17Bs119/23h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Medienrechtssache der Antragstellerin Dr. A* B* gegen die Antragsgegnerin C* D* Limited wegen §§ 6, 8a, 33 Abs 2 MedienG über die Berufungen der Antragstellerin wegen Nichtigkeit und Schuld sowie der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 22. Dezember 2022, GZ 52 Hv 6/22g-28, nach der am 23. August 2023 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterinnen Mag. Mathes und Mag. Schneider-Reich als weitere Senatsmitglieder, in Abwesenheit der Antragstellerin, in Anwesenheit des E* als organschaftlichem Vertreter der Antragsgegnerin, in Gegenwart des Antragstellervertreters Mag. Markus Passer und des Antragsgegnervertreters Dr. Maximilian Raschhofer durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung der Antragstellerin wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Durch die seit November 2021 auf dem Unternehmensprofil „Kinderärztin Dr. A* B*“ im GC* Local Listing der Antragsgegnerin veröffentlichte Rezension des Users „B* F*“ des wahrheitswidrigen Inhalts, die Antragstellerin habe als Kinderärztin ein unter starken Schmerzen leidendes Kind trotz Überweisung durch den Hausarzt und freier Kapazitäten mit der Begründung abgewiesen, es sei kein bestehender, sondern ein neuer Patient, was menschlich miserabel sei, wurde in Bezug auf die Antragstellerin der objektive Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt.
Für die dadurch erlittene Kränkung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin nach § 6 Abs 1 MedienG binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution eine Entschädigung von EUR 2.000,-- zu zahlen.
Gemäß § 33 Abs 2 MedienG wird die Löschung der genannten Rezension vom Unternehmensprofil „Kinderärztin Dr. A* B*“ im C* Local Listing der Antragsgegnerin angeordnet.
Die Antragsgegnerin wird aufgefordert, dem gerichtlichen Löschungsauftrag gemäß § 36a Abs 1 MedienG binnen sieben Tagen unter der Sanktion des § 36a Abs 2 MedienG zu entsprechen.
Gemäß §§ 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist eine auf dem Unternehmensprofil der Antragstellerin „Kinderärztin Dr. A* B*“ im C* Local Listing seit November 2021 vom User „B* F*“ veröffentlichte Bewertung, die sich wie Beil./A wie folgt gestaltete:
Bild kann derzeit nicht dargestellt werden.
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht aus:
1. Die Antragsgegnerin C* D* Limited ist gemäß § 36b iVm § 33 MedienG schuldig, die Rezension des Users B* F* (./A zu ON 2) vom C* Local Listing und Unternehmensprofil der Arztpraxis der Antragstellerin Dr. A* B* (ON 23) binnen 14 Tagen zu löschen.
2. Der Antrag der Antragstellerin Dr. A* B* auf Leistung einer Entschädigungszahlung gemäß §§ 6 Abs 1 iVm 8 Abs 1 MedienG iHv EUR 40.000,-- wegen Nichtlöschung der Rezension des Users „B* F*“ (./A zu ON 2) trotz Aufforderung, wird abgewiesen.
3. Die Kosten der Antragstellerin und der Antragsgegnerin werden gegeneinander aufgehoben.
Dazu traf es folgende Feststellungen und gründete sie auf nachstehende Beweiswürdigung:
Feststellungen:
Die Antragstellerin betreibt seit 2018 eine Facharztpraxis für Kinder- und Jugendheilkunde an der Adresse G*.
Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in Irland und erwirtschaftete im Jahr 2020 einen Gewinn nach Steuern in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. Sie betreibt unter anderem den Dienst C* Local Listings, welchen man über die ebenfalls von der Antragsgegnerin angebotenen Dienste C* J* und C* K* abrufen kann. Dabei werden Informationen zu Lokalitäten, etwa auch Unternehmen, angezeigt, welche für den Nutzer von C* J* und C* K* von Interesse sein könnten (Points of Interest). Die Informationen setzen sich aus öffentlich verfügbaren Daten (z.B. Standort des Unternehmens), aus von der Antragsgegnerin verarbeiteten Nutzerdaten (z.B. durchschnittliche Aufenthaltsdauer) sowie aus Daten von Nutzern (z.B. Bewertungen) zusammen. Jeder über einen C*-Account registrierte Nutzer (was die Angabe von Vor- und Nachnamen sowie der E-Mail-Adresse gegenüber der Antragsgegnerin voraussetzt) kann eine öffentlich einsehbare Bewertung des betreffenden Unternehmens bzw. des Point of Interest abgeben und eine Rezension verfassen. Außerdem fordert C* K* Nutzer, von denen aufgrund ihrer Standortdaten angenommen wird, dass sie einen Point of Interest (zu welchem ein C* Local Listing existiert) besucht haben, auf, eine solche Bewertung abzugeben. Wird ein C* Local Listing über C* K* bewertet, kann der Nutzer Punkte sammeln, die in Prämien oder einem Vorabzugriff auf neue Produkte der Antragsgegnerin resultieren können.
