33R47/22g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Wortmarke THE LAB , IR 1501510 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 25.2.2022, IR 869/2021 5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin ist die Inhaberin der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf hinterlegten internationalen Marke IR 1501510
THE LAB
mit der Priorität vom 30.8.2019, eingetragen für die Waren in den Klassen
5 Pharmaceutical preparations and other preparations for destroying vermin, fungicides, herbicides; diagnostic agents, preparations and substances for medical or veterinary purposes; diagnostic reagents for medical or veterinary purposes; reagents for medical purposes; clinical diagnostic reagents; chemico-pharmaceutical preparations for medical purposes; diagnostic reagents in the shape of kits or chips; medical diagnostic test strips; reagent paper for medical purposes; reagent paper for veterinary purposes; reagent kits for immunodiagnosis comprising gene and protein for medical and veterinary use; diagnostic reagents for urine analysis; diagnostic reagents for blood analysis; diagnostic reagents for analyzing electrolyte in body fluid; diagnostic reagents for immunoassay analysis; diagnostic reagents for measuring glucose; diagnostic reagents for measuring glycohemoglobin; diagnostic reagents for measuring ammonia.
10 Medical apparatus and instruments and their parts and fittings; apparatus for use in medical analysis and their parts and fittings; diagnostic apparatus for medical purposes and their parts and fittings; blood analyzers for medical purposes and their parts and fittings; automated biochemical analyzers for medical purposes and their parts and fittings; diagnostic apparatus for urine analysis and their parts and fittings; medical apparatus for measuring glycated hemoglobin and their parts and fittings; medical apparatus for determining osmotic pressure and their parts and fittings; blood gas analyzers for medical purposes and their parts and fittings; blood glucose meters and their parts and fittings; sensors for monitoring blood glucose level as part of blood glucose meters.
Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte die Rechtsabteilung den Schutz der Marke in Österreich. Rechtlich führte die Rechtsabteilung aus, dass dem Zeichen für die eingetragenen Waren die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Marke zum Schutz in Österreich zugelassen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Die Behörde eines Verbandslandes, der eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung prüfen, sie ist bei der Prüfung allerdings gemäß Art 5 MMA/PMMA auf die in Art 6 quinquies Teil B der PVÜ genannten Gründe beschränkt. Internationale Marken, die Schutz in Österreich beanspruchen, sind daher entsprechend MSchG auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen ( Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 2 Rz 88 f).
2.1. Eine Marke ist unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen (RS0118396).
2.2. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3–5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b–d MarkenRL) sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (EuGH C 304/06, Eurohypo, Rn 54). Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke aber jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft; eine beschreibende Marke im Sinn von § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig im Sinn von § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL. Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (RS0132934). Eine Marke ist unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen (RS0118396).
2.3. Im Allgemeinen führt es nicht zur Schutzversagung, wenn auf eine beschreibende Angabe nur angespielt oder ein der Ware oder Dienstleistung zu Werbezwecken zugeschriebenes Image angedeutet wird und dies nicht über den erlaubten Bereich der Suggestion oder Anspielung hinausgeht (vgl 4 Ob 239/98w; RS0109431, RS0090799, RS0066456; 4 Ob 11/14t ua).
3.1. Grundsätzlich wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt (4 Ob 96/19z, Digitale Vignette ). Diese Regeln gelten auch für Wörter, die dem Grundwortschatz bekannter Fremdsprachen, namentlich des Englischen angehören (4 Ob 49/14f, MyTaxi II ).
4. In jüngerer Zeit hat der OGH in drei Entscheidungen zu den Anforderungen an die Unterscheidungskraft eines Zeichens und zur Frage Stellung genommen, welche gedankliche Nähe zwischen dem Zeichen und den Waren und Dienstleistungen bestehen muss, um eine Registrierung auszuschließen, und welcher Abstand bestehen muss, um die Registrierung zu ermöglichen.
4.1. MyTaxi II- Entscheidung, 4 Ob 49/14f :
In dieser Entscheidung hat der OGH diese Grundsätze angewandt und auch differenziert entschieden.
Die Eintragung der Wortbildmarke

wurde für die Klasse 38 (Telefonvermittlung im Rahmen eines Call Centers, nämlich Übermittlung von Telefonanrufen zur Taxivermittlung) abgelehnt, hingegen für die Klassen 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten) und 41 (Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung) bewilligt.
Begründend wurde zu den Dienstleistungen der Klasse 38 ausgeführt, dass nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass die Wortbildmarke vom Publikum in ihrem (im Vordergrund stehenden) Wortteil ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibender Hinweis auf die damit bezeichnete Dienstleistung (Hilfestellung beim Auffinden eines freien Taxis) verstanden wird. Anderes gilt hingegen für die Dienstleistungen der Klasse 41 (Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung) und der Klasse 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten), weil das angemeldete Zeichen vom Publikum nicht unmittelbar gedanklich mit der Art, Natur oder Beschaffenheit von Unterhaltungsveranstaltungen oder den in Klasse 35 genannten Dienstleistungen in Verbindung gebracht wird und daher keinen beschreibenden Inhalt aufweist.
