33R81/22g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und die fachkundige Laienrichterin Mag. Lager-Süß in der Markenschutzsache der Antragstellerin *****, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wegen Eintragung der abstrakten Farbmarke RAL 2008 Orange über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 21.6.2022, AM 582/2020 2, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragt die Eintragung der abstrakten Farbmarken RAL 2008 Orange in das österreichchische Markenregister für Klasse 35, „Dienstleistungen des Einzelhandels im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikel“.
Die Antragstellerin stützt ihren Antrag darauf, dass die abstrakte Farbmarke orange auf Grund ihrer jahrzehntelangen umfassenden Benutzung Verkehrsgeltung erlangt habe. Sie betreibe seit 25 Jahren auch in Österreich Baumärkte und habe ihre Dienstleistungen unter der angemeldeten Marke erbracht. Die Marketingstrategie sei dabei immer auf die angemeldete „Hausfarbe“ ausgerichtet gewesen, die Werbeaufwendungen würden sich jährlich auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen, wobei in den Werbemitteln auf eine markenmäßige Verwendung der „Hausfarbe“ geachtet werde. Der Marktanteil betrage 35 %. Die Konsequenz dieser Nutzung sei, dass die „Hausfarbe“ von den beteiligten Verkehrskreisen [...] zugeordnet werde. Dies würden in einer aktuellen Verkehrsbefragung ermittelte Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade von deutlich über 50 % belegen. Auch von Zeitungen und einem Mitbewerber werde die Farbe Orange mit [...] verbunden.
Mit Beschluss vom 21.6.2022 lehnte die Rechtsabteilung des Patentamts die Eintragung mit der wesentlichen Begründung ab, dem Zeichen komme weder originäre noch erworbene Unterscheidungskraft zu. Die von der Antragstellerin vorgelegte Studie zur Bekanntheit der Marke interpretierte das Patentamt dahin, dass sich daraus ein Zuordnungsgrad von knapp über 50 % ergebe. Lege man einen Bezugswert zugrunde, von dem jene Befragten abgezogen werden, die angaben, nie Bau- und Heimwerkerartikel zu kaufen und dies in absehbarer Zeit ausschlossen, erechne sich ein Zuordnungsgrad von rund 58/59 %. Im Lichte der Rechtsprechung reiche dies nicht aus, um den Verkehrsgeltungsnachweis zu erbringen. Die Berücksichtigung dieser Zahlen im Rahmen der Gesamtbeurteilung ergebe trotz einer gewissen Assoziation der Farbe mit der Antragstellerin, die sich aus anderen Beweismitteln ableiten lasse, keine Verkehrsgeltung. Dieses Ergebnis werde auch durch den Umstand gestützt, dass ca 10,3 bis rund 12 % der Befragten die begehrte Marke konkret anderen Unternehmen zuordneten.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragte die Eintragung der Farbmarke Orange, Farbcode RAL 2008, für die Dienstleistungen „Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikeln in der Klasse 35“.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Ist ein Zeichen nach § 4 Abs 1 Z 3, 4 oder 5 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen, kommt eine Registrierung nach § 4 Abs 2 MSchG in Betracht, wenn das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise vor der Anwendung infolge seiner Benutzung Unterscheidungskraft im Inland erworben hat. Man spricht dann auch von Verkehrsgeltung oder Verkehrsdurchsetzung (vgl OGH 4 Ob 101/20m 2.5.).
2. Farben kommt nicht von vornherein Unterscheidungskraft zu. Es besteht aber kein allgemeiner Grundsatz, dass Farben als solche nicht ermöglichen würden, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmer zu unterscheiden (vgl EuGH C 104/01, Libertel ; C 49/02, Heidelberger Bauchemie ; 17 Ob 2/08f). Eine Farbe kann Unterscheidungskraft in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, infolge ihrer Benutzung erwerben (EuGH C 49/02, Heidelberger Bauchemie, Rn 39; OGH 4 Ob 101/20m, Orange ). Eine solche Unterscheidungskraft kann insbesondere nach einem normalen Prozess der Gewöhnung der beteiligten Verkehrskreise eintreten (EuGH C 104/01, Libertel , Rn 67; 4 Ob 101/20m, Orange ).
