JudikaturOLG Wien

6R244/23f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Gesellschaftsrecht
24. Oktober 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., in der Firmenbuchsache der A* B* GesmbH , FN C*, **gasse **, ** D*, über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch die Dr. Riess Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 19.4.2023, 73 Fr 1176/23s-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass folgende Eintragung im Firmenbuch bewilligt wird:

„Generalversammlungsbeschluss vom 2.1.2023

Fortsetzung der Gesellschaft.“

Der Vollzug der Eintragung obliegt dem Handelsgericht Wien als Firmenbuchgericht.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die A* B* GmbH ( Gesellschaft ) mit Sitz in D* ist seit 16.4.2015 zu FN C* im Firmenbuch eingetragen. Bis 18.5.2020 lautete ihr eingetragener Firmenwortlaut „E* B* F* GmbH“. Seit 24.12.2022 ist G* als einziger Geschäftsführer der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Einzige Gesellschafterin ist die H* GmbH, FN **, mit Sitz in D*. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. Zuletzt wurden die Jahresabschlüsse zum 31.12.2017 und zum 31.12.2018 am 13.7.2020 beim Firmenbuchgericht eingereicht. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22.6.2021, 938 S 21/21i, wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Als Folge davon wurde die Auflösung der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 5.9.2022 wurde nach rechtskräftiger Bestätigung eines Sanierungsplans der Konkurs aufgehoben.

Am 29.9.2021 erfolgte die Eintragung, dass die Gesellschaft aufgrund einer Mitteilung der Finanzbehörde gemäß SBBG vom 20.8.2021 als Scheinunternehmen gilt.

Mit Firmenbuchgesuch vom 2.1.2023 begehrte G* als Geschäftsführer der Gesellschaft, vertreten durch Dr. I*, öffentlicher Notar in Wien, die aus dem Spruch ersichtliche Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft laut Generalversammlungsbeschluss vom 2.1.2023. Nach rechtskräftiger Annahme des Sanierungsplans sei in der Generalversammlung vom 2.1.2023 die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen worden. Der Geschäftsführer erklärte, dass bislang kein Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafterin ausgeschüttet worden sei.

Dem Antrag waren ein Protokoll der Generalversammlung vom 2.1.2023 sowie ein Auszug aus der Insolvenzdatei hinsichtlich der Gesellschaft angeschlossen.

Über Aufforderung des Erstgerichtes erklärte das J* keine Einwände gegen die Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft zu erheben. Durch die Feststellung der Scheinunternehmereigenschaft gehe die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft nur dann verloren, wenn eine Löschung im Firmenbuch aufgrund der Eintragung stattfinde.

Mit Beschluss vom 16.2.2023 hielt das Erstgericht fest, dass seit 2018 keine Jahresabschlüsse der Gesellschaft mehr vorgelegt worden seien und daher die Voraussetzungen für ein Amtslöschungsverfahren gemäß § 40 Abs 1 [zweiter Fall] FBG vorlägen. Es ergehe daher der Auftrag, binnen vier Wochen die fehlenden Jahresabschlüsse einzureichen.

Eine Reaktion darauf erfolgte nicht.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht das Eintragungsbegehren ab. Begründend führte es aus, ein Fortsetzungsbeschluss nach Auflösung durch Insolvenzeröffnung sei zulässig, wenn die Insolvenzeröffnung – unter anderem – nach Annahme eines Sanierungsplans aufgehoben worden sei. Gemäß § 40 Abs 1 FBG gelte eine Kapitalgesellschaft bei Fehlen offenkundigen Vermögens bis zum Beweis des Gegenteils dann als vermögenslos, wenn sie die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollzählig zum Firmenbuch eingereicht habe und seit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss zum zweiten Geschäftsjahr einzureichen gewesen wäre, mindestens sechs Monate vergangen seien. Diese Voraussetzungen für eine amtswegige Löschung lägen hier vor. Durch Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft würde beim Publikum der Anschein erweckt, dass es sich um eine werbende Gesellschaft handle. Die beantragte Eintragung erscheine daher unzulässig. Rechtsprechung zur Frage, ob im Fall der Aufhebung eines Konkurses nach rechtskräftiger Bestätigung eines Sanierungsplans bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen der Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens gemäß § 40 Abs 1 FBG die Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft zulässig sei, liege soweit überblickbar nicht vor.