Die Bewertung kann auch unter einem Pseudonym anstatt dem echten Namen erfolgen. Der Antragsgegnerin sind die Namen und E-Mail-Adressen der bewertenden Nutzer aufgrund deren Registrierung allerdings bekannt. Der Nutzer/die Nutzerin, welche/r die Bewertung verfasst hat, kann diese nachträglich – nach Einloggen über den C* Account – bearbeiten und auch löschen. Die Antragsgegnerin hat ebenfalls diese Möglichkeiten. So sucht die Antragsgegnerin etwa gezielt nach Inhalten, die gegen die eigenen internen Richtlinien verstoßen und entfernt diese. Dabei geht es um Fake-Inhalte, kopierte oder gestohlene Fotos, nicht themenbezogene Rezensionen, Verleumdungen, Beleidigungen, persönliche Angriffe sowie unnötige und falsche Angaben.
Über C* My Business können Unternehmensinhaber ihr Unternehmensprofil innerhalb von C* Local Listings verwalten und nach außen gestalten. Sie können sich nach Durchlaufen eines Authentifizierungsprozesses bei der Antragsgegnerin als Inhaber des Unternehmensprofils im C* Local Listing ausweisen und das Profil übernehmen. Sie können sodann als Inhaber Bilder hochladen (diese sind dann auch als Bilder des Inhabers gekennzeichnet), auf Bewertungen anderer Nutzer (als Inhaber) reagieren und Bewertungen als unzulässig melden. Sie werden auch per E-Mail über neue Bewertungen benachrichtigt. Bewertungen anderer Nutzer können durch den Inhaber jedoch nicht gelöscht oder bearbeitet werden.
Die Antragstellerin arbeitete ab dem Jahr 2017 als Kinderärztin gemeinsam mit Dr. L*, welcher bereits eine Kinderarztpraxis in den Räumlichkeiten an der Adresse G* betrieb. Dieser hatte das Unternehmensprofil innerhalb des C* Local Listings zu seiner Kinderarztpraxis als Inhaber übernommen. Ob es davor überhaupt ein C* Local Listing zu dieser Kinderarztpraxis gab oder diese erst über den Antrag von Dr. L* geschaffen wurde, kann nicht festgestellt werden. Im Jahr 2018 übernahm die Antragstellerin die Kinderarztpraxis und authentifizierte sich gegenüber der Antragsgegnerin als neue Inhaberin der Kinderarztpraxis. Sie übernahm sodann das Unternehmensprofil innerhalb des C* Local Listings als „Kinderärztin Dr. A* B*“. Sie und ihr Ehemann betreuen das Profil. Sie stellen Bildaufnahmen der Arztpraxis online, fügten eine Beschreibung der Arztpraxis hinzu und antworten auf Bewertungen, hinsichtlich derer sie von der Antragsgegnerin per E-Mail verständigt werden. Da auch noch alte – Dr. L* betreffende – Bewertungen vorhanden waren, beantragten die Antragstellerin und ihr Ehemann, dass die Antragsgegnerin diese löscht. Die Antragsgegnerin kam diesem Antrag schließlich auch nach und löschte die Bewertungen.
Im November 2021 bewerte ein Nutzer unter dem Pseudonym „B* F*“ die Arztpraxis der Antragstellerin im C* Local Listing mit einem von fünf möglichen Sternen und veröffentlichte dazu nachstehende Rezension:
„Leider muss ich einen Stern geben, Keiner ging nicht.
Über die ärztliche Kompetenz kann ich leider nicht urteilen (soll laut anderen Beurteilungen sehr gut sein), aber zur Menschlichen kann ich nur sagen : MISERABEL!!!
