33R86/22t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarken ADVANTAGE (AM 13038/21, 33 R 86/22t) und ADVANTAGE THERAPEUTICS (AM 13039/21, 33 R 87/22i) über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts vom 4.7.2022, AM 13038/2021-3 und AM 13039/2021-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Rechtsmittelverfahren 33 R 86/22t und 33 R 87/22i werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist 33 R 86/22t.
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils nicht zulässig.
Begründung
Text
1. Gemäß § 187 ZPO, gegen den heranzuziehen das Rekursgericht – auch trotz des Fehlens einer allgemeinen Verweisungsnorm im Außerstreitgesetz – keine Bedenken hat, kann der Senat bei Parteienidentität Verfahren verbinden, wenn dadurch die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny ³ § 187 ZPO Rz 10; OLG Wien zuletzt 33 R 73/20b).
Die Voraussetzungen der Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung sind für das Rekursgericht – neben der evidenten Parteienidentität – schon allein dadurch gegeben, weil die Entscheidung mit einem Rechtsmittel bekämpft werden könnte. In beiden Verfahren ist auch die rechtliche Beurteilung nahezu ident.
2. Die Antragstellerin begehrt die Eintragung der Wortmarken
ADVANTAGE
und
ADVANTAGE THERAPEUTICS
jeweils für die Waren und Dienstleistungen der Klassen
5 Pharmazeutische Präparate für den Menschen, nämlich pharmazeutische Präparate zur Behandlung und Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit und Demenz;
42 Forschungs- und Entwicklungsdienste und wissenschaftliche Beratung im Bereich der pharmazeutischen Erzeugnisse und Diagnostik in Bezug auf Alzheimer-Krankheit und Demenz; Klinische Forschung für Dritte im Bereich der pharmazeutischen Erzeugnisse und Diagnostik in Bezug auf Alzheimer-Krankheit und Demenz;
44 Erteilung von Auskünften in Bezug auf Medizin und Gesundheit im Bereich Alzheimer-Krankheit und Demenz, nämlich Auskünfte in Bezug auf Forschung, Entwicklung, Behandlung und klinische Forschung.
3. Zu AM 13038/21 (33 R 86/22t) lehnte die Rechtsabteilung des Patentamts die Eintragung der Wortmarke ADVANTAGE für alle beantragten Waren und Dienstleistungsklassen gemäß § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ab.
Zu AM 13039/21 (33 R 87/22i) wurde der Eintragungsantrag von ADVANTAGE THERAPEUTICS für die Waren der Klasse 5 gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG abgewiesen und ausgesprochen, dass nach der Rechtskraft dieser Entscheidung die Schutzzulassung der verbleibenden Klassen 42 und 44 verfügt werde.
In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Konsumenten die Zeichen mit „Vorteil“ und „Vorteil Therapeutika (= Heilmittel)“ übersetzen und in der Folge darin keine phantasiehafte, auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisende Marke erkennen würden. Es handle sich bei ADVANTAGE um eine beschreibende und bei ADVANTAGE THERAPEUTICS um eine allgemein hinweisende Angabe im Hinblick auf die Bestimmung und auf die Qualität der Waren und das Thema der Dienstleistungen. Daher dürfte dieses Wort/diese Wortfolge nicht für einen Markenanmelder monopolisiert werden.
Dagegen richten sich die Rekurse der Antragstellerin. Sie beantragt, die Entscheidungen abzuändern und die angemeldeten Zeichen als Marken zu registrieren.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind nicht berechtigt.
4. Auch wenn die Rechtsabteilung ADVANTAGE bezogen auf die beantragten Waren und Dienstleistungen unter das Registrierungshindernis des § 4 Abs 1 Z 4 MSchG subsumiert hat, wurde inhaltlich auch mit der Aussage einer Werbebotschaft für die Waren und Dienstleistungen argumentiert (im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG). Zudem wäre ADVANTAGE ohnedies auch nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG zu prüfen, wenn das Registrierungshindernis nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG nicht zutreffen würde (vgl Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 49).
5.1 Gemäß § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist eine Registrierung ausgeschlossen, wenn das Zeichen ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Werts, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen kann.