Aufgrund dieses Beschlusses machte zunächst der Geschäftsführer eine in weiterer Folge verbesserte Eingabe beim Erstgericht, wonach die Gesellschaft nicht vermögenslos sei, sondern - wie aus einem beiliegenden Grundbuchsauszug ersichtlich sei - über Immobilienvermögen (unter ihrer ursprünglichen Firma E* B* F* GmbH) verfüge. Die Erstellung der Bilanzen verzögere sich aufgrund der Notwendigkeit der Aufstellung gemeinsam mit jenen von verbundenen Unternehmen. Weiters gebe es Forderungen aus noch treuhändig erlegten Kaufpreisen.

Gegen den angefochtenen Beschluss richtet sich in weiterer Folge der Rekurs der Gesellschaft mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Bewilligung der beantragten Eintragung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt .

1.) Die Rekurswerberin argumentiert, auf Grund des am 5.9.2022 bestätigten Sanierungsplans hätten die Konkursgläubiger eine hundertprozentige Quote, zahlbar binnen vierzehn Tagen ab rechtskräftiger Bestätigung, erhalten. Bei Konkursaufhebung sei dieser bereits erfüllt gewesen. Schon dies widerspreche der Annahme einer offenkundigen Vermögenslosigkeit. Außerdem sei die Rekurswerberin Eigentümerin eines Hälfteanteils an der Liegenschaft EZ ** KG **. Für das Erstgericht wäre mit einer einfachen Namensabfrage im Grundbuch (unter der vormaligen Firma der Gesellschaft) feststellbar gewesen, dass diese über Liegenschaftsvermögen verfüge. Im Zuge der amtswegigen Prüfung durch Vornahme einer Grundbuchsabfrage oder durch Befragung des Geschäftsführers der Gesellschaft hätte das Erstgericht feststellen können, dass die Antragstellerin tatsächlich nicht vermögenslos sei. Das Unterbleiben der Erhebungen stelle einen Verfahrensmangel dar. Die Säumnis mit der Offenlegung der Jahresabschlüsse zweier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre indiziere zwar eine Vermögenslosigkeit, diese sei aber widerlegt worden. Dass das Erstgericht sich allein auf die Nichteinreichung der Jahresabschlüsse gestützt habe, stelle eine unrichtige rechtliche Beurteilung dar.

2.) Diese Ausführungen sind im Ergebnis berechtigt.

3.) Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Rekursgerichtes kann eine aufgelöste Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Analogie zu § 215 AktG grundsätzlich in allen Fällen wieder fortgesetzt werden (RS0059934; 6 Ob 152/02z, 6 Ob 62/21t ua; OLG Wien 28 R 269/12b ua; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG 3 § 84 Rz 29 ff; Zib in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 7 Rz 84 mwN). Die Fortsetzung der Gesellschaft ist zum Firmenbuch anzumelden, was sich nach Eintragung der Auflösung (§ 88 Abs 2 GmbHG) schon aus den §§ 9 und 10 Abs 1 FBG ergibt.

1. In § 215 Abs 2 AktG wird die Fortsetzung einer durch Konkurseröffnung aufgelösten Aktiengesellschaft für den Fall der Aufhebung des Konkursverfahrens nach Bestätigung eines Sanierungsplans (§ 152 IO) oder mit Zustimmung der Gläubiger (§ 123b IO) ohne weitere Prüfung einer Beseitigung des Auflösungsgrundes als zulässig erachtet, sodass für die Fortsetzung der Gesellschaft grundsätzlich ein Nachweis darüber, dass ein Konkurseröffnungsgrund nicht (mehr) vorliegt oder die Gesellschaft über hinreichendes Vermögen verfügt, nicht verlangt wird (RS0050183 [T1], RS0059977; OLG Wien 28 R 269/12b; 28 R 213/06h = Ges 2007, 159; Birnbauer GeS 2010, 278 ua).

