JudikaturOLG Wien

33R48/22d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die fachkundige Laienrichterin Mag. Dr. Thoma-Fried in der verbundenen Markenschutzsache der Antragstellerinnen 1. *** , und 2. *** , beide vertreten durch die Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegnerin *** , vertreten durch Dr. Maximilian Schludermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung der Marken AT 187329 und AT 196180 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 1.12.2021, Nm 4+5/2020 10,11 und Nm 16+17/2020 9,10, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellerinnen die mit EUR 3.385,02 (darin EUR 564,17 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

1. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortbildmarke AT 196180

registriert für die Waren und Dienstleistungen in folgenden Klassen (Anmeldung am 29.5.2000):

Sie ist auch Inhaberin der Wortmarke AT 187329

LIPIZZANER,

registriert für die Waren und Dienstleistungen der Klassen:

Die Antragstellerinnen begehren – gestützt auf die §§ 33a, 33 Abs 2 iVm § 4 Abs 1 Z 8 und § 34 MSchG – die Löschung der Marken der Antragsgegnerin und brachten vor, diese Marken seien – mit Ausnahme der Waren in der Klasse 3 (Seifen, Shampoos, Cremes, Gels und Balsame, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege) und 30 (Torten und Schokolade und Schokoladewaren) – innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland nicht benutzt worden. Es liege daher eine Scheinbenutzung vor. Der Spanischen Hofreitschule obliege ihrem gesetzlichen Auftrag nach die dauerhafte Erhaltung und traditionsgemäße Zucht der Pferderasse „Lipizzaner“ sowie die Erhaltung der Tradition und der hohen Schule der klassischen Reitkunst und damit die Wahrung des öffentlichen Interesses am dadurch repräsentierten österreichischen und internationalen Kulturgut. Es könne als notorisch vorausgesetzt werden, dass der Begriff „Lipizzaner“ seit langem mit der Spanischen Hofreitschule assoziiert und als deren Produkt- und Markenzeichen wahrgenommen werde. Der Ruf und die Wertschätzung der Lipizzaner werde von der Zweitantragstellerin seit jeher kommerziell genützt, etwa durch den Verkauf von Souvenirartikeln. Seit der Ausgliederung aus der Bundesverwaltung seien die Antragstellerinnen zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, durch den Verkauf verschiedener Waren und Dienstleistungen, unter anderem unter Bezugnahme auf den kontinuierlich als Markenzeichen aufgebauten Begriff „Lipizzaner“, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Die Antragsgegnerin habe keinen auch nur irgendwie gearteten Bezug zum Begriff „Lipizzaner“. Sie sei weder mit der Spanischen Hofreitschule noch mit dem Lipizzanergestüt Piber in irgendeiner Weise rechtlich, wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden. Vor diesem Hintergrund sei offenkundig, dass die Antragsgegnerin ihre Marken allein aus unlauteren Motiven angemeldet habe, um andere Personen zu behindern und gleichzeitig selbst vom guten Ruf und an der allgemeinen Wertschätzung der mit den Antragstellerinnen assoziierten Lipizzanern zu schmarotzen. Die klare Behinderungsabsicht lasse sich auch aus der Vielzahl der Waren- und Dienstleistungsklassen ableiten.

Die Zweitantragstellerin stützte ihren Antrag weiters auf ihre ältere Bildmarke AT 117393

registriert für die Waren der Klassen:

(Die Bildmarke AT 188807, auf die sie sich noch gestützt hat, wurde mit Beschluss der Rechtsabteilung vom 22.1.2021 mit Wirkung vom 18.1.2021 gelöscht.)

