JudikaturOLG Wien

3R16/23d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. März 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin MMag. a Pichler und die Sprengelrichterin Dr. in Maier in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH Co KG , FN **, **, vertreten durch Mag. Gerhard Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C* GmbH , FN **, **, D*, vertreten durch die Stossier Oberndorfer Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wels, wegen zuletzt EUR 200.000,-- s.A., über den Rekurs der beklagten Partei gegen die im Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21.12.2022, GZ: 33 Cg 60/21d-27, enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse: EUR 2.061,06), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschl uss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte die Zahlung von zuletzt EUR 200.000,-- s.A. aus Anfechtungsansprüchen gegen die Beklagte, die die Klägerin vom Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der E* AG, FN **, erworben hat.

Die Beklagte bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin, die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der gegenständlichen Zahlung an die Beklagte und die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin. Sie selbst habe weder Kenntnis noch fahrlässige Unkenntnis von einer allfälligen Benachteiligungsabsicht gehabt.

In der letzten Tagsatzung vom 29.9.2022 erhob der Klagevertreter Einwendungen gegen die Gebührennote der Beklagten. Für die Verhandlungen am 21.2. und 29.9.2022 bestehe kein Anspruch auf den doppelten Einheitssatz, weil die Beklagte ihren Sitz in Wien habe und sie sich auch eines ortsansässigen Anwalts für das Einschreiten in diesem Verfahren hätte bedienen können (ON 22.4, S. 28).

Der Beklagtenvertreter erwiderte, dass die Beklagte ihren Sitz in Wien habe, jedoch die Gesellschafter und die Geschäftsführer der Beklagten ihren Wohnsitz in Wels bzw. Marchtrenk haben und die Beauftragung eines H* Rechtsanwalts für die Beklagte viel aufwendiger wäre als die Konsultierung eines in der Nähe residierenden Anwalts (ON 22.4, S. 28).

Mit dem im Kostenpunkt angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab und sprach der Beklagten einen Kostenersatz in Höhe von EUR 10.548,36 (darin EUR 1.758,06 USt) zu.

Zu seiner Kostenentscheidung führte das Erstgericht aus, dass die von der Beklagten beantragten Kosten über rechtzeitige Einwendungen des Gegners (§ 54 Abs 1a Satz 2 ZPO) um EUR 2.061,06 brutto zu kürzen seien, weil für die Tagsatzungen vom 21.2.2022 und 29.9.2022 nur der einfache Einheitssatz gebühre. Die Beklagte habe ihren Sitz am Gerichtsort. Die Tatsache, dass die Beauftragung eines H* Rechtsanwalts für die in und um Wels wohnhaften Organe und Gesellschafter aufwendiger gewesen wäre, liege ausschließlich in der Sphäre der Beklagten und rechtfertige keine Kostenersatzpflicht der Klägerin. Der Beklagten wäre es zumutbar gewesen, sich mit ihrem Rechtsanwalt per Telefon- oder Videokonferenz zu besprechen. Der Geschäftsführer der Beklagten, Dr. I*, sei wegen der gegenständlichen Liegenschaft ohnedies regelmäßig in Wien. Umstände, die nach § 23 Abs 5 RATG den Anspruch auf den doppelten Einheitssatz rechtfertigten, seien daher weder behauptet noch bescheinigt worden.

Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung abzuändern, sodass ihre Kosten mit EUR 12.609,42 (darin EUR 2.101,57 USt) bestimmt werden. Der doppelte Einheitssatz für Rechtsanwälte, die ihren Kanzleisitz nicht am Ort des Gerichts haben, sei vom Prozessgegner zu ersetzen, wenn die Partei dafür besondere Gründe geltend mache. Der Beklagtenvertreter habe am Schluss der mündlichen Verhandlung solche Gründe geltend gemacht. Der Umstand, dass sowohl die Geschäftsführer als auch die Gesellschafter einer in Wien ansässigen Gesellschaft ihren Wohnsitz in Wels bzw. Marchtrenk haben, sei als „besonderer Grund“ für die Bestellung eines Rechtsanwalts aus dem Einzugsgebiet Wels zu klassifizieren. Aufgrund des Streitwerts von EUR 200.000,-- sei es logisch, dass die Beteiligten einen Rechtsanwalt beauftragen wollen, mit dem sie kurzfristige Fragen schnellstmöglich persönlich besprechen können. Telefon- und Videokonferenzen ersetzen das persönliche Gespräch nicht, zumal es immer noch Personen gebe, die mit diesen technischen Interaktionsmöglichkeiten nicht so vertraut seien. Es sei nicht gesichert, dass ein in Wien ansässiger Rechtsanwalt dem Geschäftsführer an den Tagen seiner ** immer terminlich zur Verfügung gestanden wäre. Video- und Telefonkonferenzen sowie die Hin- und Rückreise nach Wien seien den Organen und Gesellschaftern der Beklagten nicht zumutbar. Der Beklagten dürfe die freie Anwaltswahl über eine zu engstirnige Auslegung des Kostenrechts nicht verwehrt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt.

