JudikaturOLG Wien

18Bs118/22t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. August 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen Mag. A*-B* C* wegen § 288 Abs 1 und 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. April 2022, GZ 333 HR 61/22y-21, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Staatsanwaltschaft Wien führte aufgrund einer Sachverhaltsdarstellung vom 18. Februar 2021 (ON 2) zu AZ 36 St 55/22a ein Ermittlungsverfahren gegen Mag. A*-B* C* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 3 StGB und des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB.

Es bestand der Verdacht Mag. A*-B* C* habe

I./ als Auskunftsperson vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss am 12. Jänner 2021 in D* falsch ausgesagt, indem er

1./ tatsachenwidrig angab, dass er keine Kenntnis über den E-Mailverkehr zwischen Sektionschef Mag. E* F*, dem leitenden Oberstaatsanwalt Mag. G* H*, LL.M., und weiteren Personen zwischen dem 17. Mai 2019 und 20. Mai 2019 habe, obwohl ihm diese E-Mails von Mag. F* weitergeleitet worden waren;

2./ tatsachenwidrig angab, dass er keine Wahrnehmungen zu Wünschen von Regierungsmitgliedern im Hinblick auf die Ermittlungen zur Ibiza-Affäre habe, obwohl ihm entsprechende Wünsche des Bundesministers für Justiz, Dr. I* J*, per E-Mail mitgeteilt worden waren;

3./ verschwiegen habe, dass er umfassend über die justizinternen Vorgänge in den Tagen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos informiert war;

II./ am 24. Februar 2021 in D* als Beamter, nämlich als Kabinettschef des Kabinetts des Bundesministers für Finanzen Mag. K*, MBA, ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart, dessen Offenbarung geeignet war, ein öffentliches Interesse zu verletzen, indem er die an das Bundesministerium für Finanzen gerichtete Anordnung der Sicherstellung der WKStA zu AZ 17 St 5/19d vom 19. Februar 2021 über die App „L * “ an Mag. E* F* übermittelte.

Die die Verdachtslage begründenden Ermittlungsergebnisse stützen sich zu Punkt I./ auf die Sachverhaltsdarstellung der Nationalsratsabgeordneten M* N* und Dr. O* P* vom 18. Februar 2021 (ON 2) und das darin auszugsweise enthaltene Protokoll der Befragung von Mag. A*-B* C* als Auskunftsperson vor dem „ Ibiza-Untersuchungsausschuss “ vom 12. Jänner 2021 und zu Punkt II./ auf die Berichte über die Sicherung der Kommunikationsverläufe der Applikation L* vom Mobilgerät des SC Mag. E* F* (ON 2 in ON 3) sowie auf die Funde von Daten vom Mobiltelefon des SC Mag. E* F* (ON 3 in ON 3, [Verschlussakt der WKStA zu 17 St 5/19d]).

Mit Eingabe vom 15. Februar 2022 (ON 14) beantragte Mag. A*-B* C* die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 108 StPO sowohl zu Punkt I./ als auch zu Punkt II./ des oben wiedergegebenen Tatverdachts.

Die Staatsanwaltschaft Wien äußerte sich ablehnend zum Einstellungsantrag (ON 16).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 21) stellte das Erstgericht das Ermittlungsverfahren gegen Mag. A*- B* C* wegen §§ 288 Abs 1 und 3; 310 Abs 1 StGB gemäß § 108 Abs 1 Z 1 und 2 StPO ein und führte zusammengefasst aus, dass die bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ergeben hätte, welchen Inhalt der von den Anzeigern behauptete E-Mailverkehr zwischen SC Mag. E* F*, dem leitenden Oberstaatsanwalt Mag. G* H*, LL.M und weiteren Personen zwischen dem 17. Mai 2019 und 20. Mai 2019 habe, und dass Mag. A*-B* C* tatsächlich Kenntnis davon gehabt habe. Gleiches gelte für ein von den Anzeigern behauptetes E- Mail, in dem Mag. A*-B* C* „ Wünsche von Regierungsmitgliedern im Hinblick auf die Ermittlungen zur Ibiza-Affäre “ mitgeteilt worden seien. Insgesamt sei bezüglich der gegenständlichen Aussagen des Beschuldigten als Auskunftsperson vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss weder deren Unrichtigkeit noch ein Vorsatz des Beschuldigten nachweisbar. Auch seien in dem seit März 2021 anhängigen Ermittlungsverfahren keine weiteren Ermittlungsschritte (etwa Zeugen- und Beschuldigteneinvernahmen) getätigt worden und werden auch keine (erfolgsversprechenden) Ermittlungen mehr geführt. Hinsichtlich des Verdachts des § 310 Abs 1 StGB sei kein Vorsatz des Beschuldigten nachweisbar.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die aufgrund einer Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien (ON 24) - eingeschränkt auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 3 StGB – erhobene, rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien (ON 25).