Ich hatte eine Überweisung für meinen Sohn (von unserer Hausärztin) zur dringenden Untersuchung, da er starke Schmerzen trotz verabreichter Schmerzmittel hatte.
Telefonisch rief ich an und bat um einen schnellstmöglichen Termin.
Uns wurde sofort ein Termin in einer Stunde angeboten! Eigentlich super und toll, so schnell!
Perfekt!
ABER! jetzt kommts!
Im weiteren Gespräch wollte man die Daten meines Sohnes wissen (was ja auch üblich ist) dabei stellte sich heraus, dass er ein neuer Patient ist (unser Kinderarzt ging in Pension) und auf einmal hieß es:
„Er ist kein Patient von uns, der Termin ist gestrichen!!!!!“.
Wir versuchten gleich unser Glück bei anderen Ärzten, aber auf die Schnelle leider kein Termin, alles voll ausgebucht und erst in einigen Tagen.
Ich bat, kurze Zeit später, in dieser Ordination nochmals um einen Termin (da ja was frei war und mein Sohn noch immer unverändert starke Schmerzen hatte), aber man blieb stur und es hieß nur „Keine neuen Patienten mehr, ich solle zur Vertretung gehen.“
Vielen herzlichen Dank, aber auch!“
Diese Bewertung und dieses Posting sind öffentlich zugänglich.
Der Rezipient diese Postings, welcher sich zum einen aus Eltern erkrankter Kinder, die einen Kinderarzt/eine Kinderärztin suchen, zum anderen auch aus Personen, welche sich für eine Anstellung bei einem Kinderarzt/ einer Kinderärztin interessieren, zusammensetzt, versteht dieses Posting entsprechend seinem objektiven Bedeutungsinhalt so, dass die Antragstellerin eine äußerst schlechte, nämlich miserable, Persönlichkeit aufweist und, obwohl sie Kinderärztin ist, ein an starken Schmerzen leidendes Kind trotz freier Kapazitäten mit einer Formalbegründung (kein Bestandspatient) und ohne das Vorliegen sachlicher Gründe abweist, womit ihr letztlich ein mit dem ärztlichen Berufsethos unvereinbares Verhalten vorgeworfen wird, das geeignet ist, die Antragstellerin in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.
Tatsächlich rief „B* F*“ an diesem Tag um ca. 13:30 in der Kinderarztpraxis der Antragstellerin an, um wegen der Erkrankung seines Sohnes einen Termin zu vereinbaren. Da das Patientenkontingent für diesen Tag bereits erschöpft war, wurde „B* F*“ von einer Mitarbeiterin der Antragstellerin mitgeteilt, dass sein Sohn heute aufgrund zu hoher Auslastung keinen Termin bekommen könne und er wurde an die Kinderärzte des Sohnes, Dr. M* und Dr. N*, bzw. an das Krankenhaus verwiesen. Kurze Zeit später rief „B* F*“ erneut an und teilte mit, dass er bei seinem Kinderarzt erst einen Termin in zwei Tagen bekommen würde. Die Mitarbeiterin teilte „B* F*“ daraufhin mit, dass er sich an das Krankenhaus wenden müsse. Die Mitarbeiter haben die Anweisung auf die beschriebene Weise vorzugehen, unabhängig davon, ob ein Patient bereits einmal in der Arztpraxis der Antragstellerin behandelt wurde. Mit der Antragstellerin sprach „B* F*“ nicht.
Der Antragstellerin ist nicht bekannt wer „B* F*“ ist und sie hat ohne die Unterstützung durch die Antragsgegnerin keine Möglichkeit, diese Information zu erlangen.
Die Antragstellerin ersuchte die Antragsgegnerin wiederholt um Löschung der Bewertung und Rezension des „B* F*“ oder zumindest um Bekanntgabe des Namens und der E-Mail-Adresse des Nutzers, um rechtliche Schritte gegen diesen einleiten zu können. Dabei berief sich die Antragstellerin unter anderem auch darauf, dass die Bewertung den Straftatbestand des § 111 StGB erfüllen könne. Die Antragsgegnerin kam der Aufforderung nicht nach.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Antragstellerin und zur Antragsgegnerin beruhen auf den jeweils unbedenklichen eigenen Angaben. Die Feststellung zum Gewinn der Antragsgegnerin nach Steuern im Jahr 2020 beruht auf ON 22.