Ein Zeichen ist beschreibend, wenn es im normalen Sprachgebrauch der relevanten Verkehrskreise die angemeldete Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale kennzeichnet ( Koppensteiner, Markenrecht 4 71 mwN; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 4 Rz 169 ff; RS0109431). Vom Registrierungsverbot sind nur Zeichen betroffen, deren Begriffsinhalt von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos, ohne komplizierte Schlussfolgerungen (vgl 4 Ob 38/03x, music-channel.cc ) und ohne besondere Denkarbeit (vgl 4 Ob 10/03d, More II ) erschlossen werden kann. Der beschreibende Charakter muss sohin allgemein, zwanglos und ohne besondere Gedankenoperation erkennbar sein (Om 1/01, R. Lanerossi ; EuGH C 326/01 P, Universaltelefonbuch; C 494/08 P, Pranahaus; RS0066456; RS0109431).
Im Allgemeinen reicht es nicht zur Schutzversagung, dass nur auf eine beschreibende Angabe angespielt oder ein der Ware oder Dienstleistung zu Werbezwecken zugeschriebenes Image angedeutet wird, wenn dies nicht über den erlaubten Bereich der Suggestion oder Anspielung hinausgeht (vgl 4 Ob 239/98w; RS0109431, RS0090799, RS0066456; 4 Ob 11/14t ua).
5.2 Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]).
Bei einer Wortmarke fehlt die Unterscheidungskraft jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft (EuGH C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69). Eine beschreibende Marke iSd § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG (C 363/99, Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (Om 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .
5.3 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644).
5.4 Mit dem Verbot, ausschließlich beschreibende Zeichen oder Angaben als Marken einzutragen, wird der Zweck verfolgt, zu verhindern, dass Zeichen oder Angaben als Marken eingetragen werden, die wegen ihrer Übereinstimmung mit der üblichen Art und Weise die betroffenen Waren oder Dienstleistungen oder ihre Merkmale zu bezeichnen, die Funktion, dass sie vertreibende Unternehmen zu identifizieren, nicht erfüllen könnten und die daher nicht die Unterscheidungskraft besitzen, die diese Funktion voraussetzt. Darunter fallen nur solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis des Verbrauchers die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Eine Marke, die dieser Definition entsprechend Zeichen oder Angaben enthält, kann außerdem nur dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn sie nicht noch weitere Zeichen oder Angaben enthält und wenn ferner die in ihr enthaltenen ausschließlich beschreibenden Zeichen oder Angaben nicht in einer Weise wiedergeben oder angeordnet sind, die das Gesamtzeichen von der üblichen Art und Weise die fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder ihrer wesentlichen Merkmale zu bezeichnen, unterscheidet (vgl EuGH C 383/99, Baby-Dry ; 17 Ob 4/08z; Om 10/09, Obm 4/12).
5.5 Die Eintragung eines Wortes als Marke scheidet bereits dann aus, wenn sie nur in einer der innerhalb der Gemeinschaft im Verkehr verwendeten Sprachen ausschließlich beschreibend ist (vgl EuGH C 383/99, Baby-Dry ; C 363/99, Postkantoor ; C 326/01, Universaltelefonbuch ). Für die Frage, ob eine Wortmarke beschreibend ist, ist der normale Wortsinn, wie er sich aus Wörterbüchern oder ähnlichen Werken ergibt, heranzuziehen (RS0123978).
5.6 In § 4 Abs 1 Z 4 MSchG bedeutet „ausschließlich“, dass vom Registrierungsverbot Zeichen nicht erfasst werden, die neben der Angabe des Ortes der Herstellung usw noch andere Bestandteile enthalten, so dass jene Angabe nicht ihr einziger („ausschließlicher“) Inhalt ist. Hat aber das Zeichen daneben noch eine andere Bedeutung, so wird es deshalb noch nicht registrierbar, denn das Wort „ausschließlich“ bezieht sich auf „bestehen“ und nicht auf „zur Bezeichnung [...] dienen können“ ( Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 214 f).
5.7 Ob einer Fremdsprache entnommene Begriffe Unterscheidungskraft besitzen, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr im Begriff einen Sinngehalt erkennen konnte, der die Herkunftsfunktion des Zeichens beseitigen würde (4 Ob 325/99v, Manpower mwN; 4 Ob 277/04w, Powerfood ).
6. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Beurteilungen des Patentamts im Ergebnis nicht zu beanstanden.
6.1 Die Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 4 MSchG hat nicht den Schutz der Käufer, sondern den der Konkurrenz im Auge. Sie sollen nicht gehindert werden, Angaben, die Waren oder Dienstleistungen beschreiben, zu verwenden.
Die Ansicht der Antragstellerin, dass der Begriff ADVANTAGE und die Wortfolge ADVANTAGE THERAPEUTICS ohne weiteren Denkprozess keine konkrete – über eine Anspielung hinausgehende – Aussage über den Sinngehalt bewirken, kann nicht geteilt werden. Sowohl ADVANTAGE (mit der Übersetzung ins Deutsche mit „Vorteil“) als auch ADVANTAGE THERAPEUTICS („Vorteil“ „Therapeutika“ [= Heilmittel]) sind leicht verständliche, allgemein beschreibende Begriffe, sodass sie im Gesamteindruck jedenfalls nicht als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden. Die Zeichen sind beschreibend im Hinblick auf ihre (positive) Wirksamkeit und bringen damit einen werbenden Sinngehalt zum Ausdruck, der über die Grenze einer Suggestion oder Anspielung hinausgeht.
Die Begriffe sind nicht so abstrakt oder allgemein, dass sie potentiell nicht als Beschreibung geeignet wären. Durch das leicht fassbare und verständliche Übersetzungsergebnis wird der positiv werbende Charakter der damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen in den Vordergrund gestellt, um sich beim Thema der Waren- und Dienstleistungsklassen in Bezug auf Alzheimer/Demenz von Produkten anderer Anbieter abzuheben.
6.2 Die Antragstellerin trägt vor, dass die Zeichen nur eine banale Aussage enthalten, die keinen Konsumenten überzeugen und von einem Werbefachmann in dieser Form auch nicht angewendet würden; dem ist entgegen zu halten, dass es nur darauf ankommt, ob die Verkehrskreise ohne weiteren Nachdenkprozess einen direkten Bezug zur (positiven) Wirkungsweise der so bezeichneten Waren und Dienstleistungen herstellen, was aus Sicht des Rekursgerichts der Fall ist. Auf das allfällige Ausmaß oder den Erfolg einer werblichen Wirkung kommt es nicht an.
6.3 Die Frage, ob die Verwendung dieser Begriffe als Werbebotschaft für Heilmittel oder Forschungs- und Auskunftsdienstleistungen üblich ist, kommt insoweit keine wesentliche Bedeutung zu, weil Eintragungshindernisse auch im Licht des Allgemeininteresses auszulegen sind. Der Begriff ADVANTAGE und die Wortfolge ADVANTAGE THERAPEUTICS sind aufgrund der allgemeinen Häufigkeit ihrer Verwendung oder ihrer Verwendungsmöglichkeit in Bezug auf den beanspruchten Schutzbereich einschränkend auszulegen, weil mit der Eintragung von derartigen Marken für diese Waren und/oder Dienstleistungen in diesem Segment ein Monopol entstehen würde, das mit dem Allgemeininteresse an einem System eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar wäre. Die Verfügbarkeit des Begriffs und der Wortfolge soll für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden.
6.4 Die Hinweise der Antragstellerin auf die Eintragbarkeit von LEADER für die Waren der Klasse 9 (Urteil des dBPatG vom 10.6.2021 [30 W (pat) 49/20]) führt schon deshalb zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, weil Markeneintragungen grundsätzlich keine präjudizielle Wirkung für andere Verfahren entfalten (stRsp, zuletzt zB 4 Ob 78/18a, Schneewette ; 4 Ob 90/20v, Kulinarium Catering; Asperger in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 4 Rz 71 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).
6.5 Auf Grund der beschreibenden Funktion von ADVANTAGE und des Fehlens der Unterscheidungskraft von ADVANTAGE THERAPEUTICS bedarf es auch keiner noch weiter zu differenzierenden Betrachtung der von den Rekursen betroffenen Waren und Dienstleistungen.
Die Entscheidungen der Rechtsabteilung bedürfen somit keiner Korrektur.
7. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.