JudikaturOLG Wien

33R83/22a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen dreidimensionalen Marke IR 1482773 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 15.6.2022, IR 183/2020-10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin ist Inhaberin der nachstehenden internationalen dreidimensionalen Marke IR 1482773

mit der Priorität vom 11.4.2019, eingetragen für die Waren der Klassen

5 Healing waters for medical purposes, medicinal salt tablets and bath salts.

21 Goods made from glass, in particular bottles.

32 Mineral and aerated waters and lemonades – made therefrom.

Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt für die Ware der Klasse 5 „Healing waters for medical purposes“ und für sämtliche Waren der Klassen 21 und 32 den Schutz in Österreich. Rechtlich folgerte das Patentamt, dass das Zeichen für diese Waren nicht unterscheidungskräftig sei (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG).

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die am 11.4.2019 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hinterlegte Marke Nr 1482773 zum Schutz in Österreich zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Rechtsfolge der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) vorgenommenen Registrierung einer internationalen Marke ist grundsätzlich, dass sie in jedem Vertragsstaat (auf den sich der Schutz erstreckt, vgl Art 3 bis Abs 1 MMA und Art 3 ter PMMA) so geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar hinterlegt (eingetragen) worden wäre (Art 4 Abs 1 S 1 MMA, Art 4 Abs 1 lit a S 1 PMMA; Koppensteiner, Markenrecht 4 243; 4 Ob 128/03g; Om 4/10).

Die Behörde eines Verbandslandes, der eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung prüfen, sie ist bei der Prüfung allerdings gemäß Art 5 MMA/PMMA auf die in Art 6 quinquies Teil B der PVÜ genannten Gründe beschränkt. Internationale Marken, die Schutz in Österreich beanspruchen, sind daher entsprechend dem MSchG auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen ( Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 2 Rz 88 f).

2. Die Antragstellerin moniert, dass die von der Rechtsabteilung vorgenommene Prüfung der Unterscheidungskraft auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage erfolgt sei. Es sei nämlich fraglich, ob die von der Rechtsabteilung in den Amtsschreiben wiedergegeben Fotos von Getränkeflaschen echt und aktuell seien. Es sei diesen Fotos auch nicht zu entnehmen, ob diese Produkte auf dem österreichischen Markt überhaupt angeboten würden. Unter Punkt 4. des Rekurses trägt die Antragstellerin vor, dass die dort abgebildeten Getränkeflaschen den österreichischen Verkehrskreisen bekannt und diese Produkte in Österreich in Verkehr seien. Dazu ist auszuführen, dass auch dann, wenn man der rechtlichen Prüfung die im Rekurs abgebildeten Getränkeflaschen zugrundelegt, es zu keinem anderem rechtlichen Ergebnis käme, weshalb eine weitere Auseinandersetzung mit der Tatsachenrüge unterbleiben kann (vgl RS0042386).

3.1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. In der Rechtsprechung des OGH wird bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt: Jede noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (RS0132935). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

3.2. Ob einem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RS0079038). Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RS0118396; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft nicht erfüllen (Obm 1/11, O xi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RS0118396).

3.3. Ob Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN), und nicht – wie die Antragstellerin meint – anhand der Branche der Antragstellerin.

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren ( Asperger aaO § 4 Rz 65 mwN der Rsp; C 104/01, Orange , Rz 46 und 63; RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; 4 Ob 77/15z , Amarillo ).

3.4 Diese Grundsätze gelten auch für Formmarken (C 344/10 P, Freixenet; 4 Ob 239/04g mwN; RS0079038 [T4]; OLG Wien 34 R 122/15h, Joghurtbecher; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG 13 § 8 Rz 292 ff; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 186 f). Bei der Beurteilung ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter von der Marke gewinnt; eine Zergliederung in schützbare und nicht schützbare Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08f, Roter Koffer; 17 Ob 30/11b, Goldhase VI; RS0119660).

3.5. Nach § 1 Abs 1 MSchG kann eine Marke auch in der Form einer Ware bestehen (Formmarke). Für dreidimensionale Zeichen besteht das besondere und auch durch den Erwerb von Verkehrsgeltung nicht überwindbare Eintragungshindernis des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG, wonach Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen sind, die ausschließlich aus der Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, oder aus der Form der Ware, die zur Herstellung einer technischen Wirkung erforderlich ist, oder aus der Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Um schützbar zu sein, muss das dreidimensionale Zeichen auch den übrigen Eintragungsvoraussetzungen entsprechen; es muss daher insbesondere unterscheidungskräftig sein. Dabei kommt es darauf an, ob die mit der Marke identische oder ihr ähnliche Form in einer Gesamtgestaltung so untergeht oder mit ihr verschmilzt, dass sie darin vom Verkehr nicht mehr als gedanklich herauslösbares Zeichen erkannt wird (4 Ob 22/03f, Vöslauer ). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Formmarke ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder aus der Form ihrer Verpackung, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren schließen wird (EuGH – C 25/05, Storck/HABM Rz 28 ; – Asperger aaO Rz 141). Ein bloßes Abweichen von der Norm und Branchenüblichkeit genügt nicht, die Abweichung muss erheblich sein ( Asperger aaO Rz 143 mwN).

