JudikaturOLG Wien

33R59/22x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Schutzzulassung der österreichischen Marke Nr. 310727 (Wortbildmarke „burgenland“) über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.1.2022, WM 46/2021 2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Im Widerspruchsverfahren stehen einander die folgenden Marken gegenüber:

Die Antragstellerin richtete den Widerspruch nur gegen einen Teil der Waren und Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, nämlich gegen jene Waren und Dienstleistungen, die in der Tabelle genannt sind. Sie brachte in ihrem Widerspruch vor, die runden, orange-roten Logos der zu vergleichenden Marken seien als hochgradig ähnlich anzusehen. Die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen seien identisch oder hochgradig ähnlich. Es liege Verwechslungsgefahr vor.

Die Antragsgegnerin (ein Verein) beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr. Die Zeichen seien wegen des Fehlens von visuellen, phonetischen und konzeptuellen Übereinstimmungen nicht ähnlich. Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit seien neben der Art und stofflichen Beschaffenheit der Waren auch ihr Verwendungszweck sowie die Vertriebsstätten und Vertriebswege zu berücksichtigen. Während die Antragstellerin Nahrungsmittel in der Take-Away-Gastronomie anbiete, vertreibe die Antragsgegnerin lokale Spezialitäten aus dem Burgenland. Um eine Ähnlichkeit zu begründen, genüge nicht, dass die Waren aus denselben Rohstoffen angefertigt sein mögen. Die Überschneidungen in der Klasse 43 seien minimal. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nur als gering einzustufen und sie sei für die angebotenen Waren beschreibend.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch teilweise statt und hob die Registrierung mit Wirksamkeit vom Zeitpunkt der Registrierung hinsichtlich der oben in Fettdruck hervorgehobenen Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 43 auf.

Im übrigen Umfang der vom Widerspruch erfassten Waren und Dienstleistungen wies die Rechtsabteilung den Widerspruch unbekämpft ab.

Jene Waren und Dienstleistungen, deren Registrierung aufgehoben wurde, beurteilte die Rechtsabteilung als ähnlich bis identisch und bejahte die bildliche Ähnlichkeit der Zeichen. Daher sei eine unmittelbare Zuordnungsverwirrung zu befürchten und eine mittelbare insofern, als die angegriffene Marke als Fortentwicklung der Widerspruchsmarke betrachtet werden würde.

Gegen den stattgebenden Teil des Beschlusses richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern und den Widerspruch vollinhaltlich abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s/Norma, Rn 43; vgl EuG T 599/10, Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (RS0115351; RS0121482; RS0121500 [T4]; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon, Rn 17).

Die Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, Firn; 17 Ob 36/08f, Kobra/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner aaO 117 mwN bei FN 108).

1.2. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck auf einen nicht ganz unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung (C 342/97, Lloyd, Rn 26; 4 Ob 61/90, quattro/Quadra; RS0078944).

Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Klang, Bild oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den die Marke hervorruft. Dabei sind die unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (RS0117324). Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (C 251/95, Sabèl/Puma, Rn 23; C 120/04, Life/Thomson Life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; RS0066753) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich auch nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, LTJ Diffusion SA, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 4 Ob 25/05p, Zorro ; RS0117324 [T7]).

1.3. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher aaO § 30 Rz 10 f mwN).

2. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung, dass die angegriffene Marke keinen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke einhält, weil die von der Aufhebung der Registrierung betroffenen Waren und Dienstleistungen großteils identisch, jedenfalls aber den registrierten Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke sehr ähnlich sind.

2.1. Entgegen den Rekursausführungen (S 3) ist die Widerspruchsmarke keine einfache geometrische Figur. Vielmehr weist sie durch den gelben dezentralen Punkt mit unförmig verlaufenden Rändern und gelben und orangen Halbkreisschwüngen besondere gestalterische Elemente auf.

Auf S 4 des Rekurses wird dazu auch vorgetragen, dass die Widerspruchsmarke gewisse Assoziationen hervorruft (Schüssel, eingerollter Taco).

Darin unterscheidet sich auch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu den von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen T 191/08 (Rufzeichen in einem Rechteck) und T 626/14.

Wie aus der Begründung zu T 191/08 (vgl Rz 27 f) folgt, sei der Verbraucher auf Basis eines simplen Ausrufezeichens nicht in der Lage, auf die Herkunft der angemeldeten Waren zu schließen, insbesondere weil es keine besondere Schriftgestaltung aufgewiesen habe. Vielmehr werde ein Ausrufezeichen als bloße Anpreisung oder als Blickfang wahrgenommen.

Weil ein Kreis oder eine Kugel für die Form der fraglichen Waren (Kaugummi, Bonbons etc) üblich sei, wurde zu T 626/14 (vgl Rz 18 f) hinsichtlich einzelner Waren der Klassen 3 und 30 (Schutz wurde auch hinsichtlich der Klasse 29 und weiterer Waren der Klasse 3 und 30 beantragt) die Unterscheidungskraft einer Bildmarke verneint, die die Form eines Kreises oder einer Kugel hat, die in zwei Hälften geteilt ist, von der die linke Hälfte blau und die rechte Hälfte türkis-blau ist.