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Der Antrag nach § 108 StPO dient grundsätzlich dazu, einem Beschuldigten unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu geben, die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Einhaltung der Prinzipien der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit und des Beschleunigungsgebots sowie mit Blick auf die rechtliche Beurteilung einer gerichtlichen Prüfung unterziehen zu lassen. Es soll sichergestellt werden, dass das Ermittlungsverfahren nur so lange dauert, als es zur Überführung des Beschuldigten erforderlich und angemessen ist. Wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nicht einstellt, verletzt sie den Beschuldigten in seinem subjektiven Recht, nur so lange von einem Ermittlungsverfahren betroffen zu sein, als eine realistische Überführungsmöglichkeit vorhanden ist (Pilnacek /Stricker , WK-StPO § 108 Rz 9).

Gemäß § 108 Abs 1 StPO hat das Gericht das Ermittlungsverfahren auf Antrag des Beschuldigten einzustellen, wenn aufgrund der Anzeige oder der vorliegenden Ermittlungsergebnisse feststeht, dass die dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht oder die weitere Verfolgung des Beschuldigten sonst aus rechtlichen Gründen unzulässig ist ( Z 1 ) oder der bestehende Tatverdacht nach Dringlichkeit und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist ( Z 2 ).

Im vorliegenden Fall liegen bereits die Voraussetzungen der Einstellung nach § 108 Abs 1 Z 1 StPO vor.

Mit Sachverhaltsdarstellung vom 18. Februar 2021 (ON 2) erstatteten die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. O* P* und M* N* Anzeige des Inhalts, Mag. A* C* habe im Zuge seiner förmlichen Vernehmung als Auskunftsperson im Ibiza-Untersuchungsausschuss am 12. Jänner 2021 falsch ausgesagt, indem er

1./ tatsachenwidrig angab, dass er keine Kenntnis über den E-Mailverkehr zwischen Sektionschef Mag. E* F*, dem leitenden Oberstaatsanwalt Mag. G* H*, LL.M., und weiteren Personen zwischen dem 17. Mai 2019 und 20. Mai 2019 habe, obwohl ihm diese E-Mails von Mag. F* weitergeleitet worden waren;

2./ tatsachenwidrig angab, dass er keine Wahrnehmungen zu Wünschen von Regierungsmitgliedern im Hinblick auf die Ermittlungen zur Ibiza-Affäre habe, obwohl ihm entsprechende Wünsche des Bundesministers für Justiz, Dr. I* J*, per E-Mail mitgeteilt worden waren;

3./ verschwiegen habe, dass er umfassend über die justizinternen Vorgänge in den Tagen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos informiert war.

Dieser Anzeige war der nachstehende - selektiv lediglich einzelne die Anzeigebehauptung stützende Passagen aus der umfangreichen Aussage des Mag. C* vor dem Untersuchungsausschuss enthaltende, die weiteren Befragungen und Antworten des Beschuldigten zu diesen Themen hingegen hinweislos aussparende - Ausschnitt des Befragungsprotokolls angeschlossen:

Abgeordneter M* N* (Q*): Gut. Dann kommen wir vielleicht noch einmal kurz zur Veröffentlichung des Videos. Herr J* hat Ihnen, bevor es an die Öffentlichkeit gelangt ist, schon eine Vorwarnung gegeben. Habe ich das richtig verstanden?

Mag. A*-B* C*: Unmittelbar vor Veröffentlichung, ich kann mich nicht mehr genau an die Uhrzeit erinnern, aber es war früher Abend. Ich glaube, die Sondersendung im ORF hat um 17.30 Uhr begonnen, und ich habe wahrscheinlich um 17.10 Uhr, also 20 Minuten davor, einen Anruf bekommen: Irgendetwas kommt da!

Abgeordneter M* N* (Q*): Wissen Sie, woher er diese Vorabinformation hatte?

Mag. A*-B* C*: Nein.