2. Die Antragsgegnerin bestritt, beantragte die Abweisung der Löschungsanträge und brachte ihrerseits vor, dass sie 1999 auf den Begriff „Lipizzaner“ aufmerksam geworden sei. Sie habe zu prüfen begonnen, ob dieser Begriff als Dachmarke für ihre Produkte möglich sei. Sie habe damals mit jenen Markeninhabern Kontakt aufgenommen, deren Klassen ident mit jenen ihrer beabsichtigten Markenanmeldungen gewesen seien. L*** sei mit der Anmeldung für die Klasse 30 einverstanden gewesen, habe die seit 1954 geschützte Marke mit 15.5.2002 gelöscht und sie davon verständigt. Die H*** GmbH habe letztlich auf ihre Marke verzichtet und sie mit 30.3.2001 löschen lassen. Die übrigen Markeninhaber hätten keine Einwände gegen ihre Markenanmeldungen gehabt. Sie habe sich dazu entschlossen, zunächst Lebensmittel zu produzieren und nur als Lipizzaner-Produkte zu vertreiben. Das Projekt sei zunächst mit Konditor- und Süßwaren gestartet und dann seien nach und nach weitere Food und Non-Food-Produkte dazu gekommen. Für die Lipizzaner-Torten und -Kugeln seien Rezepte der *** Eigentümerfamilien eingesetzt worden. Ab 2000 seien Torten durch Lohnfertiger oder Subunternehmen produziert worden. Seit 2004 vertreibe sie auch Lipizzaner-Kosmetika. Sie habe die Marke seit 1999/2000 ernsthaft und rechtserhaltend, nicht bloß zur bloßen Imagewerbung benutzt. Da sie vor der Anmeldung alle Markeninhaber kontaktiert habe, lägen keine rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Markenanmeldungen vor. Sie habe die Gespräche transparent geführt in der Absicht, die Marken tatsächlich zu benutzen, und nicht, um Dritte am Markteintritt zu hindern.

3. Mit der angefochtenen Entscheidung löschte die Nichtigkeitsabteilung (NA) die Marken AT 187329 und AT 196180 mit Wirksamkeit zum Zeitpunkt ihrer Registrierung, wobei sie die auf den Seiten 24 bis 25 der Entscheidungsausfertigung ersichtlichen Feststellungen traf, auf die verwiesen wird und aus denen folgende Feststellungen (auf Seite 25 der Entscheidungsausfertigung) hervorgehoben werden:

«Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der beiden österreichischen Marken AT 196180 und AT 187329. Die beiden Marken wurden 1999 und 2000 jeweils für ein umfangreiches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis angemeldet und registriert bzw die Registrierungen erweitert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin keinerlei Bezug zu Pferden oder zu Lipizzanern und ist erst im Zuge der öffentlich bekannten Auseinandersetzung zwischen Slowenien und Österreich auf dem Begriff „Lipizzaner“ aufmerksam geworden. 1999 kontaktierte die Antragsgegnerin das Bundesministerium für Landwirtschaft und riet, dass dieses einen weitreichenden Markenschutz für „Lipizzaner“ beantragen soll, da die Republik Österreich nur Markeninhaberin für 3 Marken für die Ware „Pferde“ sei. Als keine weiteren Markenanmeldungen seitens der Republik getätigt wurden, erklärte die Antragsgegnerin mit Fax vom 9.11.1999, dass sie mit Priorität vom 5.10.1999 eine entsprechende Markenanmeldung einer Vielzahl von Klassen „zur Vermeidung allfälliger Eingriffe Dritter“ vorgenommen hat.

Im Zuge der Anmeldung AM 6365/99 wurde auch durch den Geschäftsführer der Antragsgegnerin Kontakt mit dem zuständigen Prüfer im Patentamt aufgenommen, der darüber 2 Aktenvermerke verfasste. Darin hielt der Prüfer fest, dass „das Zeichen vorläufig von der Anmelderin angemeldet wurde, um Dritten zuvorzukommen. Es würde von Dritten damit begonnen, das Zeichen Lipizzaner zu vermarkten, weshalb eine baldige Registrierung von Vorteil wäre, um bereits den Anfängen solche Versuche zu wehren“.

Später begann die Markeninhaberin gegen eine Vielzahl von Unternehmen vorzugehen, die „Lipizzaner“ markenmäßig verwendeten. Auch in mehreren Mails an [die Marketingleiterin der Spanischen Hofreitschule] in Piber wurde in der Folge auf die umfassenden Markenrechte hingewiesen. ‚Produkte, Dienstleistungen und Aktivitäten, die über den Bereich „Vorführung und Dressur von Pferden sowie Pferdezucht‘ und ‚Weine, Fruchtsäfte‘ hinausgehen, können nicht akzeptiert werden.“

Als im Zuge eines Weihnachtsmarktes in der Spanischen Hofreitschule 2019 eine Lipizzanertorte und ein Lipizzanerkaffee verkauft wurden, brachte die Antragsgegnerin eine Strafanzeige gegen die Geschäftsführerinnen der Antragstellerinnen ein.»

