; Führung von Depositenkonten; Sparkontodienste; Girokontendienste; Finanzierungen; Erstellen von Sparplänen; Altersvorsorgedienstleistungen; Finanzielle Geschäfte; Altersvorsorgedienstleistungen; Dienstleistungen in Bezug auf Bankkonten und Sparkonten; Finanztransfer-, Finanztransaktions- und Zahlungsdienste; Sammeln von Spenden; Dienstleistungen im Bereich Zahlungskarten; Ausgabe von Kreditkarten; Bereitststellung von Kreditkarten und Debitkarten; Bereitstellung von Bankautomaten und Abbuchungskarten; Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bankkarten, Kreditkarten, Debitkarten und Karten für den elektronischen Zahlungsverkehr; Abwicklung von Zahlungen mit Kredit- und Geldkarten; Dienstleistungen auf dem Gebiet des Kreditkartenmanagements; Beratung in Bezug auf Kreditkarten, Debitkarten, Abbuchungskarten; Eröffnung und Schließung von Bankkonten; Wohnungsvermittlung; Grundstückvermittlung; Finanzanalysen; Depotverwahrungsdienste; Leasing; Vermittlung von Versicherungen; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Börsenmaklers; Devisenhandel und Währungsumtausch; Erstellung von Steuergutachten und -schätzungen; Börsenkursnotierung; Dienstleistungen von Sparkassen; Schätzung von Immobilien; Elektronischer Kapitaltransfer; Scheckprüfung.

Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen im Bereich Informatik sowie Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Design und Entwicklung von Computerhardware und -software; Alle vorstehend genannten Dienstleistungen ausschließlich mit besonderer Bezugnahme auf den Bank-, Finanz-, Geld- und Versicherungsbereich.

Ihnen gegenüber steht im Widerspruchsverfahren die jüngere Wortbildmarke 318748 der Antragsgegnerin, angemeldet am 17.5.2022, registriert am 20.5.2022, veröffentlicht am 20.6.2022,

für die Waren und Dienstleistungen

Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen.

Die Antragstellerin erhob am 20.9.2022 Widerspruch gegen die jüngere Marke mit der Begründung, zwischen ihren älteren Marken und der jüngeren Marke der Antragsgegnerin sowie den angegebenen Waren und Dienstleistungen der Marken bestehe Verwechslungsgefahr. Mit Eingabe vom 27.9.2022 erstattete sie ein ergänzendes Vorbringen zur Verwechslungsgefahr.

Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung des Widerspruchs. Dieser sei verspätet, weil die Antragstellerin erst am 27.9.2022 und damit nach Ende der Widerspruchsfrist ihren Widerspruch begründet habe.

Im übrigen liege bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Zeichen auch keine Verwechslungsgefahr vor. Maßgebend sei der Wortbestandteil, der den älteren Marken fehle. Auch das grafische Element der jüngeren Marke unterscheide sich maßgeblich von den älteren Marken. Bei Dienstleistungen der Klasse 36 sei überdies von einem hohen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung den Antrag auf Zurückweisung des Widerspruchs ab. Die Angaben auf dem innerhalb der Widerspruchsfrist eingebrachten Widerspruchsformular seien eine ausreichende Begründung, weshalb der Widerspruch rechtzeitig sei.

Im Übrigen gab sie dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der jüngeren Marke hinsichtlich aller Dienstleistungen der Klasse 36 auf. Die Dienstleistungen seien teils ident, teils hochgradig ähnlich. Die älteren, normal kennzeichnungskräftigen Marken seien fast ident in die jüngere Marke übernommen worden und treten dort nicht völlig in den Hintergrund. Der Durchschnittsverbraucher werde die jüngere Marke für eine Weiterentwicklung der älteren Marken halten. Verwechslungsgefahr liege daher vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich der Geltendmachung sekundärer Verfahrensmängel mit dem Antrag, den Beschluss abzuändern und den Widerspruch abzuweisen, hilfsweise ihn aufzuheben und der Rechtsabteilung die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Antragsstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Zur Rechtzeitigkeit des Widerspruchs:

Gemäß § 29a Abs 1 MSchG kann innerhalb von drei Monaten ab dem Tag der Veröffentlichung der Registrierung Widerspruch erhoben werden. Nach Abs 3 der zitierten Bestimmung muss der begründete Widerspruch spätestens am letzten Tag der Frist im Patentamt eingelangt sein. Er ist schriftlich zusammen mit allen Beilagen in zweifacher Ausfertigung einzubringen.

Die Veröffentlichung der jüngeren Marke erfolgte am 20.6.2022, sodass die Widerspruchsfrist am 20.9.2022 endete. An diesem Tag brachte die Antragsgegnerin mit dem vom Patentamt zur Verfügung gestellten Formular (MA 200) den Widerspruch ein. Unter Punkt 8 des Formblatts (Begründung des Widerspruchs) kreuzte sie den Unterpunkt „Zwischen der älteren Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke und Waren und Dienstleistungen beider Marken besteht Verwechslungsgefahr (§ 29a Abs 1 MSchG iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG)“ an.