1. Für Verhandlungen an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei kann ein Rechtsanwalt nach § 23 Abs 5 RATG den doppelten Einheitssatz verrechnen. Gemäß § 41 Abs 3 1. Satz iVm Abs 1 ZPO hat das Gericht auch hinsichtlich der Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwalts, der nicht am Gerichtsort ansässig ist, unter Würdigung aller Umstände zu beurteilen, ob dies zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Nach der Rsp sind die Mehrkosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nur dann zu ersetzen, wenn die Partei ihren Wohnsitz oder Sitz nicht am Gerichtsort hat oder wenn besondere Gründe für die Beiziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts vorliegen (RS0097384; RS0036203; Klauser/Kodek , JN – ZPO 18 § 41 ZPO E 159 ff). Solche Gründe liegen vor, wenn etwa die Lage des Rechtsstreits und die Höhe des Streitwerts die Bestellung eines Anwalts des besonderen Vertrauens der Partei rechtfertigen oder ansonsten nach den Umständen des Falls die Bestellung des auswärtigen Anwalts zweckmäßig erscheint. Solche wichtigen Umstände sind zB eine im Vorfeld des Prozesses stattgefundene eingehende Befassung dieses Anwalts mit der Streitsache, die Kenntnis sonstiger interner, für den Prozess bedeutsamer Verhältnisse der Partei oder ein Sachverhaltskomplex, der mehreren Prozessen an verschiedenen Gerichtsorten zugrunde liegt ( Obermaier , Kostenhandbuch 3 Rz 1.260 mwN; Klauser/Kodek , JN – ZPO 18 § 41 ZPO E 160 f, 162/1).

Die Notwendigkeit der Beiziehung des auswärtigen Anwalts ist schon im Verfahren erster Instanz konkret zu bescheinigen (4 Ob 102/14z; 6 Ob 122/09y), und zwar spätestens mit der Überreichung des Kostenverzeichnisses (8 ObA 303/95).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte vor Schluss der Verhandlung nur behauptet, dass die Beauftragung eines H* Rechtsanwalts aufgrund der Wohnsitze der Beteiligten viel aufwendiger gewesen wäre. Damit vermag sie keine besonderen Gründe zu bescheinigen, die eine dahingehende Kostenersatzpflicht der Klägerin rechtfertigen könnten. Dass der Geschäftsführer der Beklagten sich regelmäßig in Wien aufhält, wo die Beklagte ihren Sitz hat und sich ihre vermietete Liegenschaft befindet, hat die Beklagte nicht bestritten. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beauftragung eines H* Anwalts der Beklagten dann unzumutbar sein sollte. Mögliche Schwierigkeiten bei der Terminkoordination mit einem H* Rechtsanwalt lassen die Beiziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts noch nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erscheinen.

Dem Erstgericht ist außerdem beizupflichten, dass die Kommunikation per Telefon und Videokonferenz für kurzfristige Rückfragen oder Ähnliches üblich und zumutbar ist. Dass Einzelne, wie die Beklagte argumentiert, mit den neuesten technischen Interaktionsmöglichkeiten noch nicht so vertraut sein mögen, begründet noch keine konkrete Unzumutbarkeit aller Kommunikationsmittel (etwa per Telefon) abseits des persönlichen Gesprächs. Die Beklagte hat auch weder behauptet noch bescheinigt, dass ihr Geschäftsführer derartige Schwierigkeiten hat.

Da die Beklagte somit keine Gründe behauptet und bescheinigt hat, die die Beiziehung eines auswärtigen Anwalts rechtfertigen, gebührt ihr kein doppelter Einheitssatz. Die Kürzung ihres Kostenersatzanspruches um EUR 2.061,06 erfolgte daher zu Recht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

3. Nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

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