Rechtlich folgerte sie, dass die Anmeldungen nicht im Interesse erfolgt seien, die Marken für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu verwenden, sondern nur deshalb, um andere möglichst umfangreich von der Benützung des Begriffs „Lipizzaner“ abzuhalten. Die Antragsgegnerin habe versucht, im Anmeldezeitpunkt dem Landwirtschaftsministerium und damit der Spanischen Hofreitschule „Tipps“ für eine umfassende Monopolisierung der Bezeichnung „Lipizzaner“ zu geben und auch möglichst viele Unternehmen, die den Begriff „Lipizzaner“ bereits verwendeten, davon abzubringen. Auch die unrichtige Angabe „beratend für das Landwirtschaftsministerium tätig zu sein“, obwohl dies nie der Fall gewesen sei, lasse darauf schließen, dass die Antragsgegnerin versucht habe, eine Nähe zur Spanischen Hofreitschule zu suggerieren und an deren Ruf zu partizipieren. Aus den Unterlagen ergäbe sich, dass die Hofreitschule kein Interesse an einer Kooperation mit der Antragsgegnerin oder an ihren Beratungsdienstleistungen gehabt habe; auch nicht daran, Dritte, die den Begriff Lipizzaner bereits zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen verwendeten, daran zu hindern. Die Behinderungsabsicht habe nur die Antragsgegnerin. Obwohl die Zeichen der Antragsgegnerin 1999/2000 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen registriert worden seien, ergebe sich aus dem bisherigen Vorbringen und den Unterlagen nur eine Verwendung für Schokoladewaren. Da die Markenanmeldungen böswillig vorgenommen worden seien, müsse auf die anderen Löschungsgründe nicht eingegangen werden.

4. Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin aus den Berufungsgründen der Aktenwidrigkeit, der Verfahrensmängel, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Löschungsanträge abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerinnen beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

5.1 Nach Ansicht der Antragsgegnerin sei die Feststellung, die Antragsgegnerin hatte keinen Bezug zu Pferden, aktenwidrig. Dazu gäbe es kein Vorbringen und keine Beweisergebnis.

5.2 Eine Aktenwidrigkeit haftet der Entscheidung nur dann an, wenn der Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben wurde und dies zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt geführt hat (RS0007258; RS0043347). Erwägungen der Tatsacheninstanz, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen wird, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung (RS0043347). Eine bloße Schlussfolgerung oder Wertung bewirkt keine Aktenwidrigkeit (RS0043256; RS0043277).

Die Schlussfolgerung der NA liegt im Wesentlichen auf der Hand, wobei die Antragsstellerinnen zur bösgläubigen Anmeldung auch konkret vorgebracht haben, dass die Antragsgegnerin keinen auch nur irgendwie gearteten Bezug zum Begriff „Lipizzaner“ gehabt habe, sie weder mit der Spanischen Hofreitschule noch mit dem Lipizzanergestüt Piber in irgendeiner Weise rechtlich, wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sei und auch sonst keinen Bezug zur Lipizzanerzucht oder zu jener Region westlich von Graz habe, die gemeinhin als „Lipizzanerheimat“ bezeichnet werde. Dieses Vorbringen hat somit zweifelsfrei auf die Lipizzaner als Pferde(rasse) abgezielt, womit keine Aktenwidrigkeit vorliegt.

6.1 Die Antragsgegnerin sei im Verfahren vor dem Patentamt nicht anwaltlich vertreten gewesen. Die NA habe sie zwar rechtlich belehrt, jedoch nicht zur Erstattung eines Vorbringens angeleitet. Wäre sie angeleitet worden, hätte sie vorgebracht, dass bereits deshalb kein bösgläubiger Erwerb im Sinne des § 34 MSchG vorliegen könne, weil die Antragsgegnerin in Abstimmung mit L*** die für Küfferle (Eigentümer L***) eingetragenen Markenrechte dadurch erworben habe, dass diese ihre Marke habe löschen lassen. Ebenso sei die Vorgehensweise bei der H*** GmbH gewesen.

Sie hätte zu dem von ihr entwickelten Konzept zur Produktgestaltung und zu den zum Zeitpunkt der Markenanmeldungen bereits vorhandenen Produkten ein Vorbringen erstattet.

Die NA hätte ihr auch die Möglichkeit einräumen müssen, die Verwendung der Marken durch Vorlage von weiteren Urkunden und Beweisgegenständen zu belegen. Sie habe Links zu Internet-, Facebook- und Instagram-Seiten angeführt, wobei diese Beweisanbote offenbar nicht wahrgenommen worden seien. Sie müsse auch erwähnen, dass am 10.3.2022 ein Hackerangriff stattgefunden habe und die Verlinkungen derzeit nicht vollständig verfügbar seien.