Der Berufungssenat teilt die Ansicht der Rechtsabteilung, dass die Antragstellerin damit der Begründungspflicht ausreichend nachgekommen ist. Der Antrag hat jedenfalls Angaben darüber zu enthalten, auf welche ältere Marke(n) sich der Antragsteller stützt, in welchem Umfang des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses die angegriffene Marke aufgehoben werden soll und auf welchen der beiden in Frage kommenden Widerspruchsgründe er sich stützt ( Woller in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 29a MSchG Rz 14 mwN). Das innerhalb der Widerspruchsfrist eingebrachte Formular enthält bereits all diese Informationen, weshalb es der mit Eingabe vom 27.9.2022 vorgenommenen Substanziierung nicht bedurft hätte. Der Widerspruch ist daher rechtzeitig und inhaltlich zu behandeln.

2. Allgemeines zur Verwechslungsgefahr:

2.1 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (EuGH C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (4 Ob 325/00y, T One mwN; 4 Ob 273/02d, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher aaO § 10 Rz 397 ff mwN).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 17).

Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

Hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher aaO § 30 Rz 10 f mwN).

2.2 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (4 Ob 61/90, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d, m ore; RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26). Generell ist bei Dienstleistungen der Klasse 36, bei denen es sich um spezialisierte Dienstleistungen mit potenziell erheblichen finanziellen Folgen für ihre Nutzer handelt, von einem relativ hohen Aufmerksamkeitsgrad der Durchschnittsverbraucher auszugehen ( Schumacher aaO § 10 Rz 427; T-209/16, APAX Partners [25]; OLG Wien 33 R 68/20t, OVB/3SI).

2.3 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779; Koppensteiner aaO 116).

Anderes gilt dann, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig/prägend noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffälliger ist. Ein schwacher Wortbestandteil, der für sich allein betrachtet kaum über den konkreten Wortlaut hinaus geschützt werden könnte, trägt im Allgemeinen zum Gesamteindruck eines Wortbildzeichens nur wenig bei. Dessen Gesamteindruck wird vielmehr in einem solchen Fall durch den Bildbestandteil geprägt (4 Ob 414/85 = WBl 1987, 339; 4 Ob 5/06y, Lucky Strike ; Schumacher aaO § 10 Rz 543).

2.4 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (4 Ob 62/93 = ÖBl 1993, 156, Lock/ Loctite mwN; 4 Ob 2095/96h, Bacardi/Baccara; 4 Ob 235/98g, AMC/ATC; C 251/95, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d, more; RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) .

Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile aber nicht isoliert zu betrachten und es dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens den einzelnen Markenteilen zukommt. Stehen bei einer Wortbildmarke die bildlichen und die wörtlichen Bestandteile mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander, dann sind nicht nur jene Zeichen als mit dieser Marke verwechselbar ähnlich anzusehen, die nach ihrem Gesamteindruck eine Verwechslungsgefahr hervorrufen, sondern auch jene, die entweder nur die bildlichen oder nur die wörtlichen Teile dieser Marke in verwechselbarer Weise wiedergeben (17 Ob 10/11m, Jungle Man , mwN; OLG Wien 33 R 68/20t, OVB/3SI ).

Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nämlich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ). Nicht schützbare oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).

2.5 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; 4 Ob 199/18w, Granny‘s ; 4 Ob 40/22v, Glück/Glück im Glas; 4 Ob 131/22a, Szigeti; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RS0079033 [T26]).

3. Zur Verwechslungsgefahr im konkreten Fall:

3.1 Dass die Dienstleistungen der älteren und der jüngeren Marken größtenteils ident und im übrigen ähnlich sind, ist im Rekursverfahren nicht mehr strittig. Folglich ist im Sinne der dargestellten Judikatur ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Ein solcher liegt jedoch nicht vor:

3.2 Gemeinsam ist den älteren Marken und der jüngeren Marke ein grafisches Element, das aus zwei im spitzen Winkel zueinander stehenden Balken gebildet wird. Es ähnelt dem griechischen Buchstaben Lambda und erinnert an den Großbuchstaben „A“ des lateinischen Alphabets, ohne dessen Querstrich aufzuweisen. Letzteres Verständnis wird dadurch unterstrichen, dass die beiden A von „ALFA“ im Wortbestandteil der jüngeren Marke ebenso ohne Querstrich und damit gleich wie das grafische Element ausgeführt sind.

Unterschiede bestehen einerseits in der Farbgebung: Bei der 1. älteren Marke befinden sich die weißen Balken auf einem dunkelgrauen/anthrazitfarbenen Hintergrund, bei der 2. älteren Marke sind die Balken in eben diesem Dunkelgrau/Anthrazit gehalten und der Hintergrund in weiß. Demgegenüber besteht die jüngere Marke aus weißen Balken auf einem violetten Hintergrund.