4.1. Auf dieser Grundlage besitzt das angemeldete Zeichen im Gesamteindruck keine Unterscheidungskraft. Die beteiligten Verkehrskreise werden das Zeichen nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft auffassen.

Im Gesamterscheinungsbild handelt es sich eine übliche Flaschenform; dekorative Elemente werden – wie sich auch aus den Beispielen, die die Antragstellerin im Rekurs unter Punkt 4. als üblich zugesteht – auf dem Markt verwendet, um die beanspruchten Waren bereits beim ersten Anblick werblich hervorzuheben. Auch Riffelungen oder Rillen finden dabei Verwendung. Die Ausnehmung im unteren Drittel der Flasche verleiht der Formmarke im Zusammenhalt mit der Riffelung/den Rillen keine Unterscheidungskraft. Üblicherweise ist an dieser Stelle ein Etikett angebracht. Grundsätzlich wird der Markt verschiedene Marken anhand der Gestaltung des Etiketts unterscheiden, was den Umstand unterstreicht, dass dekorative Elemente dies alleine in der Regel nicht bewerkstelligen können (vgl OLG Wien 33 R 126/20x). Angesichts der unübersehbaren Formenvielfalt auf dem Markt wird das Publikum neue Formen regelmäßig nur dem Bemühen um eine neuartige, sich von anderen Waren dieser Art abhebende Gestaltung zuschreiben. Die angemeldete Warenform weicht nicht erheblich von den auf dem Gebiet der Mineralwässer/Heilwässer oder alkoholfreien Getränke verwendeten branchenüblichen Produktformen ab.

Soweit die Antragstellerin auf die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 3.6.2022 zu R 1839/2021-5 , Absolut Vodkaflasche, verweist, ist dazu auszuführen, dass in diesen Fall erst die besondere Farbgebung der Formmarke Unterscheidungskraft verliehen hat.

4.2. Nach § 23 Abs 1 Z 3 PAV ist eine Marke, die aus einer dreidimensionalen Form besteht oder eine solche aufweist – einschließlich Behälter, Verpackungen, das Produkt selbst oder deren Ausgestaltung – eine Formmarke. Sie wird entweder durch die grafische Darstellung der Form, einschließlich computergenerierter Bilder, oder eine fotografische Abbildung wiedergegeben. Die grafische oder fotografische Darstellung kann unterschiedliche Ansichten enthalten . Die grafische Darstellbarkeit dient dabei im Wesentlichen drei Zwecken: erstens soll im Eintragungsverfahren der Beurteilung der Marke eine festgelegte Form zugrunde gelegt werden; zweitens soll die Eintragung der Marke im Register dadurch überhaupt ermöglicht werden und drittens soll durch eine Veröffentlichung der Eintragung die Allgemeinheit über die in Kraft stehenden Marken und ihren Schutzumfang unterrichtet werden (vgl BPatG 26 W (pat) 15/16 mwN).

Die Antragstellerin trägt im Rekurs vor, dass es sich bei dem beanspruchten Zeichen um eine Flasche mit Schraubverschluss handle, die die auslaufsichere Aufnahme und Verwahrung des flüssigen Inhalts gewährleiste. Das Material sei aus transparentem Weiß- oder Buntglas oder Kunststoff, wodurch die Flüssigkeit im Inneren erkennbar sei. Die Füllmenge betrage 1 bis 1,5 Liter, was eine einheitliche Flaschenhöhe bewirke.

Vorliegend hat die Antragstellerin eine zweidimensionale grafische Wiedergabe der Marke mit zwei Ansichten in Form von schwarz-weiß-Zeichnungen eingereicht. Eine der Zeichnungen zeigt die Flasche von der Seite, die andere von unten. Die genannten Merkmale lassen sich aus der Anmeldung nicht ableiten, sodass sie für die Prüfung der Unterscheidungskraft nicht heranzuziehen sind.

5. Ob eine Marke originäre Unterscheidungskraft besitzt, ist eine Frage des Einzellfalls. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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