6.2 Es liegt kein Verfahrensmangel vor: Ungeachtet des Umstands, dass über den Löschungsgrund der rechtserhaltenden Benutzung nicht abgesprochen wurde, wurde dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin die Rechtslage zu § 33a MSchG in der Verhandlung vom 6.6.2021 erklärt und darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung eine Liste von Homepages kein Benützungsnachweis sei, sondern konkrete Rechnungen, Lieferscheine, Mengen, Aussagen, etc gebraucht werden, um die Ernsthaftigkeit der Benutzung beurteilen zu können.

Auf die Frage, ob noch irgendwelche weiteren Beweise für das Nichtvorliegen der Bösgläubigkeit geltend gemacht werden möchten, hat der Geschäftsführer der Antragsgegnerin (nur) erwidert, dass durch die Urkundenvorlage alles geklärt sei. Der Prozessleitungspflicht sind Grenzen gesetzt; sie geht nicht so weit, dass zu erkennen zu geben ist, welchen Beweisen man Glauben schenken werde und welchen nicht und dass man in diesem Zusammenhang weitere Beweisanbote einzumahnen hätte (vgl Fucik in Rechberger/Klicka 5 § 182 ZPO Rz 1).

Darauf hinzuweisen ist auch, dass das (Berufungs-)Vorbringen in Bezug auf L*** sowie die H*** GmbH bereits so im Verfahren vor der NA erstattet wurde. Dies ergibt sich auch aus dem Einvernahmeprotokoll des Geschäftsführers der Antragsgegnerin vom 16.6.2021.

Nicht nachvollzogen werden kann, wie die Antragsgegnerin eingetragene Markenrechte erwerben hat können, indem L*** oder die H*** GmbH ihre Marken haben löschen lassen. Dass die beiden Genannten ihre Markenrechte aufgegeben haben, schließt weder eine bösgläubige Anmeldung der Antragsgegnerin aus, noch gibt es für einen „Markenerwerb“ zwischen diesen juristischen Personen einen Anhaltspunkt.

7.1 Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der Beweisrüge (nochmals) die Feststellung zum Fehlen eines Bezugs zu Pferden oder zu Lipizzanern im Zeitpunkt der Markenanmeldungen angreift und sie die Feststellung begehrt, dass sie Markenrechte Dritter faktisch übernommen und ihre Marken zur Bewirtschaftung und Errichtung einer Dachmarke für ihr umfangreiches Produktsortiment eingetragen hat und sie dabei nicht in die Rechte Dritter eingreifen oder diese behindern wollte, ist die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Eine ordnungsgemäße Beweisrüge liegt nur dann vor, wenn klar ersichtlich ist, durch welche Tatsachen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurden, welche Feststellungen stattdessen begehrt werden und aufgrund welcher Beweismittel die begehrten Feststellungen getroffen werden könnten (RS0041835). Zwischen der bekämpften und der ersatzweise begehrten Feststellung muss ein inhaltlicher Gegensatz (Widerspruch) bestehen; die eine Konstatierung muss die andere ausschließen.

Dies liegt insoweit nicht vor, als zwischen dem Fehlen eines Bezugs der Antragsgegnerin zu Pferden und zu Lipizzanern und der „faktischen Übernahme von Markenrechten Dritter“ kein Zusammenhang besteht, geschweige denn ein Gegensatz.

Die mehrfach wiederholte Behauptung, sie hätte tatsächlich im Sinn gehabt, den Begriff „Lipizzaner“ als Dachmarke für ihr umfangreiches Produktsortiment unter Schutz zu stellen, wird von den vorliegenden Beweisergebnissen so auch nicht gedeckt. Die Schreiben an das Landwirtschaftsministerium ./Q und ./R sowie die Aktenvermerke des Patentamts aus dem Erteilungsakt ./S und ./T sprechen dagegen. Die NA hat bereits darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin gegen andere Unternehmen vorgegangen ist und sich auch auf ihre umfassenden Markenrechte berufen hat. Auch die eingebrachten Strafanzeigen nach § 60 MSchG unter anderem gegen die Geschäftsführer der Zweitantragstellerin zeigt eindeutig hier in diese Richtung.