2. Die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft ist auch nach Aufhebung des Konkurses möglich. Es ist jedoch, außer für die Fälle nach Bestätigung eines Sanierungsplans oder mit Zustimmung aller Gläubiger, davon auszugehen, dass die Gesellschaft ohne Vermögen und daher für die Löschung reif ist. In einem solchen Fall müsste die Fortsetzung durch den Nachweis der Vermögensbeschaffung bedingt sein (RS0059977; 3 Ob 194/82, 1 Ob 2014/96z, 6 Ob 131/98b; vgl auch Zehetner in Straube/Ratka/Rauter , WK GmbHG § 84 Rz 138).

4.) Gemäß § 40 Abs 1 FBG kann eine Kapitalgesellschaft von Amts wegen gelöscht werden, wenn sie kein Vermögen besitzt (erster Tatbestand, Satz 1). Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt und seit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss für das zweite Geschäftsjahr einzureichen gewesen wäre, mindestens sechs Monate vergangen sind (zweiter Tatbestand, Satz 3).

5.) Gemäß § 277 Abs 1 UGB iVm § 3a Abs 2 Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG, BGBl I 2020/16) haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften für die in § 4 Abs 3 COVID-19-GesG erfassten Geschäftsjahre die in den §§ 277 bis 281 UGB angeführten Unterlagen spätestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen.

1. Materiell-rechtlicher Löschungstatbestand des § 40 Abs 1 FBG ist die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft. Die in § 40 Abs 1 Satz 3 FBG normierte (widerlegbare) Vermutung soll dem Firmenbuchgericht die Feststellung des Löschungstatbestandes der Vermögenslosigkeit erleichtern. In diesem Fall bedarf es keiner amtswegigen Erhebungen über das Vorhandensein von Vermögen. Ebensowenig ist ein Verschulden von Organen der Gesellschaft an der Nichtvorlage der Jahresabschlüsse Voraussetzung für die Löschung nach § 40 Abs 1 Satz 3 FBG. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Rechtsverkehrs und die Bereinigung des Firmenbuchs ( Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG § 40 Rz 3, 13).

2. Vermögen im Sinn des § 40 FBG ist, was bilanzierungsfähig und bei kaufmännisch-wirtschaftlicher Betrachtungsweise verwertbar ist (OLG Wien NZ 2004, 90; NZ 2003, 158; zuletzt 6 R 240/23t, 6 R 25/23z uva; Koppensteiner/Rüffler , GmbHG 3 § 84 Rz 13). Vermögen muss ein zur Gläubigerbefriedigung oder gegebenenfalls zur Ausschüttung an die Gesellschafter geeignetes Aktivum darstellen. Auch geringe Vermögenswerte hindern die Anwendung des § 40 FBG ( Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG § 40 Rz 8; OLG Wien 28 R 294/16k uva).

6.) Im vorliegenden Fall wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durch einen Sanierungsplan beendet, der noch dazu eine 100% Barquote, zahlbar binnen 14 Tagen ab rechtskräftiger Bestätigung, vorsah. Nach der Rsp war für die Fortsetzung der Gesellschaft daher ein weiterer Nachweis darüber, dass ein Konkurseröffnungsgrund nicht (mehr) vorliegt oder die Gesellschaft über hinreichendes Vermögen verfügt, nicht erforderlich. Insofern kann dahinstehen, ob in gewissen Fällen die widerlegbare Vermutung nach § 40 Abs 1 zweiter Fall FBG bei der Prüfung vorhandenen Vermögens für die Fortsetzung einer aufgelösten Kapitalgesellschaft zur Anwendung kommt. Im vorliegenden Fall kommt es, da ein Fall vorliegt, der keine Prüfung des Vorhandenseins hinreichenden Vermögens erfordert (vgl 3.1. f ), darauf jedenfalls nicht an.

7.) Sonstige einer Fortsetzung der Gesellschaft entgegenstehende Gründe liegen nicht vor. Die Gesellschafterin konnte nach Aufhebung ihres eigenen Konkurses (Handelsgericht Wien, 96 S 12/21z) per 6.12.2022 in der Generalversammlung der Gesellschaft vom 2.1.2023 wirksam durch ihren Geschäftsführer G* vertreten werden. Der angefochtene Beschluss ist daher in Stattgebung des Rekurses im Sinne einer Bewilligung der begehrten Eintragung abzuändern.

8.) Der Vollzug der Eintragung obliegt dem Erstgericht (§ 20 Abs 2 FBG).

9.) Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf § 15 Abs 1 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung waren nicht zu lösen.

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