Die Feststellungen zur Funktionsweise von C* Local Listings und C* My Business sowie der Verwendung derselben durch die Antragstellerin folgen aus den unbedenklichen Angaben der Antragsgegnerin, den Urkunden ./1-./9 in ON 17, ./D-./E, ./G, ./H in ON 20, ON 23, ./14 in ON 24 und ON 25 sowie der Aussage des Zeugen Mag. O* B* (Hv-Protokoll [ON 27], S. 8-14).
Die Feststellung zum Adressatenkreis des Postings von „B* F*“ folgt aus allgemein anerkannten Erfahrungssätzen und der Aussage der Antragstellerin zu dem von ihr beklagten Mangel an Bewerbern (Hv-Protokoll [ON 27], S. 8). Die Feststellungen zum objektiven Bedeutungsgehalt des Adressatenkreises. Die Feststellung, dass sich die Äußerung von „B* F*“ auf die Antragstellerin bezieht, insbesondere, dass sie menschlich miserabel sei, folgt daraus, dass er seine Schilderungen mit einer Bemerkung über die ärztliche Kompetenz einleitet, welche sich zweifelsfrei auf die Antragstellerin bezieht und im Anschluss daran keine erkennbare Änderung hinsichtlich der Person, auf die sich seine Anschuldigungen beziehen, vornimmt.
Die Feststellungen zur Bewertung und Rezension durch „B* F*“ und der tatsächlichen Interaktion zwischen diesem und den Mitarbeitern der Arztpraxis der Antragstellerin folgen aus der Urkunde ./A in ON 2 sowie den Angaben der Antragstellerin, welche als Zeugin einvernommen wurde (Hv-Protokoll [ON 27], S. 2-8). Diese gab den Bericht ihrer Mitarbeiter glaubhaft und nachvollziehbar wieder. Insbesondere deckten sich ihre Angaben auch mit der Antwort auf die Bewertung von „B* F*“, welche zeitnah zum Vorfall verfasst wurde (./3 in ON 17). Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Mitarbeiter der Antragstellerin nicht die Wahrheit erzählt haben sollten.
Die Feststellungen zu den an die Antragsgegnerin gerichteten Aufforderungen sowie der unterlassenen Löschung folgen aus den Urkunden ./B und ./C in ON 2 sowie ON 23. Dass die Antragstellerin nicht weiß und auch nicht herausfinden kann wer „B* F*“ ist, ergibt sich daraus, dass kein Karteieintrag für „B* F*“ angelegt wurde und die Mitarbeiter nur zweimal telefonischen Kontakt hatten sowie offensichtlich die Einbringung des gegenständlichen Antrags bei Gericht erforderlich war (Hv-Protokoll [ON 27], S. 2-8).
Rechtlich kam das Erstgericht zum Schluss, dass sich sowohl der Entschädigungsanspruch als auch der Einziehungsanspruch gegen den Medieninhaber richten würden. Medieninhaber im Sinne des § 1 Abs 1 Z 8 MedienG sei als eine Person definiert, die
a) eine Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder
b) sonst die inhaltliche Gestaltung eines Medienwerks besorgt und dessen Herstellung und Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder
c) sonst im Fall eines elektronischen Mediums dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder
d) sonst die inhaltliche Gestaltung eines Mediums zum Zweck der nachfolgenden Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung besorgt.
