JudikaturOLG Wien

33R82/22d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
09. November 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 295297 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des österreichischen Patentamts vom 1.4.2022, WM 58/2018, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1. Die Antragstellerin stützt den Widerspruch auf ihre Wortmarke IR 1268350

NOAH OF ARENI ,

eingetragen für „Red wines from Areni“ (Klasse 33, ältere Marke), Priorität 6.3.2015.

Der Widerspruch richtet sich gegen die Wormarke

LENZ MOSER NOAH ,

eingetragen für „Weine“ (Klasse 33, jüngere Marke), Priorität 28.6.2017, veröffentlicht am 20.1.2018.

Die Antragstellerin trägt vor, es bestehe zwischen den Marken Verwechslungsgefahr.

2. Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr und wandte ein, „Noah“ bezeichne eine bestimmte Rebsorte, sei daher ein beschreibendes Element und für sich genommen nicht schützbar. Nur im Zusammenhang mit der geschützten Marke „Lenz Moser“ sei sie schützbar gewesen. Wenn somit nur das Wort „Noah“ das gemeinsame Element beider Zeichen sei, liege keine Verwechslungsgefahr vor.

Die Antragsgegnerin trägt auch vor, dass die ältere Marke, die seit 6.3.2015 geschützt sei, nicht verwendet werde und gänzlich unbekannt sei.

3. Dem erwiderte der Antragstellerin, dass „Noah“ wohl eine Rebsorte benenne, die aber innerhalb der EU für die Weinproduktion verboten sei. Dem Wort komme somit nur mehr die Bedeutung eines (biblischen) Vornamens zu, es habe somit Markenqualität.

4. Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung die Einwendung der Nichtbenutzung zurück, weil die zeitlichen Erfordernisse nicht gegeben seien. Im Übrigen kam sie zum Ergebnis, dass keine Verwechslungsgefahr gegeben sei, und wies den Widerspruch ab.

5. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Sie beantragt, die Entscheidung zu ändern und die Löschung der jüngeren Marke in Bezug auf Rotweine anzuordnen. Den Weiterbestand der jüngeren Marke für „Weine, ausgenommen Rotweine“ würde sie akzeptieren.

Die Antragsgegnerin ließ den Rekurs unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

6. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

6.1. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 30 Rz 10 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen.

6.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rn 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500, insb T4; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 10 Rz 397 ff mwN).

6.3. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Unterscheidungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at ).

6.4. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 10 Rz 416 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt ( quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).

6.5. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rn 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ).

6.6. Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [insb T9]; C 251/95, Sabel/Puma; C 206/04, Muelhens ). Für das Bejahen von Verwechslungsgefahr muss eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02, Kathreiner ). Auch hier sind der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen maßgebend (RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ). Nicht schützbare oder schwache Bestandteile, die den Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).

7. Das Rekursgericht erachtet den Rekursvortrag für nicht stichhältig, die bekämpfte – überaus ausführliche – Begründung im angefochtenen Beschluss hingegen für zutreffend (§ 60 Abs 2 AußStrG), sodass die Antragstellerin darauf verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 AußStrG).

7.1. Die Argumentation im Rekurs beruht darauf, dass „Noah“ eine bestimmte Rebsorte bezeichne, die zumindest einem Teil der Verkehrskreise bekannt sei. Überdies hebt die Antragstellerin hervor, der Ort „Areni“ sei nicht unbekannt.

Gerade diese Überlegungen führt zum Ergebnis, dass die Verwechslungsgefahr zu verneinen ist.

Wenn die Verkehrskreise mit „Noah“ eine bestimmte Rebsorte assoziieren, hätte dieser Bestandteil der beiden Marken überwiegend beschreibenden Charakter, wie wenn „Wein“ oder „Rebsorte“ an die Stelle der Bezeichnung „Noah“ treten würde. Das hat zur Folge, dass den beiden Zusätzen „of Areni“ und „Lenz Moser“ die prägende Rolle der jeweiligen Marke zukommt. Eine Verwechslung in dem Sinn, dass die Verkehrskreise annehmen würden, die so bezeichneten Weine würden vom selben Unternehmen stammen, liegt bei diesem Verständnis nicht nahe.

Verstärkt wird diese Überlegungen auch für den Fall, dass der Ort „Areni“ tatsächlich so bekannt ist, wie es die Antragstellerin vorträgt. Bei diesem Verständnis würden die Verkehrskreise annehmen, es handle sich bei den Produkten der Antragstellerin eben um Weine aus Areni, sodass nicht plausibel ist, dass die Verkehrskreise glauben würden, die zusätzlich mit „Lenz Moser“ bezeichneten Produkte stammten vom selben Unternehmen. Dass „Lenz Moser“ zumindest in Österreich weitgehend bekannt ist, stellt auch die Antragstellerin nicht in Abrede.

7.2. Unter der Annahme, „Areni“ wäre den Verkehrskreisen als Ortsbezeichnung nicht bekannt, oder unter der Annahme, der Ortsname wäre zwar bekannt, doch die Verkehrskreise würden ihn nicht mit Wein assoziieren (vgl dazu EuG 15.10.2008 T 230/06, Port Louis ), hätte die ältere Marke den Charakter einer zumindest teilweisen Phantasiebezeichnung. In diesem Fall wäre die Verwechslungsgefahr genausowenig gegeben, denn der von einer begrifflichen Bedeutungen freie Gesamteindruck gäbe keinen Anlass zu Verwechslungen, weil das verbindende Element „Noah“ hinter den Gesamteindruck zurücktritt. Prägend für den unter diesen Annahmen zu beurteilenden Gesamteindruck wäre, dass „Noah“ einmal am Anfang und einmal am Ende steht und quantitativ nicht dominiert würde (vier Buchstaben gegenüber 11 bzw 13).

7.3. Zum selben Ergebnis würde die Überlegung führen, dass die Verkehrskreise nur die Bedeutung von „Noah“ als Vornamen kennen. Auch in diesem Fall liegt die Vermutung nicht nahe, die Verkehrskreise würden – nur weil derselbe Vorname vorkommt – auf denselben Unternehmer schließen.

7.4. Der Fall ähnelt stark der Entscheidung „Junkerschinken“ (17 Ob 18/11p), bei dem der OGH die Verwechslungsgefahr von „Junkerschinken“ (für Fleisch- und Wurstwaren) mit „Steirischer Junker“ (für Wein) verneint hat. Auch wenn in jenem Fall keine – hier gegebene – Identität der Waren vorlag, lassen sich diese Überlegungen auf den vorliegenden Fall übertragen.

7.5. Für den vorliegenden Fall lässt sich auch die Entscheidung 4 Ob 228/14d, Arktis/Artist, verwerten. Dort hat der OGH trotz des ähnlichen Klangs und trotz der Warenidentität (Herbizide) die Existenz verschiedener Bedeutungen der Wörter „Arktis“ und „Artist“ als entscheidend angesehen, um die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Auch hier finden sich zwei Wortkombinationen, die keine Phantasiebegriffe enthalten und einen verschiedenen Begriffsinhalt haben.

Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf keiner Korrektur.

8.1. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

8.2. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

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