Abgeordneter M* N* (Q*): Gut. Haben Sie Wahrnehmungen, dass dann der Minister in dieser Frage gegenüber Herrn F* oder anderen Wünsche geäußert oder Weisungen erteilt hat?

Mag. A*-B* C*: Also korrekterweise: Daran, woher Minister J* das wusste, kann ich mich nicht mehr erinnern.

Und zum Zweiten: Also Wünsche - - Ich weiß nicht, was Sie als Wünsche definieren. Woran ich mich erinnern kann, war, dass mir der Justizminister gesagt hat, dass er bereits mit E* F* telefoniert hat und ihn auch gebeten hat, sich diese Veröffentlichung, was das dann auch immer sein wird, bitte anzusehen und, falls es notwendig sein sollte, entsprechende Schritte einzuleiten.

Abgeordneter M* N* (Q*): Haben Sie Wahrnehmungen, dass er Weisungen erteilt hat?

Mag. A*-B* C*: Weisungen hätte ich keine wahrgenommen, nein.

Abgeordneter M* N* (Q*): Haben Sie Wahrnehmungen, dass Herr J* Präferenzen geäußert hätte, welche Organe da tätig werden sollen und welche nicht?

Mag. A*-B* C*: Nein, dazu hätte ich keine Wahrnehmungen.

Abgeordneter M* N* (Q*): Haben Sie mit Herrn J* über das Ibizavideo und darüber, was er für Wünsche hätte, wie da vorzugehen wäre, gesprochen?

Mag. A*-B* C*: Ja, selbstverständlich habe ich mit Herrn Justizminister J* über das Ibizavideo gesprochen. Es wäre ein bisschen lebensfremd, wenn ich nicht mit ihm darüber gesprochen hätte, es hat die ganze Republik über dieses Video gesprochen. Ich hätte aber niemals Wünsche wahrgenommen, wer wie wo ermitteln soll. Das hat der Herr Justizminister so gehandhabt wie auch sein Vorgänger, das hat er der zuständigen Sektion und den Dienststellen überlassen

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Sehr geehrter Mag. C*. Ich lege das Dokument ** vor und komme zur Seite 10, es tut mir leid, das ist ein bisschen angekritzelt, denn das ist mein Originaldokument, aber dann sehen Sie auch gleich, worum es geht (der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt – Auskunftsperson C*: Ich passe gut darauf auf!), und zwar um die ersten E-Mails im BMJ nach Veröffentlichung des Ibizavideos. Meine erste Frage lautet: Kennen Sie diese E-Mails, Seite 10, 11 und 12? (Die Auskunftsperson liest in dem ihr vorgelegten Schriftstück.)

Mag. A*-B* C*: Was war bitte noch einmal die Frage dazu?

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Ob Sie die E-Mails kennen.

Mag. A*-B* C*: Also ich bin weder Sender noch Empfänger und kenne sie nicht, nein.

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Ja, dennoch, man kann sie an Sie in anderen Korrespondenzen weiterleiten. Kennen Sie diese E-Mails?

Mag. A*-B* C*: Nein.

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Noch zu den Tagen nach Veröffentlichung, in denen auch diese E-Mails geschrieben wurden: Haben Sie Wahrnehmungen zu Wünschen nicht nur von J*, sondern eben auch anderen Regierungsmitgliedern, insbesondere auch S*, die ans Justizministerium gerichtet wurden, sei es an J*, sei es an Sie oder andere Personen im Justizministerium?

Mag. A*-B* C*: Meiner Erinnerung nach habe ich dazu keine Wahrnehmungen, nein.

Mag. A*-B* C*: Wie schon vorher beim Abgeordneten N* gesagt, der ähnlich gefragt hat, sind an mich keine Wünsche herangetragen worden.

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Wie bitte?

Mag. A*-B* C*: An mich sind keine Wünsche herangetragen worden.

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Nicht an Sie! An Justizminister J*, sonstige Kabinettsmitarbeiter, generell das Justizministerium – Ihrer Wahrnehmung nach.

Mag. A*-B* C*: Ich kann nicht für Dritte sprechen.

Abgeordnete Dr. O* P* (R*): Aber es geht um Ihre Wahrnehmungen.

Mag. A*-B* C*: Ich habe keine Wahrnehmungen dazu.

Dazu ist zunächst zur Vorgeschichte der Anzeige Folgendes festzuhalten:

Mag. C* war im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Ibiza-Videos am 17. Mai 2019 (und danach noch bis 3. Juni 2019) Kabinettschef des Ministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz unter Justizminister Dr. I* J*. Im Zeitpunkt seiner Befragung vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss war er Kabinettschef im Finanzministerium unter Bundesminister Mag. K*.

