33R45/23i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke Brenneralm über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 12.12.2022, AM 269/2022-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke
BRENNERALM
für die Waren und Dienstleistungen der Klasse
43 Beherbergungsdienstleistungen für Reisende; Beherbergungsdienstleistungen im Rahmen von Feriencamps; Verpflegung von Gästen in Restaurants; Verpflegung von Gästen in Cafés; Dienstleistungen an der Rezeption auf dem Gebiet der Beherbergung von Gästen; Betrieb einer Bar; Dekorieren von Nahrungsmittel; künstlerisches Gestalten von Lebensmittel; Catering; Dienstleistungen von Hotels; Dienstleistungen von Motels; Dienstleistungen von Pensionen; Erteilung von Auskünften und Beratung in Bezug auf die Zubereitung von Speisen; Dienstleistungen eines Mietkochs; Dekorieren von Kuchen; Vermittlung von Gästezimmern; Vermietung von Kochgeräten; Vermietung vom Stühlen, Tischen, Tischwäsche, Gläsern; Verpflegung von Gästen in Schnellimbissrestaurants (Snackbars); Verpflegung von Gästen in Selbstbedienungsrestaurants; Zimmerreservierung; Zimmerreservierung in Hotels; Zimmerreservierung in Pensionen; Vermietung von Versammlungsräumen.
Die Rechtsabteilung wies den Antrag auf Eintragung der Wortmarke unter Anführung des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ab. In der Begründung verwies sie auf die in ihren Schreiben vom 5.9. und 28.9.2022 angegebenen Gründe. Laut diesen Schreiben sei das angemeldete Zeichen nicht unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Die „Brenneralm“ sei eine in Tirol gelegene Alm, welche einen Ausblick auf den Wilden Kaiser ermögliche und an ein Skigebiet anschließe. Die beteiligten Verkehrskreise sähen das Zeichen daher nur als informativen Hinweis auf den Erbringungsort für die Dienstleistungen der Klasse 43. Damit sei das Zeichen nicht geeignet, um als individualisierender Unternehmenshinweis zu dienen. Unterscheidungskraft sei auch deshalb nicht gegeben, weil es sich bei der Brenneralm um eine geografische Angabe handle. Die von der Antragstellerin zitierten Vorregistrierungen hätten keinen präjudiziellen Charakter, sodass auch daraus kein Recht auf die Eintragung des angemeldeten Zeichens abgeleitet werden könne.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Antragsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht die Antragstellerin geltend, die Begründung im Beschluss der Rechtsabteilung sei nicht ausreichend; die Verweise auf die Schreiben vom 5.9. und 28.9.2022 seien unzulässig.
Der damit angesprochene Begründungsmangel nach § 57 Z 1 AußStrG ist nach § 55 Abs 3 AußStrG von Amts wegen wahrzunehmen und wirkt absolut, führt also ohne Rücksicht darauf zur Aufhebung, ob sich der Mangel auf die Richtigkeit der Entscheidung ausgewirkt hat. Diese Konstruktion rückt die Bestimmung sehr stark in die Nähe der Nichtigkeitsgründe nach der ZPO. Abweichend von der ZPO ist die Aufhebung in diesem Fall aber nicht zwingend, sondern in das Ermessen des Rekursgerichts gestellt ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 57 Rz 4).
In der angefochtenen Entscheidung wird auf den für die rechtliche Beurteilung unter anderem maßgeblichen § 4 Abs 1 Z 3 MSchG verwiesen, sodass dem Beschluss der Rechtsabteilung im Zusammenhalt mit deren Schreiben vom 5.9. und 28.9.2022 das Vorhandensein einer überprüfbaren Begründung nicht abgesprochen werden kann. Außerdem toleriert das Rekursgericht regelmäßig die Praxis des Patentamts, in der Beschlussbegründung auf Amtsschreiben zu verweisen, die – wie hier jeweils mit der Möglichkeit zu einer Äußerung – den Parteien zugegangen sind (133 R 129/19x, Kulinarium Catering ; 33 R 38/20f, See Brillantly ; 33 R 24/22z ua, Gasteiner). Das rechtliche Gehör der Verfahrensparteien ist dadurch nicht eingeschränkt, weshalb das Rekursgericht auch hier keinen Anlass sieht, von der beschriebenen Praxis abzugehen.
