33R47/23h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke V, hier wegen Feststellung gemäß § 20 Abs 3 MSchG, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 22.12.2022, AM 10232/2020-13, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragt die Eintragung der Wortmarke
V
(ein Buchstabe) für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 21, 29, 30, 31, 32, 35, 36, 37, 39, 41, 43 und 44.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte die Rechtsabteilung des Patentamts gemäß § 20 Abs 3 MSchG fest, dass das angemeldete Zeichen V für folgende Waren und Dienstleistungen nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG registrierbar sei.
Klasse 21: Becher;
Klasse 29: Fleischersatz; verarbeitetes Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und Pilze; Eier; Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte; Fertiggerichte oder Snacks überwiegend bestehend aus Fleischersatz, verarbeitetem Obst, verarbeitetem Gemüse, verarbeiteten Nüssen, verarbeiteten Hülsenfrüchten, verarbeiteten Pilzen, Eiern, Molkereiprodukten oder Ersatzprodukten für Molkereiprodukte; Suppen; Getränke auf Basis von Molkereiprodukten und deren Ersatzprodukte;
Klasse 30: Kaffee; Kaffeegetränke; Tee; Kakao; Kakaogetränke; Schokoladengetränke; Zucker; Brot, Brötchen; Gebäck, Kuchen, Torten, Kekse; Speiseeis; Eiscreme; Honig; gefüllte Brötchen; belegte Brote; Sandwiches; Schokolade; Fertiggerichte oder Snacks überwiegend bestehend aus verarbeitetem Getreide, Cerealien, Teigwaren oder Teig; Snacks überwiegend bestehend aus Schokolade; Cerealien; Müsli; Müslieriegel und Energieriegel; Süßwaren [Bonbons]; Schokoriegel und Kaugummi;
Klasse 31: frisches Obst, frisches Gemüse; Nüsse; frische Küchenkräuter; frische Pilze; lebende Pflanzen; natürliche Blumen;
Klasse 32: Biere; Mineralwässer; kohlensäurehältige Wässer; alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe für die Zubereitung von Getränken; Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Lebensmittel und Getränke;
Klasse 43: Verpflegung von Gästen; Verpflegung von Gästen in Cafes; Verpflegung von Gästen in Kantinen; Verpflegung von Gästen in Schnell-Imbiss-Restaurants [Snackbars].
Für die genannten Waren und Dienstleistungen werde der Einzelbuchstabe „V“ nur als allgemein informativer Hinweis verstanden, dass diese vegan oder vegetarisch seien, den Handel mit derartigen Produkten betreffen oder damit in engem Zusammenhang stehen. Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise gebe das Zeichen somit Auskunft über die Eigenschaften der vertriebenen Waren und/oder den Gegenstand der Dienstleistungen und werde nicht als Unternehmenshinweis wahrgenommen. In der Praxis habe sich „V“ als generelle Bezeichnung für vegetarische und vegane Produkte durchgesetzt. Die beteiligten Verkehrskreise seien daran gewöhnt, dass der Buchstabe Produkte als vegan oder vegetarisch ausweise. Der Buchstabe werde hinsichtlich der genannten Waren und Dienstleistungen nicht als individualisierender Unternehmenshinweis verstanden und könne ohne Verkehrsgeltungsnachweis nicht als Marke registriert werden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, hilfsweise wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung. Sie beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, dass die angemeldete Marke für alle Waren und Dienstleistungen in das österreichische Markenregister einzutragen ist, in eventu, die Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Weiterführung des Anmeldeverfahrens mit Rücksicht darauf, dass es der angemeldeten Marke für alle Waren und Dienstleistungen nicht an Unterscheidungskraft fehle, zurückzuververweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Von der Registrierung als Marke sind nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Eine Marke ist unterscheidungskräftig, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (RS0118396; 4 Ob 153/21k, My flat ; 4 Ob 49/14f, MyTaxi II ; C-104/00 P, Companyline ; C 108/97 Chiemsee ). Nur dann ist die Marke in der Lage, ihre Hauptfunktion zu erfüllen: Die Marke soll dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen mit anderer Herkunft zu unterscheiden und somit die Erfahrung zu wiederholen, falls sie positiv war, oder zu vermeiden, falls sie negativ war (RS0132933; 4 Ob 46/18w, Stimmung hoch zwei mwN).
2. Nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Werts, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Eine Marke ist beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und sie als beschreibenden Hinweis auf die Art der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verstehen (RS0109431). Dabei müssen die beteiligten Verkehrskreise „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten oder direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen“ herstellen können (C 326/01 P, Universaltelefonbuch , Rn 33; C-494/08 P, Pranahaus , Rn 29; 4 Ob 153/21k, My flat ). Lässt sich die Beziehung zwischen Ware und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung ebenso erlaubt, wie wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt (vgl RS0066456; RS0109431; RS0090799).
3. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d Marken-RL) sind gesondert zu prüfen. Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke aber jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft. Eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG (4 Ob 11/14t, Expressglas ; 4 Ob 153/21k, My flat ; 4 Ob 49/14f, MyTaxi II ; RS0132934).
4. Nach § 1 MSchG können auch Buchstaben Marken sein; Voraussetzung ist aber auch hier, dass das Zeichen geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Auch bei der Schützbarkeit einzelner Buchstaben als Marke kommt es daher darauf an, ob die beteiligten Verkehrskreise den Buchstaben für bestimmte Waren oder Dienstleistungen als Herkunftsbezeichnung wahrnehmen (vgl C-265/09 P, Buchstabe „α“; OLG Wien, 133 R 110/18a, T ).