Am 12. Jänner 2021 wurde Mag. C* als Auskunftsperson vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (kurz: „ Ibiza-Untersuchungsausschuss “) förmlich befragt. Beweisthema war unter der Überschrift „ 5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre “ - hier interessierend - die “ Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangsweise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos ... “. Dazu wurde der Beschuldigte von den beiden anzeigenden Nationalratsabgeordneten M* N* und Dr. O* P* insbesondere perseverierend zu „ Wünschen“, „Weisungen“ oder „Präferenzen “ an den bzw vom Justizminister Dr. J* an ihm unterstellte Organe und staatsanwaltschaftliche Behörden nach Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos am 17. Mai 2019 befragt.

Konkret ist dem – erstmals am 13. April 2022 (!) durch die zuständige Haft- und Rechtsschutzrichterin beigeschafften – vollständigen Befragungsprotokoll „ Kommuniqué des Ibiza-Untersuchungsausschusses über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Mag. A*-B* C* in der 28. Sitzung vom 12. Jänner 2021 “ (ON 22) zu entnehmen, dass die Auskunftsperson zu „ Wünschen “ (wobei die „ Wünsche “ nicht näher präzisiert wurden, außer dass zum Ausdruck gebracht wurde, dass es „ nicht immer gleich eine Weisung sein “ müsse: Seite 17 im Kommuniqué = AS 16 in ON 22) bzw „ Präferenzen von Justizminister Dr. J* und von verschiedenen anderen Personen (Regierungsmitglieder, S*, Vertrauenspersonen etc) oder auch an Justizminister Dr. J*, an Mag. C* selbst oder an andere Personen im Justizministerium (Seite 16 bis 21 bzw 33 im Kommuniqué ON 22) gefragt wurde. Ob die Fragen der Abgeordneten auf Beeinflussung des Justizministers Dr. J* in seiner Entscheidung, welche der untergeordneten Staatsanwaltschaften federführend in den Ermittlungen der Ibiza Causa sein sollte, durch nicht unmittelbar zur Justiz zählende Personen oder andere Regierungsmitglieder abzielten, oder, ob es um Wünsche des Justizministers selbst zu dieser Thematik ging, bleibt offen. Jedenfalls war die Fragestellung aus Sicht der Auskunftsperson undeutlich und missverständlich zum einen dahingehend, was unter dem Begriff „ Wünsche “ konkret gemeint war, zum anderen welche Personen solche Wünsche geäußert und an welche solche herangetragen worden sein sollen.

Dieser Fragestellung steht gegenüber, dass die beiden Abgeordneten offensichtlich im Besitz konkreter Aktenteile (E-Mails) waren, auf die sich ihre Fragen bezogen, der Abgeordnete N* sich aber – trotz des Angebots der Fortsetzung der Befragung in nicht medienöffentlicher Sitzung – konsequent weigerte diese „ Dokumente “ oder „ Akten “, aus denen er den Verdacht der falschen Aussage des Mag. C* ableitete, vor dem Ausschuss vorzulegen oder auch nur zu konkretisieren, aus welchen genauen Umständen, Inhalten und Textpassagen hervorgehe, dass dessen Aussage falsch sei (Auszug aus dem Kommuniqué Seite 33 = AS 26 in ON 22: „...weil wir alle hier Dokumente vorliegen haben, aus denen wir wissen, dass das, was Sie sagen, jedenfalls eine objektive Unwahrheit ist.“; Seite 39 des Kommuniqués = AS 27 in ON 22: „ Wir alle hier wissen, dass es einen vertraulichen Akt gibt … in dem genau das Gegenteil bewiesen ist “, „Den Akt kann ich hier aufgrund der Verfahrensordnung, wie Sie wissen, natürlich nicht vorlegen ..“ (…) “ich kann selbst entscheiden, ob ich einen Akt vorlege oder nicht, ich wollte nur darauf hinweisen“; Seite 40 des Kommuniqués = AS 27 in ON 22: „...Ja, aber ich lege dort nichts vor…“ ), was vom Verfahrensrichter dahin quittiert wurde, dass er – entgegen der Forderung des Abgeordneten N*, die Auskunftsperson erneut auf die Folgen einer Falschaussage hinzuweisen – zum Ausdruck brachte, er sehe keinen Anlass, von einer offensichtlich wahrheitswidrigen Situation auszugehen (Seite 38 des Kommuniqués = AS 26 in ON 22). Konsequenterweise brachte der Verfahrensrichter sodann auch zum Ausdruck, er könne dem Vorsitzenden nicht empfehlen, ohne Vorlage des Aktes durch den Abgeordneten N* einer diesbezüglichen Anzeige näherzutreten (Seite 41 des Kommuniqués = AS 28 in ON 22).