Da die NA ausreichend nachvollziehbar begründet hat, wie sie zu ihrer Überzeugung gekommen ist, reicht es in diesem Zusammenhang nicht aus, nur Gegenbehauptungen entgegenzusetzen, wie es die Antragsgegnerin im Wesentlichen tut.

7.2 Die Antragsgegnerin begehrte die Feststellung, dass sie als Produktentwicklerin über eine Vielzahl von Patentrechten und Waren verfüge, welche sie unter den gegenständlichen Marken in einzelnen Klassen vertreibe, ohne diese konkret anzuführen. Es kann daher die Relevanz der begehrten Feststellung nicht erkannt werden.

7.3 Die Antragsgegnerin bekämpft die Feststellung als unrichtig, dass sie gegen eine Vielzahl von Unternehmen vorgegangen sei, die „Lipizzaner“ markenmäßig verwendet haben. Sie sei nur gegen ein Unternehmen vorgegangen, ein Verfahren habe aber nicht stattgefunden. Daher werde die Feststellung begehrt, dass sie nicht gegen eine Vielzahl von Unternehmen vorgegangen sei.

Nicht nur, dass die NA die Beilagen, auf die sie sich gestützt hat, genannt hat (./W, ./X und ./Y), kann die Antragsgegnerin in der Zusammenschau der gesamten Beweismittel dagegen keine erheblichen Bedenken erzeugen. Der bloße Umstand, dass allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für ihren Standpunkt sprechen, reicht nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen (RS0041830). Ungeachtet davon räumt die Antragsgegnerin ohnedies ein, dass sie ihre Markenrechte gegenüber Dritten geltend gemacht hat; die Quantität ist rechtlich nicht bedeutsam.

7.4 Soweit die Feststellung begehrt wird, dass die Zweitantragstellerin den Kontakt zur Antragsgegnerin gesucht habe, um deren Produkte zu erwerben, kann die Relevanz dieser Feststellung für die rechtliche Beurteilung nicht erkannt werden.

8. Die Antragsgegnerin vermag im Rahmen der Rechtsrüge auch keine fehlerhafte Beurteilung der NA aufzuzeigen. Es kann daher vorweg auf die Ausführungen der NA verwiesen werden.

8.1 Nach § 34 Abs 1 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke begehren, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war. Diese Bestimmung beruht auf Art 3 Abs 2 lit d MarkenRL (basierend auf der ursprünglichen Fassung der RL 89/104/EWG), wonach die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist oder im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegt, wenn der Antragsteller die Eintragung bösgläubig beantragt hatte. Sie wird als Generalklausel angesehen und erfasst Umstände beim Markenerwerb, die den Schutz des Kennzeichens als ungerechtfertigt (iSv sittenwidrig) erscheinen lassen (4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 98/14m, Feeling/Feel II ).

8.2 Der Tatbestand „Bösgläubigkeit“ der MarkenRL ist autonom und richtlinienkonform auszulegen ( Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 296 mwN der Rsp des BGH; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG 13 § 8 Rz 1024).

Ob eine Anmeldung bösgläubig war, ist nach der Rechtsprechung des EuGH „umfassend“ zu beurteilen, wobei alle im konkreten Fall „erheblichen Faktoren“ zu berücksichtigen sind (C 529/07, Goldhase III [Rn 37]; C 320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd [Rn 36]; RS0123318 [T5]).

8.3 Im Wesentlichen wurde eine bösgläubige Markenanmeldung bei folgende Fallgruppen angenommen (vgl Hofinger in marken.schutz³ § 34 Rz 12 ff; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG 13 § 8 Rz 1023):

Der Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass Bösgläubigkeit auf diese Fallgruppen beschränkt wäre (4 Ob 98/14m, Feeling/Feel II [Spekulationsmarke]).

8.4 Behauptungs- und beweispflichtig für die Bösgläubigkeit ist an sich der Antragsteller (17 Ob 17/09p, Goldhase IV; Om 16/10; OM 13/11, Winzerkönig ).

Der Begriff „Bösgläubigkeit“ deutet zwar auf das Erfordernis subjektiver Vorwerfbarkeit hin; diese kann aber bei der Verletzung von Loyalitätspflichten zumindest bis zum Beweis (zur Bescheinigung) des Gegenteils unterstellt werden (RS0120716). Sie kann aber nur dann angenommen werden, wenn dem Markeninhaber im Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war, dass Mitbewerber für ähnliche oder identische Waren Zeichen verwenden, die dem von ihm als Marke angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnlich sind (17 Ob 17/09p, Goldhase IV).

