33R112/22s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke „CHONDRO AKTIV“ über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 9.8.2022, AM 10848/2022 2, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert, dass sie lautet:
«1. Die Wortmarke CHONDRO AKTIV ist in das Markenregister für folgende Waren der Klasse 3 einzutragen:
3 Parfümeriewaren; Ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege.
2. Hingegen wird der Antrag auf Eintragung der Wortmarke CHONDRO AKTIV in das Markenregister hinsichtlich folgender Waren der Klassen 5 und 16 abgewiesen:
5 Pharmazeutische Erzeugnisse; Nahrungsergänzungsmittel; Diätetische Präparate;
16 Druckereierzeugnisse; Broschüren; Flyer; Kataloge.»
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin begehrt die Eintragung der Wortmarke
C HONDRO AKTIV
für die Waren der Klassen
3 Parfümeriewaren; Ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege.
5 Pharmazeutische Erzeugnisse; Nahrungsergänzungsmittel; Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel.
16 Papier; Druckereierzeugnisse; Broschüren; Flyer; Kataloge.
Die Rechtsabteilung wies den Antrag mit der Begründung ab, dass der Marke die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle. „Chondro“ bedeute Knorpel. Die beteiligten Verkehrskreise würden daher nur einen allgemeinen Hinweis sehen, dass die so bezeichneten Waren der Klassen 3 und 5 eine aktivierende Wirkung auf den Knorpel hätten und sich die Waren der Klasse 16 thematisch damit beschäftigten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Wortmarke in das Markenregister einzutragen; in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Rechtsabteilung die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
1.1. Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt diese nämlich, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner, Markenrecht 4 82), und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 53 ff).
1.2. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG sind zwar gesondert zu prüfen, die Unterscheidungskraft fehlt einer Marke aber jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie bloß als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft (C 304/06, Eurohypo ).
1.3. Adressierte Verkehrskreise sind alle Interessenten oder Abnehmer der beantragten Waren, insbesondere die Verbraucher (RS0079038).
Gehören zu den angesprochenen Kreisen sowohl Fachkreise als auch Endverbraucher, kann der Gesamteindruck unterschiedlich ausfallen. Demnach kann bereits das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen entscheidend sein und das Registrierungshindernis bewirken, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um einen Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt. Das Eintragungshindernis darf somit in keinem der beteiligten Verkehrskreise vorliegen (4 Ob 77/15z, AMARILLO, mwN; 4 Ob 126/15f, BUKHARA ).
2 . 1. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash ).
Ob eine Marke aus einem Wort/Begriff besteht oder aus zwei/mehreren zusammengesetzt ist, ändert nichts an den Grundzügen der Beurteilung, ob Beschreibung oder Andeutung vorliegt (17 Ob 4/08z, INTIMA ; 17 Ob 15/07s, WE WILL ROCK YOU ).
2.2. Die Unterscheidungskraft von Begriffen, die einer Fremdsprache entnommen sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland so weit verbreitet ist, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen kann (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ).
Es ist im Einzelfall zu prüfen, wie der inländische Verkehr die fremdsprachige Form der Angabe versteht. Versteht er den Sinngehalt nicht, wird sie als Phantasiebezeichnung betrachtet, womit die Unterscheidungskraft regelmäßig zu bejahen sein wird (OLG Wien 34 R 69/14p, ALPINE ACTIVE, mwN).
Bei Begriffen, die einer toten Sprache wie Latein oder Altgriechisch entlehnt sind, kann grundsätzlich von der Schutzfähigkeit ausgegangen werden, sofern der Begriff nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wurde oder sich in einem Fremd- oder Lehnwort wiederfindet ( Asperger aaO Rz 88 ff; OLG Wien 133 R 37/19t, NIVEA/VIVEA; 133 R 111/16t, ADVOCA ).
Eine Ausnahme kann sich jedoch ergeben, wenn aufgrund der Zusammensetzung der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen davon auszugehen ist, dass die beteiligten Verkehrskreise den Begriff verstehen ( Asperger aaO Rz 89). Das ist etwa dann der Fall, wenn sich eine Ware an medizinisch geschultes Personal, insbesondere Ärzte, richtet, das auch die fremdsprachige Bezeichnung versteht (vgl 4 Ob 332/00b, Dermanet ).
3.1. Das Wort „Chondro“ entstammt dem Altgriechischen (χόνδρος) und bedeutet soviel wie „Knorpel“ oder „Körnchen“ (https://universal_lexikon.de-academic.com/70106/Chondro ).
Die Vorsilbe „chondr “ findet sich in mehreren medizinischen Fachbegriffen wie Chondrose (degenerative Knorpelveränderung), Chondritis (Knorpelentzündung), Chondrom (Geschwulst aus Knorpelgewebe) oder Chrondotomie ([chirurgischer] Einschnitt oder Durchtrennung des Knorpels; https://www.pschyrembel.de/).
3.2. Als Zwischenergebnis ist davon auszugehen, dass „Chondro“ nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wurde, sodass es Verbraucher nicht als beschreibend wahrnehmen werden. Selbst wenn ein Verbraucher Altgriechisch in der Schule gelernt haben sollte, zählt das Wort für Knorpel oder Körnchen wohl nicht zu seinem Grundwortschatz.
3.3. Allerdings richten sich Waren insbesondere der Klasse 5 (Pharmazeutische Erzeugnisse), aber auch der Klasse 16 (wie Kataloge und Broschüren), auch an medizinisches Personal. Diesem ist aufgrund der Verwendung der Vorsilbe „chondr “ für zahlreiche mit Knorpelverletzungen und erkrankungen im Zusammenhang stehende Begriffe die Bedeutung von „Chondro“ bekannt. Es wird daher die Kombination „Chondro aktiv“ als die Knorpelfunktion bzw das Knorpelwachstum aktivierend und somit als rein beschreibend wahrnehmen.
Auch wenn das medizinische Personal (nur) einer der beteiligten Verkehrskreise ist, steht dies im Sinne der zu Punkt 1.3. zitierten Judikatur der Eintragung entgegen.
In Bezug auf die Waren der Klassen 5 und 16 hat die Rechtsabteilung daher die Registrierung zu Recht abgelehnt, weshalb dem Rekurs in diesem Punkt nicht Folge zu geben war.
3.4. Anders verhält es sich hingegen mit den Waren der Klasse 3. Bei Parfümeriewaren, ätherischen Ölen oder Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege steht der Schönheitsaspekt vor jenem der (medizinischen) Pflege. Sie richten sich daher nicht an medizinisches Personal, sondern an die Verbraucher (vgl Om 7/01, DERMACARE ).
In diesem Punkt war dem Rekurs daher Folge zu geben und die Entscheidung der Rechtsabteilung dahingehend abzuändern, dass die Marke für die beantragten Waren der Klasse 3 einzutragen ist.
4. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG und § 59 Abs 2 AußStrG.
Der Entscheidungsgegenstand ist vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000 (vgl 4 Ob 66/18m ua).
5. Die Frage, ob einer Marke Unterscheidungskraft zukommt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und verwirklicht damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (RS0121895 [T3]). Der ordentliche Revisionsrekurs war daher nicht zuzulassen.