Im konkreten Fall könne ein Nutzer, welcher eine Bewertung abgegeben und/oder eine Rezension auf einem C* Local Listing verfasst habe, dieses nachträglich – nach Einloggen über seinen C* Account – bearbeiten und auch löschen. Die Antragsgegnerin habe zwar ebenfalls die Möglichkeit, Postings zu bearbeiten oder zu löschen, dies sei jedoch bereits der technischen Bereitstellung durch die Antragsgegnerin geschuldet und bestehe diese Möglichkeit bei einem Host-Provider ebenfalls. Auch die gezielte Suche und Löschung von Inhalten in bestimmten Fällen durch die Antragsgegnerin sei mit der Rolle eines Host-Providers kompatibel, weil ein Host-Provider dadurch bloß seinen rechtlichen Verpflichtungen nach dem E-Commerce-Gesetz nachkomme bzw der Erfüllung seiner Verpflichtungen vorgreife, welche eintreten, wenn Dritte dem Host-Provider den Sachverhalt zur Kenntnis bringen würden (§ 16 E-Commerce-Gesetz). Der inhaltlich neutral positionierende Chat-Forum-Betreiber sei Host-Provider und nicht Medieninhaber. Nach Ansicht des Erstgerichts sei ausschlaggebend, wer konkret „die inhaltliche Gestaltung eines Mediums“ besorge. Jeder, der über eine Anmeldung auf seinem C*-Account eine inhaltliche Gestaltung des C* Local Listings vornehme, sei Medieninhaber hinsichtlich seines Beitrages. „B* F*“ sei Medieninhaber hinsichtlich seiner Bewertung und Rezension. Weiters müsse unterschieden werden, ob ein C* Local Listing ohne Übernahme des Unternehmensprofils durch den Inhaber des Point of Interest vorliege oder, ob das Unternehmensprofil innerhalb des C* Local Listings durch den Unternehmensinhaber übernommen worden sei. Nur in ersterem Fall, sei die Antragsgegnerin auch Medieninhaberin. Gegenständlich sei jedoch das Unternehmensprofil innerhalb des C* Local Listings durch den Unternehmensinhaber übernommen worden, dieser habe das Profil inhaltlich ausgestalten und auf Bewertungen reagieren können. Ab dem Zeitpunkt der Profilübernahme beziehe sich die Medieninhaberschaft der Antragsgegnerin nur mehr auf von ihr erstellte Inhalte, weil sie sich darüber hinaus neutral verhalte. Somit sei die Antragsgegnerin mit Profilübernahme nicht mehr Medieninhaberin und mangels Medieninhaberschaft der Antragsgegnerin der Antrag auf Entschädigung gemäß § 6 Abs 1 MedienG abzuweisen. Gemäß § 36b MedienG habe jedoch das Gericht auf Antrag des Anklägers oder des Antragstellers im selbständigen Verfahren dem Hostingdienstanbieter (§ 16 E-Commerce-Gesetz – ECG, BGBl. I Nr. 152/2001) die Löschung der betreffenden Stellen der Website (Einziehung oder Beschlagnahme - §§ 33, 33a, 36) oder die Veröffentlichung der Teile des Urteils (§ 34) aufzutragen, wenn der Medieninhaber seinen Sitz im Ausland hat oder der Medieninhaber aus anderen Gründen nicht belangt werden könne. § 36b MedienG verweise auf § 33 MedienG, welcher die Einziehung ermögliche, sofern im betreffenden Medium der objektive Tatbestand einer strafbaren Handlung verwirklicht worden sei. Gegenständlich stelle bereits die Bezeichnung der Antragstellerin als menschlich miserabel einen Wertungsexzess dar, der den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB erfülle und auch nicht unter Berufung auf die zentrale Bedeutung des Themas Gesundheit (ON 17, S 11) relativiert werden könne. Gemäß § 36b MedienG sei daher der Antragsgegnerin die Löschung der Rezension von „B* F*“ aufzutragen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitig angemeldeten und fristgerecht ausgeführten Berufungen der Antragstellerin wegen Nichtigkeit und Schuld (ON 32) sowie der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 33), wobei nur der Berufung der Antragsgegnerin spruchgemäß Berechtigung zukommt.