In Richtung dieser Begründung zielen auch die Argumente der Antragsgegnerin, wenn sie auf den beschreibenden Charakter der Widerspruchsmarke verweist. Wie bereits dargestellt, ist im Widerspruchsverfahren auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen. Das Rekursgericht erkennt in der Widerspruchsmarke weder eine Schüssel mit einer Sauce oder einer Suppe, noch einen nicht zusammengerollten Taco.

Die weitere Argumentation der Antragsgegnerin, die Antragstellerin verwende das Zeichen selbst nur in Kombination mit der Bezeichnung „Taco Mundo“, lässt den Grundsatz außer acht, dass auf den Registerstand und nicht auf die tatsächliche Verwendung abzustellen ist.

Das Rekursgericht beurteilt die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ebenfalls als durchschnittlich.

2.2. Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck sind nach der stRsp insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen ( Schumacher aaO § 10 Rz 497). Wie von der Rechtsabteilung richtig ausgeführt, ist bei einer reinen Bildmarke weder eine klangliche noch eine begriffliche Beurteilung möglich.

Das Rekursgericht teilt die Ansicht, dass in bildlicher Hinsicht bei der jüngeren Marke der rote Kreis mit dem gelben dezentralen Punkt sowie den gelben und orangen (Halb-)Kreisschwüngen das prägende Element ist und die beteiligten Verkehrskreise das zusätzliche Wortelement „burgenland“ unabhängig von dessen Größe als geografische Angabe der Herkunft oder als Erbringungsort ansehen.

Im prägenden Element besteht eine sehr weitgehende Ähnlichkeit. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich dem Durchschnittsverbraucher – wie oben bereits ausgeführt – nur selten die Möglichkeit bietet, die Zeichen unmittelbar miteinander zu vergleichen. Die von der Antragsgegnerin im Rekurs hervorgehobenen Unterschiede (großflächige Farbflächen und roter Farbschwerpunkt bei der Widerspruchsmarke im Vergleich zu einer durchgängig geführten Linie und einem gelben Farbschwerpunkt bei der angegriffene Marke ) sind nicht derart gravierend, dass sie ohne direkten Vergleich auffallen würden.

Ein entscheidender Unterschied zu den von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen T 317/01 und T 162/01 liegt darin, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine reine Bildmarke handelt und die Marken im prägenden Teil eine sehr weitgehende Ähnlichkeit aufweisen. Diese kann durch die Beifügung des Namens eines Bundeslands bei der jüngeren Marke nicht beseitigt werden. Im Gegensatz zur Entscheidung des OLG Wien (133 R 36/18v, Wels/Hotels ) besteht die Widerspruchsmarke nicht bloß aus einem einzelnen Buchstaben sondern weist eine besondere Gestaltung auf. Daher sind an die weiteren Elemente einer jüngeren Marke, die die Ähnlichkeit beseitigen sollen, höhere Ansprüche zu stellen als dies in der zitierten Entscheidung der Fall war (vgl dazu auch 34 R 153/14s, Kivi ).

2.3. Schließlich bringt die Antragsgegnerin gegen die Beurteilung der Warenähnlichkeit durch die Rechtsabteilung nur zu den Waren „konservierte Kürbisse“, „verarbeitete Kürbiskerne“ und „Kürbiskernöle für Nahrungszwecke“ und zur Dienstleistung „Durchführung von Weinproben“ vor, beschränkt sich aber auch dabei auf die bloße Behauptung, dass diese im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke weder enthalten noch den enthaltenen ähnlich seien. Eine Begründung für diese Einschätzung bringt sie hingegen nicht vor.

Die Ware „verarbeitete Kürbiskerne“ ist von der Aufhebung nicht umfasst, darauf muss also nicht eingegangen werden.

Wenngleich die Einordnung von Kürbis zu Obst oder Gemüse nicht eindeutig ist (Kürbisse weisen typische Eigenschaften sowohl von Obst als auch von Gemüse auf), beseitigt dies die Warenähnlichkeit nicht, weil die Widerspruchsmarke für die Waren „Konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse“ eingetragen ist und „konservierte Kürbisse“ daher mit diesen ident sind.

Dass „Kürbiskernöle für Nahrungszwecke“ mit der Ware „Speiseöle und fette“ ident sind, ist offensichtlich. In beiden Fällen handelt es sich um Speiseöle, bei der jüngeren Marke wird nur auf einen bestimmten Rohstoff eingeschränkt.

Schließlich ist auch die Identität der Dienstleistungen „Durchführung von Weinproben [Verpflegung von Gästen mit Getränken]“ mit der Dienstleistung „Dienstleistungen zur Verpflegung“ und „Dienstleistungen in Bezug auf die Zubereitung von Speisen und Getränken“ zu bejahen. Die Antragsgegnerin bringt auch dazu keine Argumente vor, die gegen deren Identität sprechen.

2.4. Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf daher zusammengefasst keiner Korrektur.

3. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

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