2. Soweit die Antragstellerin moniert, das Patentamt hätte durch „äußerst leichte Internetrecherche“ den Umstand berücksichtigen müssen, dass auf der Brenneralm unter diesem Namen kein Gastronomiebetrieb mehr geführt werde und dort nun eine Lokalität namens „Jezz Alm Resort“ bestehe, woraus auf die Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens zu schließen sei, macht sie in Wahrheit einen sekundären Feststellungsmangel geltend, der im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln ist.
3. Im Rahmen der Rechtsrüge argumentiert die Antragstellerin, dass eine indirekte Bezugnahme im zu schützenden Wort auf die angebotenen (Dienst-)Leistungen für die Qualifizierung als Marke nicht schaden könne.
3.1. Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933, RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C-108/97, Chiemsee ; C-104/00 P, Companyline ; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (vgl RS0066749; Koppensteiner , Markenrecht 4 82), und zwar für die Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 4 Rz 53 ff). Maßgeblich ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Inland, in der Regel also der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren und Dienstleistungen (vgl Asperger aaO Rz 64-65; Koppensteiner aaO 83).
3.2. Bei Wortmarken bejaht die Rechtsprechung die Unterscheidungskraft nur bei frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörtern (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644).
3.3. Nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sind zudem insbesondere solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Ware oder Dienstleistung dienen können. Ein Zeichen ist nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (vgl RS0066456; RS0109431). Das Registrierungshindernis besteht schon dann, wenn das Zeichen in nur einem der angesprochenen Verkehrskreise als beschreibender Hinweis auf die bezeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden wird, auch wenn diese Ansicht in anderen Verkehrskreisen nicht geteilt wird (4 Ob 59/95, New Yorker ; 4 Ob 77/15z, Amarillo ; 4 Ob 126/15f, Bukhara ; 4 Ob 171/22h, Gasteiner ). Nach der Entscheidung des EuGH zu C-108/97 und C 109/97, Chiemsee , ist nicht nur die Eintragung solcher geografischer Bezeichnungen als Marken verboten, die Orte bezeichnen, die von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht werden, sondern auch solcher geografischer Bezeichnungen, die zukünftig von den betroffenen Unternehmen als Herkunftsangaben für die betreffende Warengruppe verwendet werden können (vgl auch 4 Ob 126/15f, Bukhara ).
3.4. Eine geografische Bezeichnung ist daher dann von der Registrierung als Marke ausgeschlossen, wenn sie den beteiligten Verkehrskreisen bekannt ist und im Geschäftsverkehr als Herkunftsangabe aufgefasst werden kann, weil die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen dem Ort bzw dem Gebiet und dem bezeichneten Produkt herstellen und naheliegend annehmen, dass das Produkt in engerer Bindung dazu steht. Nur dann, wenn die geografische Bezeichnung ausschließlich oder doch so überwiegend den Charakter einer Phantasiebezeichnung hat, dass die daneben noch vorhandene geografische Bedeutung ganz zurücktritt, ist sie dem markenrechtlichen Schutz zugänglich (vgl 4 Ob 152/19k, Sophienwald II ; 4 Ob 45/04b, St. Zeno ). Als Maßstab für die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise abzustellen, wozu nicht nur die aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, sondern auch der Fachhandel für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen zählen. Aus diesem Grund kann bereits die Kenntnis eines relativ kleinen Teils aller beteiligten Verkehrskreise einer Markeneintragung entgegenstehen (vgl 4 Ob 126/15f, Bukhara ; 4 Ob 152/19k, Sophienwald II ).