Die Berufung der Antragstellerin wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) und Schuld überzeugt, weil die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Erstgerichts auch Medieninhaberin und nicht nur Host-Provider der Plattform C* Local Listings ist. Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung 17 Bs 212/21g (MR 2021, S 237f) klarstellt, ändert an der Medieninhaberschaft nichts, dass eine Online-Präsenz Dritten ermöglicht, Inhalte zu veröffentlichen, etwa in Gästebüchern, Diskussionsforen oder Blogs, die Antworten und Kommentare anderer User zulassen. Die Verantwortlichkeit des Medieninhabers erstreckt sich auch auf Online-Diskussionsforen, -Gästebücher oder -Leserbriefe, die in eine Website integriert sind, generell besteht sie für alle Teile der Website, die der Betreiber Dritten für deren Inhalte (Postings) zur Verfügung stellt. Der Medieninhaber kann sich jedoch auf ein Haftungsprivileg unter anderem des § 6 Abs 2 Z 3a MedienG stützen, wenn er in Übereinstimmung mit § 16 Abs 1 Z 2 ECG rechtswidrige Äußerungen Dritter unverzüglich ab Kenntnis entfernt (Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG Praxiskommentar 4 § 1 Rz 30b). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Betreiber eines Online-Gästebuchs hinsichtlich geposteter Beiträge der technische Verbreiter (vgl 6 Ob 188/16i). Wie festgestellt betreibt die Antragsgegnerin neben einer Suchplattform eine kleine in die Suchplattform eingebettete Website, auf der Informationen zu einem einzelnen Unternehmen, gegenständlich wie der Ordination der Antragstellerin, mit deren Adresse, Öffnungszeiten, Telefonnummer, den „Stoßzeiten“ (sohin Zeiten der stärksten Frequenz der Ordination) und aber auch der Möglichkeit, die Ordination zu bewerten und andere Bewertungen einzusehen, geboten wird. Der Betreiber einer Website ist dann Host-Provider, wenn er wirklich nur eine technische Bühne für Dritte bietet. Dies ist bei einem (sich inhaltlich neutral positionierenden) Betreiber eines Chat-Forums oder eines Gästebuchs gegeben. Fordert der Website-Betreiber oder Inhaber einer Social Media-Präsenz dazu auf, Inhalte hochzuladen oder Kommentare zu „posten“ oder lädt er auch ohne ausdrückliche Aufforderung allein durch das Vorhandensein einer Kommentarfunktion dazu ein, auf seine eigenen Inhalte zum Beispiel die Artikel seiner Online-Zeitung, zu reagieren, dann ist er kein Host-Provider (Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG Praxiskommentar 4 § 1 Rz 30h, 17 Bs 212/21g). Fallkonkret ermöglicht die Antragstellerin Internet-Nutzern, von ihnen eingegebene Informationen in ihrem Local Listings-Forum zu speichern und lädt auch die Übernehmer des Unternehmensprofils dazu ein, Fotos hochzuladen und das Profil zu ergänzen. Sie ist damit nach zutreffender Ansicht kein reiner Host-Provider im Sinne des § 16 ECG, sondern kommt ihr zugleich Medieninhaberschaft zu. Der Medieninhaber als "intellektueller" Verbreiter, also im Unterschied zum bloßen "technischen" Verbreiter ist als derjenige anzusehen, der zu der Äußerung eine individuelle geistige Beziehung hat. Er muss sich zurechnen lassen, dass die Unrichtigkeit der Tatsachen bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt für ihn erkennbar war und dass er die Tatsachen dennoch verbreitet hat (RIS-Justiz RS0064443 [insb T6]). Medieninhaber ist also derjenige, der für die inhaltliche Gestaltung des Mediums die Letztverantwortung hat, der also etwa als Administrator einer Facebook-Seite die Möglichkeit hat, jeden Kommentar ganz zu löschen, für andere User unsichtbar zu machen und andere Kommentierenden ganz zu „sperren“. Die Tätigkeit des Host-Providers beschränkt sich hingegen darauf, „von einem Nutzer eingegebene Informationen zu speichern“ – gemeint ist damit die rein technische, automatisierte und passive Speicherung. Der Host-Provider stellt die Infrastruktur für die Verbreitung solcher Informationen zur Verfügung, ohne mit diesen Informationen in einem sachlichen Zusammenhang zu stehen oder inhaltlich darauf Einfluss zu nehmen. Im Lichte dieser Prämissen ist - wie die Antragstellerin korrekt ausführt - auch nach „Übernahme“ des Unternehmensprofils keine Letztverantwortung des Unternehmensinhabers gegeben, da dessen Rolle mit der eines Administrators einer Facebook-Seite beispielsweise nicht vergleichbar ist, er weder Kommentare ganz löschen, noch User für andere unsichtbar machen kann und eine Medieninhaberschaft demzufolge nicht vorliegen kann. Das Erstgericht irrt, wenn es in seiner Schlussfolgerung dem User „B* F*“ die alleinige Medieninhaberschaft zuspricht. Der User – fallkonkret „B* F*“ - hat zwar hinsichtlich seines Beitrags jederzeit die Möglichkeit diesen zu löschen, jedoch geht die Medieninhaberschaft durch das Vorhandensein einer Kommentarfunktion und einer tatsächlichen Kommentierung nicht auf diesen alleinig über. In seiner Entscheidung 17 Bs 212/21g hat der erkennende Senat bereits festgehalten, dass anders als beispielsweise bei Facebook nicht der einzelne Poster einen Account betreibt, den er selbst verwalten kann. Während zB auf Facebook der einzelne Accountinhaber selbst Medieninhaber ist, da er seinen Account selbst verwalten und gestalten und auch fremde Postings von seinem Account löschen kann, hat der Unternehmensinhaber auf der gegenständlichen Website nicht diese Möglichkeit, folglich die Antragsgegnerin auch als Medieninhaberin anzusehen ist.