3. Ein Zeichen besitzt Verkehrsgeltung, wenn es in den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen oder dessen Waren oder Dienstleistungen angesehen wird (RS0078751 [T6]; vgl EuGH C 108/97, Chiemsee , C 353/03, Nestlé/Mars , C 299/99, Philipps/Remington ); maßgeblich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise an ein und dasselbe Unternehmen bzw die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen denken, wenn sie mit dem Zeichen konfrontiert werden (vgl RS0078751 [T7]). „Beteiligte Verkehrskreise“ sind alle Personen, die als Erwerber der Waren in Betracht kommen, also auch der Handel und/oder der normal informierte und angemessen aufmerksame verständige Durchschnittsverbraucher (4 Ob 46/18w mwN; vgl RS0079038 und EuGH C 217/13 und C 218/13, Oberbank , Rn 39).
4. Ob eine Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, ist konkret anhand sämtlicher Gesichtspunkte zu prüfen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die betreffende Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen. Diese Gesichtspunkte müssen sich auf eine Benutzung der Marke als Marke beziehen, das heißt auf eine Benutzung, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung durch die beteiligten Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend dient. Im Rahmen dieser Prüfung können insbesondere der Marktanteil der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer ihrer Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Anteil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie die Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden berücksichtigt werden. Ergibt sich aufgrund dieser Gesichtspunkte, dass die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil von ihnen die Ware oder Dienstleistung aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, ist daraus der Schluss zu ziehen, dass die Marke nicht von der Eintragung ausgeschlossen ist. Ob die Unterscheidungskraft durch Benutzung als gegeben anzusehen ist, kann daher nicht nur anhand von generellen und abstrakten Angaben, wie zB bestimmten Prozentsätzen, festgestellt werden (4 Ob 101/20m; EuGH C 217/13 und C 218/13, Oberbank , Rn 40-42, 44).
5. Dass der EuGH keine „abstrakten“ Prozentzahlen als Maß festlegt, spricht nicht dagegen, die Entscheidung über die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft auf Grund des mit einer Umfrage ermittelten Kennzeichnungsgrades des strittigen Zeichens zu treffen. Es kann nur nicht von vornherein gesagt werden, dass ab einem bestimmten Kennzeichnungsgrad immer Unterscheidungskraft anzunehmen wäre. Vielmehr hängt es im Einzelfall davon ab, wie stark die originäre Unterscheidungskraft des Zeichens ausgeprägt ist (vgl RS0120911; 4 Ob 203/17g).
6. Verkehrsgeltung und Kennzeichnungskraft stehen mit dem Freihaltebedürfnis in einer Wechselbeziehung: Je größer das Freihaltebedürfnis ist und je geringer die Kennzeichnungskraft ist, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen (RS0078229 [T6, T7]; 17 Ob 2/08f; vgl auch RS0078807; 4 Ob 101/20m).
7. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung für Farben und Farbverbindungen ein bedeutendes Freihaltebedürfnis des Geschäftsverkehrs annimmt, da diese zu den wichtigsten und gebräuchlichsten Werbemitteln gehören (RS0078781; 17 Ob 2/08f; 4 Ob 126/01k). Nach der Rechtsprechung ist die Zahl der Farben, die das allgemeine Publikum unterscheiden kann, niedrig, da sich ihm selten die Gelegenheit zum unmittelbaren Vergleich von Waren mit unterschiedlichen Farbtönen bietet. Die geringe Zahl der für das Publikum unterscheidbaren Farben führt zu einer Verringerung der tatsächlich verfügbaren Farben mit der Folge, dass mit wenigen Eintragungen als Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte. Ein derartiges Monopol wäre mit dem System eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar. Daher ist es nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar, dass eine Farbe als solche unabhängig von ihrer Benutzung unterscheidungskräftig ist, etwa bei einem sehr spezifischen maßgeblichen Markt und einer sehr beschränkten Zahl der Waren oder Dienstleistungen. Die Verfügbarkeit der Farbe soll für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden (EuGH C 104/01, Libertel ; 17 Ob 2/08f).