3.5. Bei Dienstleistungen ist zwar der Ort der Erbringung aus Sicht der Verbraucher beliebig, das ist aber bei touristischen oder gastronomischen Dienstleistungen oder bei der Assoziation eines Orts mit einer besonderen Qualität anders ( Ingerl/Rohnke , MarkenG³ § 8 Rz 236). Durch die Verbindung zwischen dem Markenwort und den Waren oder Dienstleistungen können geografische Angaben beim Konsumenten positiv besetzte Vorstellungen über die Herkunft der Waren und Rohstoffe oder der Personen, die die Dienstleistungen erbringen, erwecken. Kommt eine geografische Herkunft nicht in Frage, kann die Ortsangabe unter Umständen als werbemäßige Anpreisung der Unterscheidungskraft entbehren. Es genügt für die Schutzausschließung gemäß § 4 Abs 1 Z 4 MSchG, dass eine Ortsbezeichnung von einer Art ist, welche die Vorlieben der Verbraucher beeinflussen kann, zB wenn eine ideelle Beziehung zwischen den bei der Markenanmeldung geoffenbarten Waren oder Dienstleistungen und dem Ort besteht, wenn vom Nimbus eines (bekannten) Orts profitiert wird ( Newerkla in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ Rz 284 ff; OLG Wien 33 R 14/21b, Oberpinzgau ).
3.6. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 4 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (C-304/06 P, Eurohypo ). Die Unterscheidungskraft fehlt einem Zeichen aber dann, wenn es die maßgebenden Verkehrskreise als Information über die Art der mit ihm gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft. Eine beschreibende Marke im Sinne von § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (vgl 4 Ob 11/14t, Expressglass ; OLG Wien 33 R 24/22z ua, Gasteiner , jeweils mwN).
3.7. Vor diesem Hintergrund erfüllt das Zeichen „Brenneralm“ jene Kriterien iSd § 4 Abs 1 Z 3 und 4 MSchG, die es von seiner Registrierung ausschließen. Es enthält zwar keine beschreibende Aussage über die Waren und Dienstleistungen, für die es angemeldet wurde. Nach der – vom Rekursgericht geteilten – Einschätzung des Patentamts kann aber vernünftigerweise erwartet werden, dass das Wort „Brenneralm“, das der Name einer in Tirol gelegenen Alm ist (was im Rekurs nicht bestritten wird), als Herkunftsbezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klasse 43 dient (vgl OLG Wien 33 R 14/21b, Oberpinzgau ). Die beteiligten Verkehrskreise – touristisch aktive Endverbraucher ebenso wie Geschäftskunden (zB Lieferanten) – werden mit dem Zeichen gastronomische Verpflegungs und Beherbergungsdienstleistungen in Verbindung bringen, wie sie in alpinen Regionen typischerweise erbracht werden. Dies entspricht im Übrigen dem Standpunkt der Antragstellerin, die selbst vorbringt, es sei „übliche Verkehrsauffassung“, dass „man auf einer Alm was konsumieren“ könne (vgl Stellungnahme ON 3). Daher geht auch ihr Einwand ins Leere, das Patentamt hätte den Umstand, dass auf der Brenneralm kein Gastronomiebetrieb dieses Namens, sondern eine Lokalität namens „Jezz Alm Resort“ geführt werde, nicht berücksichtigt. Schließlich ist daraus wiederum abzuleiten, dass die „Brenneralm“ weiterhin als Erbringungsort für die beanspruchten Dienstleistungen gesehen werden kann. Die Frage eines allfälligen damit im Zusammenhang stehenden sekundären Feststellungsmangels stellt sich folglich gar nicht.
4. Die von der Antragstellerin für ihren gegenteiligen Standpunkt zitierten Beispiele von eingetragenen Marken (ua „AUSZEITALM“, „ÜBERGOSSENE ALM“, „EDELWEISS ALM“, „SCHNITZELALM“, aber auch „Burger King“, „KFC“ oder „Asia WoC“ uva) stehen der Rechtsansicht des Rekursgerichts schon deshalb nicht entgegen, weil Markeneintragungen grundsätzlich keine präjudizielle Wirkung für andere Verfahren entfalten (vgl RS0125405 [T4]; OLG Wien 33 R 24/22z ua, Gasteiner mwN).
5. Die Beurteilung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft wirft im Einzelfall keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf (vgl RS0111880). Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.