Die Diesbezüglichen Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Gegenausführung (Punkt 4. in ON 36) vermögen nicht zu überzeugen, der zitierten Judikatur liegen andere Sachverhalte zugrunde, und schließt die Qualifikation als Host-Provider nicht aus, zugleich auch Medieninhaber zu sein. Das Spannungsverhältnis zu Art 10 MRK hat der Gesetzgeber mit dem Ausschlussgrund des § 6 Abs 2 Z 3a MedienG aufgelöst, der Antragsgegnerin wäre somit möglich gewesen, die inkriminierte Rezension rechtzeitig zu löschen.
Der Berufung der Antragsgegnerin kommt keine Berechtigung zu.
Die zuerst zu behandelnde Schuldberufung (Ratz in WK-StPO § 476 Rz 9) wendet sich gegen die Feststellungen des Erstgerichts zur Interaktion des Users „B* F*“ mit den Mitarbeitern der Arztpraxis, vermag aber keine Zweifel an der diesbezüglich korrekten und nachvollziehbaren Beweiswürdigung zu wecken und seiner Argumentation zum gelungenen Wahrheitsbeweis zum Durchbruch zu verhelfen. Das Erstgericht konnte sich auf die Urkunde ./A in ON 2 sowie die glaubwürdigen Angaben der Antragstellerin, welche als Zeugin vernommen wurde (PS 2-8 in ON 27) stützen. Diese gab den Bericht ihrer Mitarbeiter glaubhaft und nachvollziehbar wieder. Insbesondere deckten sich ihre Angaben auch mit der Antwort auf die Bewertung von „B* F*“, welche zeitnah zum Vorfall verfasst wurde (./3 in ON 17). Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Mitarbeiter der Antragstellerin nicht die Wahrheit erzählt haben sollten. Die von der Antragsgegnerin gewünschte Ersatzfeststellung hingegen ist auch aus Sicht des Berufungssenats weder aus den Urkunden noch aus der Aussage der Antragstellerin abzuleiten. Die Argumentation, dass die unmittelbar nach dem Vorfall verfasste Bewertung der Wahrheit entsprechen würde, entbehrt einer Grundlage, kann die Antragsgegnerin doch den User nicht namhaft machen und sich nicht auf dessen (Zeugen-)Aussage stützen. Dabei ist ohne Relevanz, ob C* die Daten nicht herausgibt oder selbst gar nicht kennt, obliegt doch ihr die Beweislast für die Wahrheit der Behauptung des Users „B* F*“.
Auch die Ausführungen (auch als Berufung wegen Strafe geltend gemacht) zur mangelnden Tatbestandsmäßigkeit der Äußerung überzeugen nicht. Der objektive Tatbestand des § 111 Abs 1 StGB ist erfüllt, wenn jemand einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhalten beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung ist nach ständiger Rechtsprechung der Strafgerichte Tatfrage. Dabei ist auf die Maßfigur eines verständigen Medienkonsumenten abzustellen, an den sich die Äußerung nach Aufmachung, Schreibweise und Inhalt richtet. Dieses Verständnis der Medienkonsumenten wird in der Regel als notorisch angesehen und ist anhand des Gesamtzusammenhangs der Veröffentlichung, inklusive Überschriften und Bilduntertiteln zu ermitteln. Maßgeblich ist der Wortsinn der inkriminierten Äußerung, nicht ihr Wortlaut (Rami, WK-MedienG Präambel Rz 1/1 ff).
