33R70/23s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke Nr 314089 über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 19.12.2022, WM 165/2021-2, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:
Der Antragsteller brachte in seinem Widerspruch vor, dass zwischen der jüngeren Marke und der älteren Marke Verwechslungsgefahr und Dienstleistungsgleichheit bestehe.
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr, insbesondere weil die Wortfolge „Der Kastellan“ in der jüngeren Marke nur eine untergeordnete, beschreibende Rolle spiele.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der jüngeren Marke hinsichtlich aller Dienstleistungen auf. Sie bejahte eine bildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der Marken; der Wiedererkennungswert der Wortfolge „Der Kastellan“ werde trotz der grafischen Ausgestaltung der jüngeren Marke nicht gänzlich in den Hintergrund gedrängt. Dadurch werde bei den beteiligten Verkehrskreisen die Vermutung geweckt, zwischen den beiden Anbietern bestehe eine Verbindung. Es sei daher zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr anzunehmen. Da die angebotenen Dienstleistungen zudem ident oder hochgradig ähnlich seien, müsste zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr ein besonders großer Abstand der Zeichen vorliegen, was aber nicht der Fall sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss abzuändern und den Widerspruch abzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
1.1 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (EuGH C-191/11 P, Yorma’s , Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool , Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua ; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 3 § 10 Rz 397 ff mwN).
Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Unterscheidungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C-39/97, Cannon/Canon , Rz 17; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu ).
Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN ; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at ; Koppensteiner , Markenrecht 4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C-39/97, Cannon/Canon , Rz 23; Koppensteiner aaO 117 mwN bei FN 108).
1.2 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts , Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1991, 93, quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y, Summer Splash ; ecolex 2003, 608, More ; RS0078944; C-342/97, Lloyd , Rn 26).
1.3 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu; 4 Ob 8/22p, THE CAMBRIDGE INSTITUTE ; 4 Ob 131/22a, Szigeti ). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C-251/95, Sabel/Puma, Rn 23).
1.4 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO ; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara ; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC ; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma , Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash ; ecolex 2003, 608, More ; RS0117324; RS0066753; C-120/04, Thomson life , Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts , Rn 21).
Nicht schützbare oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest ; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).
1.5 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; 4 Ob 199/18w, Granny‘s; 4 Ob 131/22a, Szigeti; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RS0079033 [T20, T26], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox ; 4 Ob 48/21v, Smoking ; 4 Ob 98/21x, KNABBER NOSSI ).
1.6 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die einander gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher aaO § 30 Rz 10 f mwN). Die Verwechslungsgefahr ist somit eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight ; RW0000786).
2. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken mit Blick auf die Dienstleistungen, die unter der jüngeren Marke angeboten werden, Verwechslungsgefahr besteht.
2.1 Nicht weiter strittig ist, dass die Dienstleistungen der beiden Marken aus der Klasse 41 größtenteils ident sind oder einander zumindest hochgradig ähneln. Dies macht zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr einen deutlichen Abstand der Zeichen erforderlich, den der Antragsgegner insbesondere in der gegenüber der älteren Wortmarke „Der Kastellan“ längeren Wortfolge „tempus operatur pro me / Franz Ludwig zu Peigarten / Der Kastellan“ sowie in den Bildelementen der jüngeren Marke sieht.
2.2 Zutreffend ist, dass die Wortfolge der älteren Marke zur Gänze in die jüngere Marke aufgenommen wurde. Das Argument des Antragsgegners im Rekurs, dass sie durch die weiteren Bestandteile der Wortbildmarke nur mehr ein – eine Tätigkeit oder einen Beruf – beschreibender Zusatz sei und eine untergeordnete Rolle spiele, überzeugt allerdings nicht.