4.2. myflat- Entscheidung, 4 Ob 153/21k :
Den Antrag, die Wortmarke und die Wortbildmarke

einzutragen, hat der OGH für die Klasse 35 (Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben) und für die Klasse 36 (Immobilienwesen; Immobilienvermittlung; Dienstleistungen der Immobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksgeschäften; Beratung in Immobilienangelegenheiten; computergestützte Erteilung von Auskünften über Immobilien; Dienstleistungen von Immobilienbüros; Beratung über Immobilien) abgewiesen, hingegen für die Klasse 9 (Software; Software und Softwareapplikationen für mobile Geräte), die Klasse 42 (Design von Computer-Software; Vermietung von Computer-Software; Wartung und Reparatur von Software; Hosting von Plattformen im Internet; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierter Software; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von webbasierten Anwendungen) und die Klasse 45 (Juristische Dienstleistungen) bewilligt.
Begründend wurde zum abweisenden Teil des Eintragungsantrags ausgeführt, dass nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass das Publikum – das insoweit über ausreichende Englischkenntnisse verfügt – den (im Vordergrund stehenden) Wortteil des Zeichens ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibenden Hinweis auf die damit bezeichnete Dienstleistung im Zusammenhang mit der Errichtung, der Verwaltung oder der Vermittlung von Immobilien verstehen wird. Hinsichtlich des antragsstattgebenden Teils der Markenanmeldung führte der OGH aus, dass die angemeldeten Zeichen vom Publikum nicht unmittelbar gedanklich mit der Art, Natur oder Beschaffenheit der in diesen Klassen genannten Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht werden, sodass sie keinen beschreibenden Inhalt aufweisen. Wenngleich Computer-Software oder juristische Dienstleistungen auch im Zusammenhang mit der Errichtung, der Verwaltung oder der Vermittlung von Immobilien angeboten werden können, ist ein (übersetzt lautendes) Zeichen „meine Wohnung“ dennoch nicht glatt beschreibend. Wegen der vielschichtigen Möglichkeiten bei juristischen Dienstleistungen und im IT-Bereich lässt sich die Beziehung zwischen Dienstleistung und Zeichen nämlich erst im Weg besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen.
4.3. Die HILFSWERK ÖSTERREICH- Entscheidung, 4 Ob 42/22p :
Dem Antrag, die Wortmarke HILFSWERK ÖSTERREICH einzutragen, wurde für die Klasse 44 (Dienstleistungen von Erholungsheimen und Genesungsheimen; Betrieb von und Dienstleistungen von Pflegeheimen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Betrieb von und Dienstleistungen für Tagesrehabilitationseinrichtungen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; medizinische Hauskrankenpflege und mobile Therapie; Pflegedienste für Kranke, Senioren und behinderte Menschen; sozialmedizinische und therapeutische Betreuungsdienste; medizinische Betreuung für alte und behinderte Menschen; psychosoziale Beratung) stattgegeben. Begründend führte der OGH aus, dass die Hilfeleistung ein Element im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 44 sein mag, doch ist das Zeichen HILFSWERK dennoch nicht glatt beschreibend. Belange der Gesundheit oder des Alters (worauf die Dienstleistungen der Klasse 44 abzielen) sind nicht mit (sozialer) Hilfsbedürftigkeit im Sinne einer finanziellen Notlage gleichzusetzen, sondern stehen im Zusammenhang mit den überwiegend entgeltlichen, professionellen, komplex regulierten und anspruchsvollen Diensten des Gesundheitswesens. Wegen der vielschichtigen Ausgestaltungen der konkreten Dienstleistungen lässt sich die Beziehung zwischen Dienstleistung und Zeichen erst im Weg besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen.
5. Zutreffend führt die Antragstellerin im Rekurs aus, dass dem Markenwortlaut „THE LAB“ die klare Begriffsbedeutung „das Labor“ zukommt.
5.1 Bei Anwendung der obigen Grundsätze hat die angefochtene Entscheidung Bestand. Nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose ist zu erwarten, dass die Waren vom Publikum ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibender Hinweis auf die Ausstattung eines chemischen Labors oder – in Bezug auf „pharmaceutical preparations and other preparations for destroying vermin, fungicides, herbicides” (Klasse 5) – auf die Entwicklung in einem chemischen Labor oder auf die Herkunft aus einem chemischen Labor (aber nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen) verstanden werden. Das Publikum wird annehmen, dass diese Waren in einem Labor zum Einsatz kommen und/oder im Rahmen der medizinischen Labordiagnostik (beispielsweise in Arztpraxen) Anwendung finden und/oder in einem Labor entwickelt oder hergestellt werden.
Das Rekursgericht teilt im übrigen nicht die Auffassung der Anmelderin, wonach das Zeichen schon allein durch den vorangestellten Artikel „the“ unterscheidungskräftig für die beanspruchten Waren wäre.
6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, die über den Einzelfall hinaus bedeutsam sind (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.