JudikaturOLG Wien

2R181/22k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Urheberrecht
25. April 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Dallinger (Vorsitzender), den Richter Mag. Hofmann und den Kommerzialrat Mag. Sertic in der Rechtssache der klagenden Partei M***** , vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz, M.B.L.-HSG, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. U***** und 2. U***** , beide vertreten durch Stolitzka Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert EUR 125.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. Oktober 2022, 39 Cg 22/22m-38, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, die wie folgt bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen:

der erstbeklagten Partei EUR 1.860,81 (incl EUR 310,14 [österreichische] USt);

der zweitbeklagten Partei EUR 1.845,30 (incl EUR 294,63 [deutsche] USt).

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Die Erstbeklagte vertreibt den Film „Yesterday“ an österreichische Kinos. Der Zweitbeklagten obliegt der Verkauf, der Verleih und die sonstige Nutzung der Rechte an diesem Film im privaten und nichtkommerziellen Bereich im österreichischen Videomarkt. Zu Beginn entdeckt darin die Hauptfigur, ein bislang erfolgloser Musiker, dass er als Einziger die Beatles und deren Songs kennt, gibt sie als seine Eigenen aus und steuert dadurch seinem Aufstieg zum Weltstar entgegen.

Der Kläger hat bereits früher einen Text mit dem Titel „Here comes the sun“ veröffentlicht (am 13.10.2011 auf der Website „Make'n Movies“ ). Zu dessen Beginn findet sich die Hauptfigur, ein unbedeutender Musiker, in einer Welt, in der es die Beatles nie gab, in der die Menschen nie von ihnen und ihren Songs gehört haben. Er wird ein Star mit all diesen Songs, die er auswendig kennt, und von denen alle glauben, dass er sie geschrieben habe.

Der Kläger macht die Verletzung seiner Urheberrechte geltend und begehrt von den Beklagten

1. zu unterlassen, in Österreich Werkstücke, Vervielfältigungen und/oder Bearbeitungen des Werkes des Klägers bzw Ausschnitte dieses Werkes, insbesondere in Form des Filmwerkes „Yesterday“ (2019) anzubieten, zu vertreiben, öffentlich zur Verfügung zu stellen, zu im- oder exportieren und/oder sonst zu verbreiten, zu senden, zu vermieten, zu verleihen und/oder zu verkaufen, insbesondere auch im Internet und/oder über Streaming und/oder auf DVD und/oder sonstigen Datenträgern und/oder diese Rechte Dritten einzuräumen, insbesondere zum Streaming und/oder Downloads des Filmwerkes;

2. sämtliche noch in ihrer Verfügungsmacht stehenden, gegen die in Pkt 1. formulierte Unterlassungspflicht verstoßenden Gegenstände und/oder Daten zu vernichten und/oder zu löschen und die notwendigen Schritte zu setzen, damit eine weitere Verbreitung in Österreich unterbleibt, insbesondere über öffentliche Aufführungen, Streaming, Download, DVDs und/oder sonstige Datenträger oder Verbreitungsarten;

3. vollständige Auskunft zu erteilen und vollständige und nachvollziehbare Rechnung zu legen (dies unter näher dargelegten Modalitäten);

4. für Eingriffe in Österreich (der Höhe nach unter Vorbehalt der Ergebnisse zu Punkt 3.) ein doppeltes angemessenes Entgelt bzw Schadenersatz zu leisten, in eventu ein angemessenes Entgelt zu leisten;

5. Urteilsveröffentlichung zu 1. auf näher dargelegte Weise.

Die Beklagten bestritten – soweit für das Berufungsverfahren relevant – den Werkcharakter des Klagstextes. Es handle es nur um eine nicht schutzfähige Idee. Auch gebe es erhebliche Unterschiede etwa im Film zum (letztlich) uneigennützigen Protagonisten bzw im Klagstext zur Befürchtung der Hauptfigur, am vierzigsten Geburtstag ebenso wie John Lennon ermordet zu werden.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es traf die auf Seiten 3 bis 6 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst aus, der Klagstext enthalte nur eine Art Grundgerüst und damit nur eine nicht schutzfähige Idee, aber kein Werk im Sinne des § 1 Abs 1 UrhG. Überdies bestehe eine bedeutende Differenz zwischen der Geschichte des Klagstextes und der Filmhandlung. Beispielsweise erkläre der Kläger nicht, warum sich nur die Hauptfigur an die Beatles erinnere, und komme die mögliche Ermordung im Film nicht vor. Selbst wenn dem Text Werkcharakter zukäme, wäre der Film daher jedenfalls ein davon unabhängiges anderes Werk.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen Aktenwidrigkeit, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Als aktenwidrige dislozierte Feststellung bekämpft wird jene Passage im der rechtlichen Beurteilung gewidmeten Urteilsabschnitt, wonach „auch nach seiner [des Klägers] laienhaften Auffassung also noch nicht viel vor[lag]. Korrespondierend dazu lud auch Make‘n Movie nur dazu ein, Ideen online zu stellen, Ideen für einen Film oder ein Drehbuch“.

Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden (RS0043347).

