JudikaturOLG Wien

3R44/23x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. April 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Guggenbichler und die Richterin Mag. a Klenk in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Gerald Göllner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 31.600, sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27.2.2023, 21 Cg 57/22a 13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit EUR 2.723,52 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten EUR 453,92 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten EUR 31.600, für im Auftrag der Beklagten von Dezember 2021 bis April 2022 ausgeführte Schlosserarbeiten.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe die Leistung nicht wie vereinbart binnen vier Monaten, sondern mit erheblichem Verzug erst nach sechs Monaten fertiggestellt. Die Beklagte habe daher Pönaleforderungen von Wohnungskäufern in Höhe von EUR 12.500, und von EUR 14.000, begleichen müssen sowie bei einem anderen Bauvorhaben aufgrund eines Leistungsverzugs der Klägerin eine weitere Pönaleforderung von EUR 16.000, . Die Summe der Pönaleforderungen übersteige den Klagsbetrag, weshalb die Beklagte der Klägerin keine Zahlung schulde.

Das Erstgericht führte am 7.12.2022 die vorbereitende Tagsatzung durch und am 13.1.2023 sowie am 25.1.2023 zwei Tagsatzungen zur Beweisaufnahme. In all diesen Tagsatzungen war die Beklagte durch den BV Mag. C* D* vertreten.

Zu Beginn der Tagsatzung vom 25.1.2023 fragte der Beklagtenvertreter Mag. D* laut dem Protokoll, ob er die (FFP2 )Maske abnehmen dürfe. Dies wurde ihm „angesichts der Maskenpflicht im Gebäude und der Praxis der Richterin, mit Maske zu verhandeln, nicht gestattet“. Dr. D* erklärte daraufhin, „somit den Verhandlungssaal zu verlassen“; „es sei der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht, weil dem BV das Recht vor Gericht zu verhandeln unrechtmäßig verwehrt worden sei“. Unmittelbar danach verließ der BV Mag. D* den Gerichtssaal. Die Erstrichterin führte daraufhin die weitere Beweisaufnahme durch und schloss die Verhandlung.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem gesamten Klagebegehren Folge.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Die Klägerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Beklagte macht den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend. Ihrem Vertreter sei am Beginn der letzten Tagsatzung verwehrt worden, die FFP2 Maske im Verhandlungssaal abzunehmen. Eine gesetzlich normierte Verpflichtung zum Tragen einer FFP2 Maske im Gerichtssaal habe nicht bestanden, sodass die Aufforderung der Richterin, eine FFP2 Maske zu tragen, unrechtmäßig erfolgt sei. Die Verhandlung sei dann ohne den Beklagtenvertreter fortgesetzt worden, sodass dieser weder Anträge noch Fragen an die Zeugen habe stellen können.

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO liegt nur dann vor, wenn folgende Voraussetzungen zutreffen: a) ein ungesetzlicher Vorgang, der b) einer Partei, c) die Möglichkeit nimmt, d) vor Gericht zu verhandeln. Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen dann liegt der Nichtigkeitsgrund nicht vor (RS0042202). Es geht dabei um den unrechtmäßigen Ausschluss einer Partei vom rechtlichen Gehör. Der Grundsatz des Parteiengehörs fordert allerdings nur, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, was der Verfolgung eines von ihr erhobenen Anspruchs oder der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich ist (RS0006048).

Laut dem Verhandlungsprotokoll hat die Erstrichterin dem Beklagtenvertreter nicht gestattet, die FFP2 Maske im Verhandlungssaal abzunehmen. Dem Protokoll der Tagsatzung vom 25.1.2023, ON 10, das gemäß § 215 Abs 1 ZPO vollen Beweis über den Verlauf und den Inhalt der Verhandlung liefert, ist allerdings nicht zu entnehmen, dass die Erstrichterin dem Beklagtenvertreter untersagt hätte, an der Verhandlung teilzunehmen, ja noch nicht einmal dass sie ihm Derartiges angedroht hätte, sollte er sich weigern, die FFP2 Maske aufzubehalten. Laut dem Protokoll war es der Beklagtenvertreter, der von sich aus und ohne eine entsprechende Aufforderung oder Anweisung durch das Gericht den Verhandlungssaal verlassen hat, offenbar bloß weil ihm nicht gestattet worden war, die FFP2 Maske (die er bis dahin getragen hat) abzunehmen.

Damit fehlt schon die Voraussetzung c) des geltenden Nichtigkeitsgrundes, weil dem Beklagtenvertreter keineswegs die Möglichkeit genommen war, vor Gericht zu verhandeln. Das Parteiengehör der beklagten Partei war gewahrt, stand ihr doch (im Sinne des RS0006048) durchaus ein Weg offen, Vorbringen zu erstatten und Zeugen zu befragen; der Beklagtenvertreter hätte ja einfach die FFP2 Maske auflassen können (wie er es laut dem Vorbringen in der Berufungsbeantwortung in den beiden Tagsatzungen davor auch getan hat).

Die Nichtigkeitsberufung der Beklagten ist somit nicht berechtigt, sie ist daher mit Beschluss (§ 473 Abs 1 ZPO) zu verwerfen (vgl § 474 Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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