8. Der Bekanntheitsgrad eines Zeichens – also die Angabe, wie weit die beteiligten Kreise das Zeichen überhaupt kennen – sagt über seine Verkehrsgeltung noch nichts aus. Entscheidend ist vielmehr in erster Linie der Kennzeichnungsgrad; er gibt an, wie weit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, eine bestimmte Ware oder Leistung angesehen wird. Das Unternehmen selbst muss dabei nicht bekannt sein; es genügt, wenn an die Waren oder Dienstleistungen des Zeichenträgers, nicht aber an diesen selbst gedacht wird. Der Zuordnungsgrad – also die Angabe, wie weit das Unternehmen, mit dem das Zeichen in Zusammenhang gebracht wird, namentlich bekannt ist – ist keine notwendige Voraussetzung für die Verkehrsgeltung. Nach ihm muss nur dann gefragt werden, wenn die Frage nach dem entsprechenden Kennzeichnungsgrad zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat (RS0078788; RS0079181). Die Unterscheidung zwischen Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrad ändert nichts am Grundsatz, dass die Verkehrsgeltung anzunehmen ist, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung einen Hinweis auf einen bestimmten Rechtsträger und ein bestimmtes Unternehmen erblickt. Dass es nicht (primär) auf den „Zuordnungsgrad“ ankommt, bedeutet nur, dass der Name des Zeichenträgers nicht bekannt sein muss (4 Ob 38/06a).
9. Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, das Patentamt habe seiner rechtlichen Beurteilung eine unrichtige Ermittlung der beteiligten Verkehrskreise zugrunde gelegt.
9.1. Die Antragstellerin legte im Verfahren vor dem Patentamt ein demoskopisches Gutachten vor, dem die Befragung von 1000 in Österreich lebenden Personen ab 14 Jahren zugrunde liegt. Das Gutachten enthält auch die Fragen „Kaufen Sie, zumindest hin und wieder, für sich selbst oder für andere Bau- oder Heimwerkerartikel? Oder kaufen Sie so etwas nie?“ . 270 Personen antworteten darauf, dass sie nie derartige Artikel kaufen. Die Zusatzfrage „Kommt der Kauf solcher Artikel für Sie in absehbarer Zeit in Betracht oder würden Sie das ausschließen?“ beantworteten 129 Personen damit, dass sie einen Kauf in absehbarer Zeit ausschließen würden.
9.2. Nach Ansicht der Antragstellerin dürfte diese Gruppe von 129 Personen nicht in die Gruppe der beteiligten Verkehrskreise eingerechnet werden. Das Patentamt legte seinen Berechnungen als Referenzwert sämtliche 1000 befragten Personen zugrunde.
9.2.1. Die Antragstellerin stützt ihre Ansicht auf eine Entscheidung des deutschen Bundespatentgerichtes (32 W (pat) 39/03 – Kinder (schwarz-rot)). Das Bundespatengericht sah als maßgeblichen Verkehrskreis bei Schokoladewaren die Gesamtbevölkerung an. Diejenigen Personen, die keinerlei Bezug zu Schokoladenwaren haben, diesen Waren also gänzlich desinteressiert gegenüberstehen, hätten jedoch außer Betracht zu bleiben. Dieser Kreis sei durch die Frage „Befassen Sie sich öfters oder gelegentlich als Käufer oder Interessent oder sonst irgendwie mit Schokolade und Schokoladewaren?“ zutreffend abgegrenzt.
