33R79/22p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, den Richter Mag. Schmoliner und die fachkundige Laienrichterin Hofrätin Mag. Dr. Jagetsberger in der Markenschutzsache der Antragstellerin *****, vertreten durch die GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wider die Antragsgegnerin *****, vertreten durch die Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Löschung der Wortmarke CLINDAC (AT 181200) über die Berufung der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 11. Mai 2022, Nm 60/2020 7, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:
„1. Dem Antrag auf Löschung der Marke CLINDAC (AT 181200) aus dem Markenregister wird insoweit stattgegeben, als die Marke mit Wirksamkeit 9.12.2020 auf die Waren ‚Arzneimittel zur Behandlung von bakteriellen Infektionen‘ eingeschränkt wird.
2. Das Mehrbegehren auf vollständige Löschung der Marke CLINDAC (AT 181200) wird abgewiesen.
3. Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin EUR 275 an anteiligen Barauslagen zu ersetzen.“
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 4.901,30 (darin EUR 800 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortmarke
CLINDAC
(registriert seit 19.3.1999 unter AT 181200), eingetragen für die Waren der Klasse 5 (pharmazeutische Erzeugnisse).
Die Antragstellerin beantragte am 9.12.2020 die Löschung dieser Marke nach § 33a Abs 1 und 2 MSchG mit dem wesentlichen Vorbringen, die Marke sei in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung weder von der Antragsgegnerin noch von Dritten für die eingetragenen Waren benutzt worden und daher löschungsreif. Bei dem Arzneimittel CLINDAC handle es sich um ein Antibiotikum zur Behandlung bakterieller Infektionen. Dieses mache nur einen geringen Teil des Oberbegriffs „pharmazeutische Erzeugnisse“ aus, welcher in Untergruppen zu unterteilen sei. Selbst bei Rechtsbestand der angefochtenen Marke sei diese zumindest auf den engen Begriff einzuschränken.
Die Antragsgegnerin hielt dem entgegen, sie benutze die Marke durchgehend seit 2005. Dabei seien ihr die Benutzungshandlungen ihrer Rechtsvorgängerin, der Hexal Pharma GmbH, ebenso zuzurechnen wie jene ihrer Konzernschwestergesellschaft, der Sandoz GmbH, welche die Marke aktuell benutze. Konkret habe diese im antrags-relevanten Zeitraum diverse Kapseln und Filmtabletten unter der Marke vertrieben und dabei in Österreich einen Umsatz von mehr als EUR 400.000 brutto pro Jahr erzielt. Von einer Scheinbenutzung könne daher keine Rede sein. Die Benutzung erfolge auch für ein pharmazeutisches Erzeugnis und damit genau für jenes Erzeugnis, für das die Marke registriert sei. Die Verwendung gelte auch für weitere Waren und Dienstleistungen, wenn diese in ihren Eigenschaften und Zweckbestimmungen mit den benutzten Waren übereinstimmten.
Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Patentamt den Löschungsantrag ab. Rechtlich folgerte es, die Marke sei im relevanten Zeitraum für pharmazeutische Erzeugnisse verwendet worden. Die Verwendung sei erkennbar in der Absicht erfolgt, Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren zu halten oder zu erhöhen. Der erzielte Umsatz erscheine ausreichend hoch, um von einer ernsthaften Benutzung auszugehen. Die Marke sei auf der Verpackung von Arzneimitteln auf eine für diesen Sektor übliche Weise aufgebracht worden. Dass die Marke dabei nur in Zusammenhang mit einer anderen Marke bzw einem anderen Zeichen (Sandoz) verwendet worden sei, schade nicht, weil die angefochtene Marke dennoch deutlich erkennbar bleibe.
Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass die Marke auf die Waren „Antibiotika [in eventu Arzneimittel] zur Behandlung bakterieller Infektionen“ eingeschränkt werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor: Unter diesem Berufungsgrund rügt die Antragstellerin, das Patentamt habe sich weder mit den von ihr vorgebrachten (rechtlichen) Argumenten noch der von ihr zitierten Recht-sprechung zur Integration auseinandergesetzt. Damit spricht sie aber tatsächlich keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens an, sondern eine unrichtige rechtliche Beurteilung, die im Rahmen der Rechtsrüge behandelt wird.
2.1 Nach § 33a Abs 1 MSchG kann jedermann die Löschung einer im Inland registrierten Marke beantragen, soweit diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt wurde, es sei denn, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzung rechtfertigen kann.