2.2.1 Trotz der zusätzlichen Wort- und Bildbestandteile tritt die Wortfolge „Der Kastellan“ in der jüngeren Marke bereits nach dem Gesamteindruck nicht in den Hintergrund. Gegenüber dem lateinischen Satz „tempus operatur pro me“ ist sie und gegenüber dem Namen „Franz Ludwig zu Peigarten“ wirkt sie größer geschrieben. Sie hebt sich auch dadurch von den anderen Bestandteilen der Marke ab, dass sie sich im unteren Bereich zeilenmittig befindet und dass der Zeilenabstand zu „Franz Ludwig zu Peigarten“ größer ist als jener zwischen diesem Namen und den Bildelementen der Marke. Im Vergleich zum – nur mit Lateinkenntnissen verstehbaren – Satz „tempus operatur pro me“ und zum langen, etwas ungewöhnlichen Namen prägt sich die Wortfolge „Der Kastellan“ folglich am schnellsten ein.
2.2.2 Der Antragsgegner versteht unter der Wortfolge „Der Kastellan“ eine bloße Berufsbezeichnung oder Tätigkeitsbeschreibung und will daraus eine geringe Unterscheidungskraft der Wortfolge ableiten. Unstrittig ist (Seite 3 des Rekurses), dass es sich bei einem „Kastellan“ um einen mittelalterlichen Aufsichtsbeamten eines größeren Anwesens, zB einer Burg, eines Schlosses oder eines Palais handelt. Die Dienstleistungen, die unter der jüngeren Marke registriert wurden, lassen aber nicht erkennen, dass sie typischerweise von einem Vertreter dieses Berufsstands verrichtet wurden. Auch ist diese Berufsbezeichnung heutzutage wenig bis nicht mehr gebräuchlich oder gar unbekannt. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden daher mit dem „Kastellan“ nicht die Dienstleistungen der Klasse 41 in Verbindung bringen, was – wie die Rechtsabteilung schon zutreffend erkannt hat – für die Kennzeichnungskraft der Wortfolge spricht. Damit schlägt aber auch das Argument des Antragsgegners fehl, die jüngere Marke könnte gleichermaßen mit dem Zusatz „Der Zahnarzt“ versehen werden; gerade weil es sich dabei um eine eingängige Berufsbezeichnung handeln würde, wäre die Kennzeichnungskraft herabgesetzt und „Der Zahnarzt“ ein wesentlich schwächeres Zeichen als „Der Kastellan“ .
2.3 Dessen ungeachtet ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen. Er muss sich daher auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C-342/97, Lloyd , Rn 26; C-291/00, Slg 2003, I-2799, LTJ Diffusion , Rn 52; C-104/01, Orange , Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ). Das Rekursgericht hält in diesem Zusammenhang das Argument der Rechtsabteilung, dass die Übereinstimmungen für das Erinnerungsbild erfahrungsgemäß stärker prägend sind als die Unterschiede, für überzeugend.
2.3.1 Es ist davon auszugehen, dass der Geschäftsverkehr sich die in beiden Marken enthaltene Wortfolge „Der Kastellan“ gerade aufgrund ihrer Unterscheidungskraft stärker als die zusätzlichen Markenbestandteile einprägt, woraus bereits auf die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken zu schließen ist. Dafür reicht es – wie hier – schon aus, dass die ältere Marke im jüngeren Zeichen eine selbständige kennzeichnende Stelle behält, auch wenn sie darin nicht den dominierenden Bestandteil bildet (vgl C 120/04, Thomson Life , Rn 29 ff; Schumacher aaO § 10 Rz 486).
2.3.2 Damit kommt es entgegen den Ausführungen im Rekurs auf die Bild- und die weiteren Wortbestandteile der jüngeren Marke nicht an. Diese legen bei den maßgeblichen Verkehrskreisen vielmehr den Schluss nahe, dass die jüngere Marke eine Abwandlung oder Weiterentwicklung der älteren ist, wodurch insoweit jedenfalls auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr besteht (vgl Schumacher aaO Rz 383, 33 R 85/22w Genussländer/Genussland ). Mit Blick auf die größtenteils identen oder zumindest hochgradig ähnlichen Dienstleistungen würde der Durchschnittsverbraucher zudem davon ausgehen, dass diese von derselben Person oder demselben Unternehmen oder zumindest von wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbundenen Unternehmen angeboten werden (vgl 4 Ob 40/22v, GLÜCK ).
2.4 Zusammengefasst bedarf die Entscheidung der Rechtsabteilung daher keiner Korrektur.
3. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).
4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880; RS0112739), ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.