5. Beteiligte Verkehrskreise sind alle Personen, die als Erwerber der Waren in Betracht kommen oder die Dienstleistung potentiell in Anspruch nehmen (4 Ob 78/18a; 4 Ob 49/14f, MyTaxi II ; Asperger in Kucko/Schumacher , Marken.Schutz³ § 4 Rz 61 mwN; vgl RS0079038).
6. Die Frage, ob ein Zeichen zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich ist, ist eine Rechtsfrage (RS0043658). Die Annahmen des Patentamts zum Verständnis der beteiligten Verkehrskreise vom Buchstaben „V“ können daher mit der hilfsweise erhobenen Beweisrüge nicht bekämpft werden.
7. Die Antragstellerin begehrt – soweit für die vorliegende Entscheidung relevant – die Eintragung der Marke für Becher sowie Waren und Dienstleistungen, die im weitesten Sinne mit vegetarischen Lebensmitteln und der Verpflegung von Gästen in Gaststätten zusammenhängen.
Der Buchstabe „V“ ist als Abkürzung für „vegetarisch“ oder „vegan“ gebräuchlich. Diese Eigenschaften sind jedenfalls für Lebensmittel relevant. Sie haben aber auch für die Beschreibung anderer Gegenständen, etwa Kleidung, Accessoires, Reinigungsmittel und Geschirr, Bedeutung. Die von den hier relevanten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise werden das Zeichen als Hinweis darauf wahrnehmen, dass ein Produkt ohne Fleisch oder überhaupt ohne tierische Zusätze hergestellt ist, oder solche Produkte hinter den angebotenen Dienstleistungen stehen. Da sich das Zeichen als durchaus gängige Abkürzung im Zusammenhang mit der Beschreibung der von der Antragstellerin angebotenen Waren und Dienstleistungen etabliert hat, eignet es sich nicht als Herkunftshinweis. Hinzu kommt, dass die zumindest im schriftlichen Sprachgebrauch etwa in Speisekarten übliche Verwendung des Zeichens „V“ ein Freihaltebedürfnis begründet.
Dem Patentamt ist zuzustimmen, dass die nicht markenmäßige Verwendung des Buchstabens „V“ als Hinweis auf eine vegetarische oder vegane Speise in Speisekarten darauf hindeutet, dass das Zeichen nicht geeignet ist, als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen zu dienen. Da die Antragstellerin das Zeichen für Lebensmittel im weitesten Sinne und Becher verwendet, findet die markenmäßige Verwendung gerade nicht in einem völlig anderen Kontext statt, als die Verwendung des Buchstabens als Bezeichnung von fleischlosen oder pflanzlichen Produkten.
Das Zeichen ist nicht unterscheidungskräftig.
8. Die Argumente der Antragstellerin überzeugen nicht:
8.1. Die vom EuGH in der Rechtssache C-265/09 P (Rz 14) zitierte Rechtsansicht des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft ist nicht einschlägig. Dieses hielt die Annahme des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM), das maßgebliche Publikum werde „möglicherweise“ im Buchstaben „α“ einen Hinweis auf die Qualität, eine Größenangabe oder eine Typ- oder Gattungsbezeichnung alkoholischer Getränke sehen, nicht für ausreichend, um eine fehlende Unterscheidungskraft zu begründen. Im vorliegenden Fall ist nicht bloß „möglicherweise“ davon auszugehen, dass das maßgebliche Publikum in „V“ einen Hinweis auf Produkteigenschaften sieht. Darüber hinaus steht fest, dass der Buchstabe regelmäßig als Abkürzung für die verwandten, zumindest Fleischlosigkeit ausdrückenden Produkteigenschaften „vegan“ oder „vegetarisch“ verwendet wird.
8.2. Dass die von der Antragstellerin dargestellte eigene Verwendung des Zeichens grundsätzlich markenmäßig sein kann, steht außer Zweifel. Trotzdem sprechen die dargestellten Gründe, konkret die zu erwartende Assoziation der beteiligten Verkehrskreise mit einer Produkteigenschaft, gegen die Unterscheidungskraft. Auch die in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin zitierte Entscheidung C-541/18, #darferdas? , ist nicht einschlägig. Dort hatte der EuGH die Frage zu beurteilen, ob ein Zeichen Unterscheidungskraft hat, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, es für die Waren oder Dienstleistungen als Herkunftshinweis zu verwenden, auch wenn es sich dabei nicht um die wahrscheinlichste Art der Verwendung des Zeichens handelt; die Antragstellerin hatte das genannte Zeichen für Bekleidungsstücke, insbesondere T Shirts, Schuhwaren und Kopfbedeckungen verwendet. Das DPMA hatte die Eintragung mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen; das Zeichen war auf der Vorderseite von T Shirts abgedruckt und werde laut DPMA vom Verkehr als bloße Formulierung einer Frage wahrgenommen. Das vorlegende Bundespatentgericht hielt auch eine Verwendungsform für möglich, die eine Wahrnehmung als Marke ermögliche, nämlich die Anbringung auf dem eingenähten Etikett auf der Innenseite von Kleidungsstücken; es sei in der Bekleidungsbranche üblich, die Marke sowohl auf der Außenseite der Ware als auch auf dem eingenähten Etikett auf der Innenseite anzubringen. Der EuGH kam zum Schluss, dass bei der Klärung der Frage, ob der Durchschnittsverbraucher ein Zeichen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft einer Ware oder Dienstleistung wahrnehmen kann, die wahrscheinlichen Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu berücksichtigen sind.
Im vorliegenden Fall ändert aber auch die wahrscheinliche markenmäßige Verwendung der angemeldeten Marke nichts daran, dass die angesprochenen Verkehrskreise „V“ mit einer Produkteigenschaft identifizieren werden.
9. Ob ein Begriff unterscheidungskräftig ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl 4 Ob 78/18a; 4 Ob 16/15d). Aus diesem Grund war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.