Eine Marke wird „ernsthaft benutzt”, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, für die sie eingetragen wurde – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (C 40/01, Ansul, Rn 43; C 416/04 P, Sunrider, Rn 70; C 259/02, La Mer Technology, Rn 27; Om 8/11, WEG; 17 Ob 11/08d, BUZZ!; 4 Ob 26/18d, Compriband; RS0123519; RW0000854; OLG Wien 133 R 70/17t, LOOK; 33 R 79/21m, MAX.MOBIL )
2.2 Nur die Benutzung der Marke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, ist rechts-erhaltend ( Kucsko , MSchG 4 § 33a Anm 4). Um den Markeninhaber aber nicht ungebührlich in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einzuschränken, sind – ausgehend von den konkret benutzten Waren – ebenso Waren des Warenverzeichnisses als benutzt anzuerkennen, die in ihren Eigenschaften und Zweckbestimmungen mit den benutzten Waren übereinstimmen. Das sind solche Waren, die mit den im Wesentlichen gleichen Mitteln den gleichen Zweck erreichen sollen ( Beetz in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 33a MSchG Rz 63 und 66).
3.1 Dass die Marke in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung benutzt wurde, ist im Berufungsverfahren nicht mehr strittig. Nach den unbekämpften Feststellungen des Patentamts erfolgte die Benutzung jedoch nur für verschreibungspflichtige Antibiotika zur Bekämpfung bakterieller Infektionen.
3.2 Die MarkenRL lässt offen, wie im Fall einer bloß teilweisen Benutzung zu verfahren ist. Mittelbar kann dennoch auf die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) zu Unionsmarken zurückgegriffen werden ( Beetz aaO Rz 65).
Dieses hat in der Entscheidung T 256/04, Respicur die Verwendung der dortigen Marke für „rezeptpflichtige Corticoide enthaltende Dosieraerosole“ als nicht rechtserhaltend für den Oberbegriff „pharmazeutische Erzeugnisse“, sondern nur für die Untergruppe „Atemwegstherapeutika“ beurteilt.
3.3 Nach der in Deutschland herrschenden Lehre und Rechtsprechung kommt im Löschungsverfahren wegen Verfalls gegen eine bloß teilbenutzte Marke eine Einschränkung des Oberbegriffs auf eine Untergruppe durch Teillöschung in Betracht ( Ingerl/Rohnke , MarkenG³ § 26 Rz 113).
Die Rechtsprechung geht dabei von der sogenannten „erweiterten Minimallösung“ aus ( Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering , MarkenG 13 § 49 Rz 75). Waren bzw Dienstleistungen gelten demnach grundsätzlich nur für den Bereich als benutzt, für den sie eingesetzt worden sind. Darüber hinaus sind aber auch auch weitere Waren/Dienstleistungen, die zum „gleichen Bereich“ gehören, zu berücksichtigen ( Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 26 Rz 303).
Konkret bei pharmazeutischen Erzeugnissen anerkennt die deutsche Judikatur eine rechtserhaltende Benutzung nur für den Bereich, welcher der jeweiligen Arzneimittel-hauptgruppe in der „Roten Liste“ [ein in 88 Hauptgruppen unterteiltes Arzneimittelregister] entspricht, und zwar ohne Beschränkung auf bestimmte Wirkstoffe, Darreichungsformen oder auf eine Rezeptpflicht (BGH I ZR 110/03, Ichthyol II; Spuhler in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann , Markenrecht³ § 26 MarkenG Rz 90; Ströbele aaO Rz 317 mwN ).
3.4 Die dargelegte Rechtsprechung ist auch auf Österreich übertragbar: Nach § 34a Abs 1 MSchG sind teilweise Löschungserkenntnisse ausdrücklich zulässig. Eines gesonderten (Eventual)antrages dafür bedarf es nicht, handelt es sich doch um ein im Vergleich zur beantragten vollständigen Löschung um ein Minus ( Beetz aaO Rz 68; allgemein Fucik in Fasching/Konecny 3 III/2 § 405 ZPO Rz 42; zur deutschen Rechtslage Thiering aaO § 49 Rz 78 und § 55 Rz 50).
3.5 Wird die eingetragene Marke nur für spezielle Waren bzw Dienstleistungen eines allgemein gehaltenen Oberbegriffs bzw einer Gruppe von Waren und Dienst-leistungen benutzt wird, ist zu prüfen, ob der Oberbegriff bzw die Gruppe so weit gefasst ist, um in verschiedene Untergruppen aufgeteilt werden zu können, die jeweils als selbständig anzusehen sind. Ist eine solche Unterteilung in Untergruppen möglich, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nur für die tatsächlich benutzten Waren bzw Dienst-leistungen vor ( Beetz aaO Rz 67 mwN).
Der Oberbegriff „Pharmazeutische und veterinär-medizinische Erzeugnisse“ ist sehr weit gefasst und damit einer Aufteilung in Untergruppen zugänglich. Die Untergruppe ist dabei anhand des Kriteriums der therapeutischen Indikation zu bestimmen (EuG T 256/04, Respicur , Rn 33; T 487/08, Kremezin , Rn 59).
Therapeutische Indikation für die Anwendung des unter der Marke vertriebenen Arzneimittels ist die Behandlung akuter und chronisch bakterieller Infektionen (vgl Beilage ./M).
Das verdeutlicht aber auch, dass die benutzte Ware in ihrer Eigenschaft und Zweckbestimmung gerade nicht mit anderen Waren des Oberbegriffs übereinstimmt: Zur Behandlung nicht bakterieller, insbesondere virologischer, Infektionen eignet sich das Arzneimittel nämlich nicht.
