3R37/23t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Guggenbichler und die Richterin Mag. a Klenk in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, FN **, **, **, vertreten durch Dr. Helfried Kriegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. B*, Rechtsanwalt, **straße **, **, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des C*, geb. am **, vertreten durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert EUR 45.000), über den Rekurs des Bundes, vertreten durch die Revisorin beim Oberlandesgericht Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21.02.2023, 33 Cg 22/21s-62, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Dem Erstgericht wird die Ergänzung des angefochtenen Beschlusses um eine Zahlungsaufforderung (§ 2 Abs 2 GEG) aufgetragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
Der Beklagte ist Masseverwalter in dem mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10.11.2020 zu AZ 5 S 92/20v eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des C*.
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 30.4.2021 eingebrachten und mit Schriftsatz vom 1.7.2021 (ON 15) verbesserten Klage die Herausgabe näher bezeichneter Kraftfahrzeuge und die Feststellung, dass ihr an diesen Fahrzeugen ein Aussonderungsanspruch zustehe. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung einer Konkursforderung von EUR 45.000.
Mit Beschluss vom 24.6.2021 (ON 7) bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a und c und Z 3 ZPO.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung.
Am 10.11.2021 brachte der Beklagte als Kläger gegen die Klägerin als Beklagte zu 33 Cg 65/21i des Handelsgerichts Wien eine auf die Anfechtung von Kaufverträgen und Herausgabe von Kraftfahrzeugen gerichtete Widerklage ein.
Mit Beschluss vom 12.11.2021 bewilligte das Erstgericht dem Beklagten als Kläger in jenem Verfahren die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a und c ZPO.
Der Beklagte beantragte für den Fall der Vernehmung des Schuldners die Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache (ON 20).
Mit Beschluss vom 18.3.2022 (ON 29) verband das Erstgericht beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Führend ist das Verfahren 33 Cg 22/21s.
Mit Beschluss vom 8.6.2022 (ON 33) bestellte das Erstgericht Mag. a D* zur Dolmetscherin für die arabische Sprache und lud diese zur mündlichen Streitverhandlung am 21.9.2022, die in der Folge auf den 24.1.2023 verlegt wurde (ON 45). Die Dolmetscherin nahm an dieser Verhandlung teil, verzeichnete mit Gebührennote vom selben Tag (ON 55) Gebühren von EUR 379 und beantragte deren Überweisung vor Rechtskraft des Gebührenbestimmungsbeschlusses.
Die Parteien und die Revisorin beim Oberlandesgericht Wien erhobenen keine Einwendungen gegen diese Gebührennote.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren der Dolmetscherin antragsgemäß mit EUR 379, verwies zur Begründung auf den Gebührenantrag, gegen den keine Einwendungen erhoben wurden (§ 39 Abs 3 Z 2 GebAG), wies den Rechnungsführer an, die bestimmten Gebühren vor Rechtskraft des Beschlusses vorschussweise aus Amtsgeldern auf das von der Dolmetscherin bekanntgegebene Konto zu überweisen und hielt fest, dass die Parteien diesen Betrag je zur Hälfte zu tragen haben, weil beide Beweisführer seien und die Amtshandlung in ihrem Interesse vorgenommen worden sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Bundes, vertreten durch die Revisorin beim Oberlandesgericht Wien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Erstgericht aufzutragen, den Beschluss um die Aufforderung zur Zahlung binnen 14 Tagen zu ergänzen, soweit der zahlungspflichtigen Partei keine Verfahrenshilfe gewährt worden sei.
Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
1. Gemäß § 8a JN entscheidet über Rechtsmittel gegen Entscheidungen über die Gebühren der Sachverständigen und Dolmetscher ein Einzelrichter. Darunter fällt nach stän- diger Rechtsprechung aber nicht die Entscheidung über die Ersatzpflicht der aus Amtsgeldern zu berichtigenden bzw berichtigten Kosten einer Amtshandlung gemäß § 2 Abs 2 GEG; sie wird als eine Entscheidung im Kostenpunkt ange- sehen (vgl RIS-Justiz RS0017282 [T6]; Musger in Fasching/Konecny³ § 528 ZPO Rz 68). Über den vorliegenden Rekurs ist daher in Senatsbesetzung zu entscheiden (vgl Dokalik/Schuster, Gerichtsgebühren 14 § 2 GEG E 111).