Bei der angegriffenen Passage handelt es sich um Wertungen. Dass das Erstgericht an unzutreffender Stelle eine konkrete Tatsachenfeststellung hätte nachtragen wollen, kann nicht erkannt werden. Eine Aktenwidrigkeit scheidet daher aus.

Zur Beweisrüge :

Bekämpft wird der unterstrichene letzte Halbsatz der nachfolgenden Feststellung: Der Film Yesterday ist eine romantische Musikkomödie aus dem Jahr 2019, bei der Danny Boyle Regie führte und Richard Curtis das Drehbuch Yesterday schrieb, basierend auf einer Geschichte von Jack Barth und Curtis .

Anstelle des Unterstrichenen soll ersatzweise treten: „Für das Drehbuch und damit zentral für das Filmwerk wurde das Werk des Klägers übernommen“.

Um eine Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber (unter anderem) zum einen angeben, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, sowie zum anderen, welche Feststellung aufgrund richtiger Beweiswürdigung (an deren Stelle) zu treffen gewesen wäre (stRsp, RS0041835 T5).

Ob im Drehbuch ein fremdes „Werk übernommen“ ist, kann allerdings nicht mittels bloßer (Ersatz-)Feststellung auf Tatebene, sondern nur durch entsprechende Wertungen mittels rechtlicher Schlussfolgerungen beurteilt werden. Mangels tauglicher Ersatzfeststellung geht die Beweisrüge daher jedenfalls fehlt.

Das Berufungsgericht legt daher die erstgerichtlichen Feststellungen im so bezeichneten Urteilsabschnitt als durch die geltend gemachten Berufungsgründe nicht berührte Ergebnisse der Verhandlung und Beweisführung seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).

Zur Rechtsrüge :

Der Berufungswerber argumentiert, er habe eine vollständige, ausgefeilte Geschichte geschaffen, der sehr wohl Werkcharakter zukomme, und liege sehr wohl ein Eingriff in deren schützbare Merkmale vor. Hiezu ist auszuführen:

Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes ist nicht der dem Werk zugrunde liegende, noch ungeformte Gedanke als solcher, sondern nur die eigenpersönliche körperliche Formung und Festlegung einer schöpferischen Idee (RS0076830 T1).

Eine solche bloße Idee ist es, dass weltberühmtes Liedergut – auf dem Gebiete der Populärmusik geradezu naheliegend die hier in Rede stehende Gruppe Beatles und deren Songs – irgendwie kollektiv in Vergessenheit gerate, nur ein einziger Musiker davon ausgenommen sei und dieser nunmehr entsprechendes Verwertungspotential vorfinde. Urheberrechtlicher Schutz könnte dem Kläger daher nur insoweit zukommen, als die beiden Schaffensprodukte in der konkreten Ausarbeitung dieser Grundidee übereinstimmen.

Der Text des Klägers lautet im Weiteren (deutsche Übersetzung):

„[...] Während er zu einer Ikone wird, bemerkt er, dass viele Dinge, die die Beatles durchgemacht haben, insbesondere John Lennon, auch er durchmacht. In diesem Moment wird ihm klar, dass, wenn sich die Situation weiter so entwickelt, irgendwann die Möglichkeit besteht, dass jemand ein Attentat auf ihn verüben wird. Ist es das wert... Ist die Chance, den Menschen diese Lieder vorzustellen, wert, sein Leben dafür zu geben? Sein größter Auftritt ist für seinen vierzigsten Geburtstag geplant … Am 8. Dezember, in New York. Wie wird er sich entscheiden, auftreten oder nicht auftreten? Die letzte Szene. Er kommt auf eine Bühne“.

In der konkreten Ausarbeitung des Klägers dominiert somit die Parallelität der Ereignisse mit tragischem Ende eines damaligen realen Musikers und der daraus folgende Konflikt der nunmehrigen fiktiven Hauptfigur, an einem bestimmten Tag weiterhin eine solche Parallelität bis hin zur allfälligen eigenen Ermordung zu riskieren.

Die konkrete beklagtenseitige Ausarbeitung unterscheidet sich davon grundlegend (zur ausführlichen Inhaltsdarstellung siehe S 5 bis 6 der Urteilsausfertigung); vor allem geht es um den Konflikt der Hauptfigur, zum Preis des Bruches mit der Liebesbeziehung die Plagiate für eine Starkarriere auszunutzen oder hierauf zugunsten eines erfüllten Privatlebens zu verzichten.

Der Kläger hat seine Grundidee demnach auf eine Weise ausgearbeitet, dass seine – allenfalls urheberrechtlich schutzfähigen – Konkretisierungen von der beklagtenseitigen konkreten Umsetzung in Film und Drehbuch diametral abweichen. Das Erstgericht hat die geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche daher zutreffend verneint, sodass die Berufung erfolglos bleiben musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Da die Zweitbeklagte ihren Sitz in Deutschland hat, war für ihren Hälfte-Kostenanteil lediglich die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer (19 %) zuzusprechen (vgl RS0114955 T10, T12).

Der Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO folgt der Bewertung der klagenden Partei; jener nach Z 3 leg cit beruht darauf, dass keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen war.

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