Andererseits ist die Form der älteren Marken ein abgerundetes Rechteck, bei der jüngeren hingegen ein „normales“ Rechteck, also ein solches mit rechtwinkeligen Ecken.

Schließlich ist die Winkelstellung der beiden Balken zueinander bei den älteren Marken spitzer als jene in der jüngeren Marke.

Wenngleich also die Bildelemente nicht vollkommen ident sind, sondern sie sich in den angeführten Punkten geringfügig unterscheiden, imponiert ein identischer Gesamteindruck. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass die beteiligten Verkehrskreise die Zeichen selten nebeneinander sehen werden, sondern dass durch eine undeutliche Erinnerung die Detailunterschiede verwischt werden (OLG Wien 33 R 68/20t, OVB/3SI ). Dass eine Marke in einer bestimmten Farbe eingetragen ist, bedeutet auch nicht, dass damit ein Zeichen in einer anderen Farbe nicht verwechselt werden kann (Schumacher aaO Rz 556 mnN).

Selbst bei relativ hoher Aufmerksamkeit (vgl Punkt 2.2) werden dem Durchschnittsverbraucher die geringfügigen Unterschiede hier daher nicht sofort ins Auge stechen.

Daran vermag auch die in der jüngeren Marke vorhandene horizontale Linie zwischen den Wortbestandteilen „ALFA“ und „VIENNA INSURANCE GROUP“ nichts zu ändern. Bei ihr handelt es sich nämlich nur um eine allgemein gebräuchliche figurale Beigabe und keine die Marke prägende grafische Gestaltung (vgl Schumacher aaO Rz 547; Om 3/09 ARCOSS/ARCHOS ).

3.3 Neben dem grafischen Element besteht die jüngere Marke zusätzlich aus den Worten „ALFA“ und „VIENNA INSURANCE GROUP“.

ALFA hat keine eigenständige Bedeutung. Am ehesten wird das Wort als alternative Schreibweise von Alpha, dem ersten Buchstaben des griechischen Alphabets, verstanden. In der Alltagssprache wird Alpha oft im Sinne von „das Erste“, „das Beste“, „das Höchste“ oder das „Größte“ verwendet (zB „Alphatier“, „Alphamännchen“).

VIENNA INSURANCE GROUP wiederum erlaubt dem Verbraucher, der Englisch versteht, den Rückschluss auf eine aus Wien stammende Versicherungsgruppe.

Insgesamt wird der Verbraucher daher den Wortbestandteil der jüngere Marke ohne besondere Gedankenanstrengung als einen Hinweis auf ein „Premiumprodukt“ (also das Beste) einer Wiener Versicherungsgruppe wahrnehmen. Der Wortbestandteil ist damit überwiegend beschreibend und damit bloß schwach kennzeichnungskräftig, sodass vielmehr das grafische Element das Zeichen prägt. Der Betrachter wird daher die Wortbestandteile bloß als eine zusätzliche Spezifikation einer Dienstleistung wahrnehmen, die von jenem Unternehmen stammt, das schon durch das abgebildete Bildelement identifiziert werden kann (OLG Wien 33 R 68/20t, OVB/3SI).

4.Zu den sekundären Feststellungsmängeln:

Die Antragsgegnerin vermisst Feststellungen dazu (Rekurs Rz 21), dass es eine Vielzahl von registrierten Marken gebe, die den älteren Marken ähnlich seien, von denen ein nicht unbeachtlicher Teil auf dem Markt auch genutzt werde. Sekundäre Feststellungsmängel kommen jedoch nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Sie sind daher nur dann denkbar, wenn die verfahrensrelevante Feststellung von einem ausreichend konkreten Tatsachenvorbringen der Partei erfasst ist (RS0053317 [T4]).

Die Antragsgegnerin hat in erster Instanz kein Vorbringen zur Nutzung der anderen Marken auf dem Markt erstattet und dazu auch keine Beweise angeboten. Nach dem auch hier anwendbaren § 139 Z 3 PatG dürfen im Rechtsmittelverfahren neue Tatsachen oder Beweismittel nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in erster Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise vorgebracht werden ( Weiser , PatG³ § 139 S 517; OLG Wien 33 R 67/22y, BASOR/BASO ). Das war hier nicht der Fall, sodass sekundäre Feststellungsmängel nicht erfolgreich geltend gemacht werden können.

Überdies weist die Antragsgegnerin im Rekurs selbst auf das Prinzip der abstrakten Prüfung der Verwechslungsgefahr hin. Die Existenz anderer registrierter Marken, die möglicherweise auch verwechselbar ähnlich sind, widerspricht den Argumenten für die Verwechslungsgefahr im konkreten Fall nicht.

5. Zusammengefasst hat die Rechtsabteilung die Verwechslungsgefahr der Marken zutreffend bejaht und dem Widerspruch stattgegeben. Der Rekurs musste daher erfolglos bleiben.

6. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war nach § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG und § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt (vgl 4 Ob 66/18m ua).

7. Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen Verwechslungsgefahr vorliegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112739). Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG ist daher nicht zulässig.

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