2. § 2 Abs 2 Satz 1 GEG idFd ZVN 2022, BGBl I Nr 61/2022 bestimmt:
„Sind in bürgerlichen Rechtssachen die Gebühren der Sachverständigen oder Dolmetscher (§ 1 Abs 1 Z 5 lit c) oder die Kosten einer den Betrag von 300 Euro übersteigenden sonstigen Amtshandlung aus Amtsgeldern zu berichtigen oder berichtigt worden, so hat das erkennende Gericht (der Vorsitzende) mit der Auszahlungsanweisung oder, wenn die Auszahlung nicht vom Rechtsprechungsorgan angeordnet wird, unverzüglich nach dieser Anweisung mit gesondertem Beschluss zu bestimmen, welche Partei in welchem Umfang diese Kosten nach Abs 1 zu ersetzen hat, und diese außer im Fall des vierten Satzes zur Zahlung binnen 14 Tagen aufzufordern, sofern die Kosten nach den bestehenden Vorschriften nicht endgültig vom Bund zu tragen sind. Gegen diesen Beschluss ist der Rekurs zulässig.
Wird dieser Beschluss vom Gericht nicht innerhalb von vier Wochen nach der Auszahlungsanweisung gefasst, so hat der Revisor eine Beschlussfassung zu beantragen. Soweit eine zahlungspflichtige Partei Verfahrenshilfe genießt, ist die Forderung gegen sie erst fällig, wenn sie zur Nachzahlung verpflichtet wird; wenn eine Partei solidarisch mit einer Verfahrenshilfe genießenden Partei haftet, ist ihr die Zahlung des gesamten Betrags aufzutragen. Wenn die Ersatzpflicht nach § 70 ZPO auf den Gegner überwälzt wird, so ist der Betrag diesem mit Zahlungsauftrag (§ 6a Abs. 1) vorzuschreiben.“
3. Diese Fassung ist auf Beträge anzuwenden, die nach dem 30.4.2022 bestimmt wurden (§ 19a Abs 20 GEG).
4. Falls einer Partei Verfahrenshilfe bewilligt wurde, ist – wie schon nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der ZVN 2022 – über die Ersatzpflicht nur dem Grunde nach zu entscheiden. In diesem Fall tritt die Fälligkeit erst ein, wenn die Partei zur Nachzahlung verpflichtet oder die Ersatzpflicht nach § 70 ZPO auf den Gegner überwälzt wird. Im ersten Fall erfolgt der Auftrag zur Zahlung mit dem Nachzahlungsbeschluss, im zweiten hat die Vorschreibung an den Gegner weiterhin mit Zahlungsauftrag nach § 6a Abs 1 GEG stattzufinden (ErlRV 1291 BlgNR 27. GP 33).
5. Im vorliegenden Fall wurde zwar beiden Parteien die Verfahrenshilfe bewilligt, dies jedoch nur in ihrer jeweiligen Rolle als Kläger im führenden und im verbundenen Verfahren über die Widerklage. Die Wirkung der Verbindung mehrerer Rechtsstreitigkeiten besteht allein darin, dass diese Rechtssachen gemeinsam verhandelt und, wenn die Verbindung nicht wieder aufgehoben wird, gemeinsam entschieden werden. Selbst wenn Klage und Widerklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, verlieren die beiden Verfahren dennoch nicht ihre Selbstständigkeit ( Höllwerth in Fasching/Konecny 3 § 187 ZPO Rz 33).
Der Beklagte genießt somit im führenden Verfahren, in dem der angefochtene Beschluss erging, keine Verfahrenshilfe.
6. Wie die Rekurswerberin zutreffend ausführt, kommt ein Nachholen der Zahlungsaufforderung gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 GEG durch das Rekursgericht nicht in Betracht, weil den Parteien damit eine Instanz genommen würde und der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig ist.
Vielmehr hat das Erstgericht die Zahlungsaufforderung nachzutragen und den angefochtenen Beschluss entsprechend zu ergänzen.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3, Z 5 ZPO).