8.5 Ausgehend von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist aufgrund der ermittelten Tatsachen bei der Gesamtbetrachtung und der Gewichtung der einzelnen Indikatoren für die Annahme der Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Markenanmeldungen die bekämpfte Entscheidung nicht korrekturbedürftig.

Festgestellt wurde, dass die Antragsgegnerin die Marken erst angemeldet hat, als seitens der Republik Österreich kein weitreichender Markenschutz beantragt wurde. Zuvor hat sie das Bundesministerium für Landwirtschaft kontaktiert und dazu geraten, dass dieses einen weitreichenden Markenschutz für „Lipizzaner“ beantragen soll. Im Zuge der Anmeldung hat der zuständige Prüfer des Patentamts in zwei Aktenvermerken festgehalten (vgl ./S und ./T), dass das Zeichen vorläufig angemeldet werde, um Dritten zuvorzukommen. Dritte würden beginnen, das Zeichen „Lipizzaner“ zu vermarkten, weshalb eine baldige Registrierung von Vorteil wäre. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin auch versucht, den Eindruck zu vermitteln, dass sie in beratender Weise für das Bundesministerium für Landwirtschaft tätig sei, was in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage als nicht den Tatsachen entsprechend bezeichnet wurde (vgl ./U).

Dieses Vorgehen impliziert, dass der Antragsgegnerin die klare inhaltliche Zuordnung des Begriffs „Lipizzaner“ zur Spanischen Hofreitschule und damit zu einem der breiten Öffentlichkeit bekannten und präsenten Kulturgut der Republik Österreich von Anfang an bewusst war und sie gerade auf die „Monopolisierung“ dieses freihaltebedürftigen Begriffs für ihre Waren und Dienstleistungen gegenüber Dritten abgezielt hat. Dies unterstreicht insbesondere die Korrespondenz mit dem Bundesministerium für Landwirtschaft (./Q und ./R). Dass die Republik Österreich (das Bundesministerium für Landwirtschaft) vorab kontaktiert wurde und untätig blieb, kann aber die Antragsgegnerin nicht legitimieren, mit den Markenanmeldungen Dritte an der Benützung der freihaltebedürftigen Begriffsbezeichnung „Lipizzaner“ zu hindern; vor allem dann nicht, wenn sie mit dem damit verbundenen/assoziierten Kulturgut in keiner Verbindung steht. Dass andere Unternehmen (L*** oder die H*** GmbH) ihre früheren Markenrechte in Bezug auf „Lipizzaner“ aufgegeben haben, kann daran nichts ändern und steht auch mit den Markenanmeldungen der Antragsgegnerin in keinem Zusammenhang.

Das umfangreiche Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Zusammenhang mit dem überwiegenden Fehlen einer Benutzungsabsicht sowie mit dem Fehlen eines Geschäftsbetriebs (nur eine Verwendung für Schokoladewaren wurde nachgewiesen) belegt nochmals die Behinderungsabsicht. Diese Behinderungsabsicht wird auch in der Folge – wenn auch viele Jahre später – faktisch vollzogen, was auch festgestellt werden konnte.

Die Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin wird nicht dadurch beseitigt, dass sie in Bezug auf Schokoladewaren einen eigenen Benutzungswillen gezeigt hat. Klar war und ist, dass sie „Lipizzaner“ deshalb schützen ließ, um den Vertrieb von Mitbewerbern zu stören und zu behindern. Auch die Aufmachung der Schokoladewaren der Antragsgegnerin in Form einer Abbildung eines weißen Pferdes in der Levade-Position oder mit der Abbildung des Bereiterhuts (Zweispitz) samt rot-weiß-roter Einfassung verdeutlichen, dass versucht wird, bewusst einen direkten Bezug zur Spanischen Hofreitschule herzustellen und an ihrem Ruf zu partizipieren.

Alle diese objektiven Umstände untermauern in der Gesamtheit das subjektive Tatbestandsmerkmal der Bösgläubigkeit bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angefochtenen Marken (vgl C 529/07, Goldhase III [Rn 37]; C 569/08, Internetportal [Rn 42 und 77]). Ihre Löschung erfolgte daher zu Recht.

9. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG und ergibt sich aus der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erheblichen Bedeutung zukäme, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen. Die Frage, ob eine Marke bösgläubig angemeldet wurde, ist stets eine des Einzelfalls (vgl RS0129667 [T1]).

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