JudikaturOLG Wien

33R80/23m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Juli 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 307394 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 22.12.2022, WM 66/2020-4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:

Die Antragstellerin brachte in ihrem Widerspruch vor, zwischen ihrer älteren Marke und der jüngeren Marke der Antragsgegnerin sowie den angegebenen Waren und Dienstleistungen der Marke in der Klasse 36 bestehe Verwechslungsgefahr.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr. Die jüngere Marke unterscheide sich schon aufgrund der visuellen Gestaltung von der älteren. Prägend sei(en) nicht nur das Wort Team, sondern sämtliche Bestandteile. Die klangliche Betonung liege insbesondere auf dem Wort „Leben“. Der älteren Marke fehle es an der Unterscheidungskraft, weil ein durchschnittlicher Verbraucher das Wort Team nicht mit der Antragstellerin in Verbindung bringe.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marke hinsichtlich aller Waren und Dienstleistungen der Klasse 36 auf. Die Dienstleistungen seien teils ident, teils ähnlich. Die ältere, durchschnittlich kennzeichnungskräftige Marke sei vollständig in die jüngere Marke übernommen worden. Das in Großbuchstaben gehaltene Wort TEAM in der jüngeren Marke nehme einen besonders dominaten Platz ein und präge die Marke insgesamt. Die angesprochenen Verkehrskreise (der Durchschnittsverbraucher) betrachteten die jüngere Marke als Fortentwicklung der älteren. Verwechslungsgefahr liege daher vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss abzuändern und den Widerspruch abzuweisen.

Die Antragsstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (EuGH C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 17).

Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

Hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher aaO § 30 Rz 10 f mwN).

1.2 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt ( quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).

1.3 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779; Koppensteiner aaO 116). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C 251/95, Sabel/Puma).

1.4 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) .

Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).

1.5 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; 4 Ob 199/18w, Granny‘s ; 4 Ob 40/22v, Glück/Glück im Glas; 4 Ob 131/22a, Szigeti; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RS0079033 [T26]).

2.1 Dass die Waren der älteren und der jüngeren Marke größtenteils ident und im übrigen ähnlich sind, ist im Rekursverfahren nicht mehr strittig. Folglich wäre im Sinne der dargestellten Judikatur ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen.

2.1.1 Ein solcher deutlicher Abstand liegt nicht vor: Beide Marken enthalten das Wort Team. Darunter versteht man eine Gruppe von Personen, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten. Dass das Wort in der jüngeren Marke eine andere Bedeutung hätte als in der älteren behauptet auch die Antragsgegnerin nicht.

2.1.2 Klanglich besteht ein Unterschied in der Sprechweise darin, dass die jüngere Marke durch den zweiten, mehrsilbigen Bestandteil „fürs Leben“ mitgeprägt wird, der sich in der älteren Marke nicht findet. Anzunehmen ist jedoch, dass der Durchschnittsverbraucher diesen Teil des Marke in der Regel um Zeit zu sparen nicht aussprechen wird, sondern sich auf das prägnantere, kürzere „Team“ konzentriert (vgl T-460/11, Bürgerbräu [48]). Im übrigen zieht gerade das am Anfang stehende Wort die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers auf sich (vgl OLG Wien, 33 R 77/21t, Mobil/Mobil Petrol; 33 R 94/20s, EGON RESTAURANTS/ EGON TO GO ).

2.1.3 In visueller Hinsicht handelt es sich bei der älteren Marke um eine Wortmarke, bei der jüngeren hingegen um eine Wortbildmarke, bei der jedoch der Text gegenüber den grafischen Elementen (roter Hintergrund, stilisierter Pfeil) dominiert.

2.2 Das Widerspruchsverfahren kann nicht auf den Einwand gestützt werden, die ältere Marke habe keine Kennzeichnungskraft (4 Ob 40/22v, Glück/Glück im Glas; RW0000891). Damit ist zumindest von einer schwachen Unterscheidungskraft der älteren Marke auszugehen. Da sie vollständig Aufnahme in die jüngere Marke fand, ist im Sinne der dargelegten Judikatur zu prüfen, ob sie darin nur eine untergeordnete Rolle spielt. Das kann nicht erkannt werden: So ist etwa das Wort „TEAM“ einerseits durchgehend in Großbuchstaben gehalten, der Zusatz „fürs Leben“ hingegen – mit Ausnahme des „L“ – in Kleinbuchstaben. Andererseits ist auch die Größe der Buchstaben – wiederum mit Ausnahme des „L“ – des Zusatzes kleiner gehalten als jene des Wortes „TEAM“.

Demgegenüber ist das grafische Element bloß eine einfache Verzierung, die es nicht erlaubt, die jüngere von der älteren Marke zu unterscheiden (vgl EuG T-425/03, AMS [79]; OLG Wien, 33 R 43/22v, SCHATZI/Schatzi Salzburg ). Im wesentlichen besteht es nur aus einem roten Hintergrund, der einen Kontrast zur weiß gehaltenen Schrift herstellt; hinzu kommt ein stilisierter Pfeil. Ein wirklich eigenständiges Element, das eine zweifelsfreie Unterscheidung der Marken ermöglicht, stellt es nicht dar. Prägend ist vielmehr der Wortbestandteil und davon, wie bereits dargelegt, aufgrund der Schriftgröße und der verwendeten Großbuchstaben, das Wort TEAM.

Der übernommene Teil tritt damit nicht vollständig in den Hintergrund der jüngeren Marke. Für die Annahme der Verwechslungsgefahr reicht es schon aus, wenn die ältere Marke im jüngeren Zeichen eine selbständige kennzeichnende Stellung behält, auch wenn es darin nicht den dominierenden Bestandteil bildet (OLG Wien, 33 R 120/21s, Lux Bau ; Schumacher aaO Rz 486).

3. Zusammengefasst hat die Rechtsabteilung die Verwechslungsgefahr der Marken zutreffend bejaht und dem Widerspruch stattgegeben. Der Rekurs musste daher erfolglos bleiben.

4. Ein Kostenersatz findet im Widerspruchsverfahren nicht statt (§ 29b Abs 7 MSchG und § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG und § 59 Abs 2 AußStrG.

Der Entscheidungsgegenstand ist vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000 (vgl 4 Ob 66/18m ua).

6. Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen Verwechslungsgefahr vorliegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112739). Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG ist daher nicht zuzulassen.

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