Gegenständlich hat das Erstgericht zum Sinngehalt der relevanten Äußerung festgestellt, dass die Antrag-stellerin eine äußerst schlechte, nämlich miserable Persönlichkeit aufweise und, obwohl sie Kinderärztin sei, ein an starken Schmerzen leidendes Kind trotz freier Kapazitäten mit einer Formalbegründung und ohne das Vorliegen sachlicher Gründe abgewiesen habe. Damit werde der Antragstellerin ein mit dem ärztlichen Berufsethos unvereinbares Verhalten vorgeworfen, das geeignet sei, die Antragstellerin in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Daraus zog das Erstgericht den rechtlichen Schluss, dass bereits die Bezeichnung der Antragstellerin als menschlich miserabel einen Wertungsexzess darstelle, der den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB erfülle, und auch nicht unter Berufung auf die zentrale Bedeutung des Themas Gesundheit relativiert werden könne. Der Wahrheitsbeweis zum tatsächlichen Geschehen sei nicht gelungen.
Diese Feststellungen begegnen keinerlei Zweifeln, als die vom User aufgestellte Behauptung nicht einmal im Kern wahr ist. Nach den überzeugenden Feststellungen soll nämlich die Antragstellerin, der das Verhalten ihrer Mitarbeiter zuzurechnen und dieses auf ihre Anordnungen zurückzuführen ist, trotz freier Kapazitäten ein unter starken Schmerzen leidendes Kind abgewiesen haben, weil es noch kein Patient sei, was menschlich miserabel sei. Für den Leser stellt dieses Vorgehen ein mit dem ärztlichen Berufsethos unvereinbares und unehrenhaftes oder gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten dar und kann die Antragstellerin in der öffentlichen Meinung herabsetzen. Der Wahrheitsbeweis für diese Behauptung ist nicht gelungen, vielmehr stellt die Äußerung einen Wertungsexzess dar. Kritik, die sich auf unbestrittene oder erwiesene Tatsachen stützt, ist nicht tatbildlich iSd § 111 StGB, solange kein Wertungsexzess vorliegt. Tatbestandsmäßig nach § 111 StGB sind lediglich solche Unwert-urteile, die kein wahres Tatsachensubstrat zur Grundlage haben oder die Grenzen des Tolerablen überschreiten; letzteres setzt voraus, dass die Äußerungen unverhältnismäßig überzogen sind und jedes Maß an Sachlichkeit vermissen lassen. Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf freie Meinungsäußerung sind Wertungsexzesse, das heißt durch ein überzogenes Werturteil ehrverletzende Kritik, formale Ehrenbeleidigungen, bei denen sich die Ehrverletzung schon aus der Form der Äußerung ergibt, und solche abfällige Werturteile, die wegen des Fehlens eines entsprechenden Sachverhaltssubstrats jenseits sachlicher Kritik liegen, tatbildlich nach § 111 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0075702). Mag der User auch festhalten, dass die „ärztliche Kompetenz laut anderen Beurteilungen sehr gut sein soll“, so überschreitet die Bezeichnung der Antragstellerin als menschlich miserabel wegen eines wahrheitswidrig geschilderten Vorfalls bei der beabsichtigten Terminvereinbarung die Grenze des Tolerablen.
Die Rechts- bzw Sanktionsrüge, gestützt auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b und c sowie Z 11 StPO, behauptet, dass keine entsprechender Antrag auf Löschung vorlag. Dies ist unrichtig (ON 2, 20, 27), die Antragstellerin begehrte korrekt (siehe Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG Praxiskommentar 4 § 33 Rz 13 ff) und verbunden mit den medienrechtlichen Anträgen die Löschung, dass das Gericht diese (fälschlich) auf § 36b MedienG gestützt hat, schadet nicht und war im Berufungsurteil zu korrigieren.
Letztlich liegt auch der mit der selben Argumentation wie in der Schuldberufung geltend gemachte Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) nicht vor, die vermissten Feststellungen zum gelungenen Wahrheitsbeweis entbehren jeglicher Grundlage, auf obige Ausführungen kann verwiesen werden.
Somit war in Stattgebung der Berufung der Antrag-stellerin spruchgemäß zu entscheiden.
Die Höhe der Entschädigung war nach Maßgabe des Umfangs, des Veröffentlichungswerts und der Auswirkungen der Veröffentlichung, der Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums, der Zahl der Endnutzer unter Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers zu bestimmen.
Die Löschungsanordnung sowie die Kostenentscheidung gründen auf den bezogenen Gesetzesstellen.