Insoweit liegt ein maßgeblicher Unterschied zu den von der Antragsgegnerin zitierten Judikaturbeispielen vor: Ein Käseweckerl dient demselben Zweck, nämlich den Hunger zu stillen, wie ein Imbiss auf Fleisch-, Fisch- und Geflügelbasis (Om 6/07, Dozer ). Ebenso erfüllen Taschen und Koffer denselben Zweck, nämlich den Transport von Gegenständen, wie ein Schrankkoffer (Om 3/11, Jones ). Auch ein mit einem Poliermittel imprägniertes Tuch erreicht im Endeffekt denselben Zweck (Beseitigung von Verunreinigungen bei Schmuckstücken) wie andere Poliermittel für Metalle (EuG T 126/03, Aladdin) .
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Marke daher auf die maßgebliche Untergruppe „Arzneimittel zur Behandlung bakterieller Infektionen“ einzuschränken.
3.6 Auf die Frage, ob die Marke nach dem Arzneimittelgesetz bzw der Kennzeichnungsverordnung 2008 für ein anderes pharmazeutisches Produkt verwendet werden dürfte, kommt es im Löschungsverfahren nicht an. Dieses darf nämlich nicht mit der Frage belastet werden, ob ein Dritter in der Lage wäre, die Marke aktuell zu nutzen ( Ingerl/Rohnke aaO § 55 Rz 6). Ein rechtliches oder tatsächliches Interesse an der Löschung muss der Antragsteller nicht nachweisen ( Beetz aaO Rz 151).
Der Berufung war daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Marke mit Ausnahme der Waren „Arzneimittel zur Behandlung bakterieller Infektionen“ mit Wirksamkeit des Zeitpunkts der Antragstellung (§ 34a Abs 4 MSchG) zu löschen ist; das darüber hinaus gehende Begehren auf vollständige Löschung war abzuweisen.
4.1 Die Abänderung der Entscheidung bedingt auch eine Neufestsetzung der Kosten des Verfahrens erster Instanz. Da die Antragstellerin mit ihrem Begehren auf Löschung nur zum Teil durchgedrungen ist, beruht die Kostenentscheidung auf §§ 35 Abs 5, 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 PatG sowie § 43 Abs 1 ZPO. Die Antragstellerin ist nicht bloß mit einem geringfügigen Teil ihres Anspruchs unterlegen, weshalb ihr das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO nicht zu Gute kommt. Vielmehr stellt die von ihr erreichte Einschränkung der Marke auf die Untergruppe „Antibiotika“ ein erhebliches Minus gegenüber der begehrten gänzlichen Löschung dar. Handelt es sich um Ansprüche, die nicht in Geld bestehen, ist das Verhältnis des erfolgreichen und abgewiesenen Begehrens nach freiem Ermessen zu bemessen. Dabei kommt dem Gericht ein größerer Beurteilungsspielraum zu ( Weiser , PatG³ § 122 mwN; Stadler/Gehring , PatG § 122 Rz 19).
Konkret ist von einem gleichteiligen Obsiegen/Unterliegen auszugehen: Die Antragstellerin erreichte die Einschränkung der Marke auf eine Untergruppe, die Antragsgegnerin konnte hingegen die gänzliche Löschung ihrer Marke abwenden. Somit sind die Kosten im Sinne des § 43 Abs 1, 1. Fall, ZPO gegeneinander aufzuheben. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin nur die Hälfte der Pauschalgebühr, das sind EUR 275, zu ersetzen (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 § 43 ZPO Rz 5 f).
4.2 Im Berufungsverfahren hingegen ist die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Einschränkung der Marke auf die Untergruppe „Arzneimittel zur Behandlung bakterieller Infektionen“ zur Gänze durchgedrungen, sodass sich hier die Kosten-entscheidung auf §§ 35 Abs 5, 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie §§ 41, 50 Abs 1 ZPO gründet.
Der Antragstellerin sind dabei ihre Vertretungskosten ohne Umsatzsteuer zuzusprechen: Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess – kommentarlos – 20 % Umsatzsteuer, wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (§ 54 Abs 1 ZPO). Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuer-satzes nicht allgemein bekannt, kann die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (RS0114955). Dass für die angesprochenen Leistungen in Schweden eine Umsatzsteuerpflicht besteht, wäre daher dem Grunde und der Höhe nach von der Antragsstellerin zu behaupten und zu bescheinigen gewesen (vgl 1 Ob 5/20x).
5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.
Der Entscheidungsgegenstand ist vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Wegen der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000 (vgl 4 Ob 66/18m ua).
6. Die ordentliche Revision war zuzulassen, weil zur über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage, ob eine für pharmazeutische Erzeugnisse eingetragene Marke durch Teillöschung auf jene Untergruppe, für die das Arzneimittel tatsächlich verwendet wird, einzuschränken ist, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.