9.2.2. Durch die Klarstellung, dass nur gänzlich uninteressierte Personen von der Ermittlung des maßgeblichen Verkehrskreises auszunehmen seien, ist die Frage „Befassen Sie sich öfters oder gelegentlich ....“ entgegen der Interpretation der Antragstellerin dahin zu verstehen, dass „gelegentlich“ mit „jemals“ oder „manchmal“ gleichzusetzen ist und die Verneinung dieser Frage umgekehrt bedeutet, dass die befragte Person sich nie mit Schokolade und Schokoladewaren befasst. Durch die Formulierung der Frage „... als Käufer ... oder sonst irgendwie ...“ wird auch abgefragt, ob die möglicherweise in eigener Sache uninteressierte Person Schokoladewaren für andere erwirbt.
9.2.3. Der Antragstellerin ist zuzustimmen, dass sich potentiell ein größerer Anteil der Gesamtbevölkerung für Schokoladewaren als für Dienstleistungen des Einzelhandels im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikeln interessieren dürfte und dass nicht die gesamte Bevölkerung potentiell Interesse an den hier relevanten Artikeln hat. Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten enthält aber keine Fragestellung, mit der – vergleichbar mit dem Verfahren vor dem Bundespatentgericht – eine Bevölkerungsgruppe identifiziert wird, deren Mitglieder gar nicht als Interessent:innen für die Dienstleistungen der Antragstellerin in Frage kommt. Dass jemand derzeit potentiell nicht Konsument einer Dienstleistung der Antragstellerin ist, kann schlicht daran liegen, dass die Person derzeit keinen Bedarf hat oder sich die Dienstleistungen nicht leisten kann. Auch eine Person, die derzeit keine Dienstleistungen des Einzelhandels im Bereich Bau- oder Heimwerkerartikel in Anspruch nimmt und die dies aus heutiger Sicht in absehbarer Zeit nicht tun wird, kann daher schon bald doch zum potentiellen Kunden werden. Hingegen wird eine Person, die grundsätzlich keine Schokoladewaren kauft, ohne grundlegende Änderung ihrer Interessen oder Lebensgewohnheiten nicht in die Situation kommen, diese doch zu erwerben.
9.3. Auch eine Person, die derzeit kein Interesse an Bau- und Heimwerkerartikeln hat, kann diese benötigen. Aus diesem Grund liefern auch die Antworten auf die Fragen „Interessieren Sie sich näher für Bau- oder Heimwerkerartikel? Oder interessieren Sie sich dafür eher nicht?“ keine Grundlage für eine Reduktion der Referenzmenge.
9.4. Auch das Rekursgericht geht davon aus, dass für die Berechnung von Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrad die Gesamtzahl der Befragten den beteiligten Verkehrskreisen entspricht.
10. Aus dem Gutachten ergeben sich folgende Informationen:
609 der 1000 befragten Personen gaben an, in der Farbe Orange einen Hinweis auf einen bestimmten Baumarkt zu sehen. Von diesen 609 Personen ordneten 103 Personen die Farbe Orange konkret Konkurrenzunternehmen der Antragstellerin zu. Daraus ergibt sich ein Kennzeichnungsgrad von 50,6 %. 482 Personen nannten explizit die Baumärkte der Antragstellerin. Daraus ergibt sich ein Zuordnungsgrad von 48,2 %.
Würde man – wie von der Antragstellerin gefordert – von der Referenzenmenge jene 129 Personen abziehen, die angegeben haben, nie im Baumarkt einzukaufen und auszuschließen, dies in absehbarer Zeit zu tun, ergäbe sich ein Kennzeichnungsgrad von 58 % und ein Zuordnungsgrad von 55 %.
11. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Verkehrsdurchsetzung der Farbkombination Blau-Weiß für Tankstellen einer bestimmten Benzinmarke bei einem Zuordnungsgrad von 85 % aller PKW-Besitzer in Österreich angenommen und die Verkehrsgeltung eines roten Sonderfarbtons für juristische Fachwerke bei einem Zuordnungsgrad von mehr als 90 % bejaht (4 Ob 335/73, Aral II ; 4 Ob 28/97i, Manz–Rot ). Für die Farbe Blau (mit einem den Farben Blau-Weiß und Rot laut OGH vergleichbar großen Freihaltebedürfnis bei gleichfalls geringer Kennzeichnungskraft) war eine Zuordnung durch 65 % der angesprochenen Verkehrskreise zu einem bestimmten Unternehmen und dessen Produkten (Wasserrohre) nicht ausreichend, um eine Verkehrsgeltung zu begründen (4 Ob 126/01k, Das Blaue Rohr ; 17 Ob 2/08f). Die Zuordnung der Farbe Rot zu einem einzigen Unternehmen durch nur wenig mehr als der Hälfte der Befragten für „Koffer für den Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche“ reichte ebenfalls nicht für die Annahme der Unterscheidungskraft infolge Verkehrsgeltung aus (17 Ob 2/08f, Roter Koffer ).
In der Vorentscheidung 4 Ob 101/20m zur Anmeldung derselben Marke billigte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Rekursgerichts (OLG Wien 33 R 13/20d), wonach ein Kennzeichnungsgrad der Farbe Orange von 41,06 % und der Zuordnungsgrad von 38,6 % in Bezug auf Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikeln und ein Kennzeichnungsgrad von 48,2 % und ein Zuordnungsgrad von 42,2 % in Bezug auf Einzelhandelsdienstleistungen von Baumärkten im Hinblick darauf, dass die Farbe Orange beliebt sei und auch von Mitbewerbern verwendet werde, nicht genüge, um eine Verkehrsgeltung der Farbe Orange für die Antragstellerin annehmen zu können.
12. Die Antragstellerin behauptet zwar einen Marktanteil von 35 %, und die Ergebnisse des Gutachtens deuten auf eine gewisse Kennzeichnungskraft der Farbe Orange für Dienstleistungen der Antragstellerin hin. Immerhin mehr als 10 % der für das demoskopische Gutachten Befragten ordneten die Farbe Orange aber anderen konkret genannten Unternehmen zu. Berücksichtigt man weiters das besondere Freihaltebedürfnis für Farben, reicht nach den dargestellten Grundsätzen keiner der ermittelten Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade aus, Unterscheidungskraft infolge Verkehrsgeltung für die beanspruchte Farbe zugunsten der Antragstellerin annehmen zu können.
13. Mit der Behauptung, das Patentamt habe die vorgelegten Nachweise nicht ausreichend gewürdigt, führt die Antragstellerin keine ordnungsgemäße Beweisrüge aus; diese erfordert die bestimmte Angabe, auf Grund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (vgl RS0041835 [T2]). Sie macht aber auch keinen sekundären Feststellungsmangel geltend, zeigt sie doch nicht auf, welche für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Feststellungen fehlen sollen.
Das Patentamt hat festgestellt, dass die Antragstellerin den Hintergrund und teilweise die Schrift ihrer Werbung und ihr Logo mit Orange gestaltet. Außerdem steht fest, dass die Antragstellerin die Farbe – offenbar als Sponsorin – beim Donauinselfest zur Gestaltung von Bühnen, Programmheften und Schirmen einsetzte. Schließlich stellte das Patentamt fest, dass die Antragstellerin in Medienberichten mit der Farbe Orange in Verbindung gebracht wurde und ein Konkurrenzunternehmen in einem Balkendiagramm mit Daten zu verschiedenen Baumärkten die Daten der Antragstellerin in Orange darstellte, obwohl es diese Farbe auch selbst als Gestaltungsmerkmal verwendet. Damit liegen zu den im Rekurs angedeuteten Themen Feststellungen vor; in diesem Zusammenhang kann kein sekundärer Feststellungsmangel vorliegen (vgl RS0053317).
14. Ob ein Zeichen Unterscheidungskraft besitzt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl RS0121895). Da keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen war, war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.
15. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war jedoch nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.