Die Abgeordnete Dr. P* wiederum legte in ihrer Befragung der Auskunftsperson Mag. C* das - offenbar diverse E-Mails beinhaltende - Dokument mit der Nr. ** zur Ansicht vor, und stellte die Frage an Mag. C*, ob er diese E-Mails kenne, was von der Auskunftsperson mangels Erinnerung ebenso verneint wurde wie zB ihre Frage nach Wahrnehmungen der Auskunftsperson dazu, ob Sektionschef F* „auch anderweitig bei Korrespondenzen, in denen Sie auch Empfänger waren, in Blindkopie war? “ (Seite 32 des Kommuniqués ON 22 – Hervorhebung nicht im Original).

Diese Dokumente (E-Mails) wurden - wenngleich sich die spätere Sachverhaltsdarstellung der beiden genannten Abgeordneten auf eine Falschaussage des Angezeigten im Zusammenhang damit bezog - weder ihrer Anzeige angeschlossen, noch im weiteren Verfahren von Dr. P* vorgelegt (Ersuchen des Gerichts an Dr. P* ON 8 sowie die abschlägige Antwort derselben ON 10), obwohl sie den Anzeigern im Zeitpunkt der Anzeige nur wenige Tage nach der Einvernahme der Auskunftsperson wohl noch zur Verfügung standen.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren haben sich nun erstmals (das Verfahren ist seit 18. Februar 2021 anhängig) zugleich mit der im Akt erliegenden Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien (ON 24) im Amtshilfeweg bei der Zentralstelle des Justizministeriums beigeschaffte Kopien von diversen E-Mails im Zeitraum vom 18. Mai 2019 bis 21. Mai 2021 zwischen Sektionschef Mag. E* F*, dem Leitenden Oberstaatsanwalt Mag. G* H*, LL.M und weiteren Personen materialisiert (ON 23), in denen der Beschuldigte teilweise in Kopie („ cc “) angeführt ist bzw die an ihn „Zur Info !“ weitergeleitet wurden (ON 23).

Grundsätzlich sind diese Unterlagen vom Beschwerdegericht zu berücksichtigen, weil im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht kein Neuerungsverbot besteht (RIS-Justiz RS0097679). Fallbezogen ist aber ungeklärt, ob es sich bei dem nunmehr vorgelegten Kopienkonvolut um just jene Unterlagen handelt, die in der Befragung des Beschuldigten vor dem Untersuchungsausschuss gegenständlich waren:

Denn abgesehen davon, dass die nun vorliegenden Kopien weder die von der Abgeordneten zitierte Bezeichnung (Dokument Nr. **), noch die von ihr in der Befragung erwähnte „ Kritzelei “ aufweisen, sind auch die von der Abgeordneten vorgehaltenen Seiten 10, 11 oder 12 dem nunmehr vorgelegten Konvolut nicht zu entnehmen (dieses weist lediglich die im gegenständlichen Akt erfolgte Journalisierung auf). Ob es sich bei den vorgelegten E-Mails – zur Gänze oder zum Teil - um jene Dokumente handelt, die dem Beschuldigten bei seiner Befragung vorgehalten wurden, ist daher nicht geklärt (und auch nicht mehr klärbar).

Die von den Anzeigern konkret geortete Divergenz zwischen den Antworten des Beschuldigten vor dem Ausschuss und dem Inhalt der (teilweise?) in klassifizierten Akten enthaltenen „ Dokumente “ bzw einem E-Mail-Verkehr zwischen Sektionschef Mag. E* F*, dem leitenden Oberstaatsanwalt Mag. G* H*, LL.M., und weiteren Personen zwischen dem 17. Mai 2019 und 20. Mai 2019, woraus dessen Falschaussage resultieren soll, liegt aber auch aus nachstehenden Erwägungen nicht vor:

Eine Beweisaussage ist nach der vorherrschenden objektiven Aussagetheorie nur dann falsch iSd § 288 StGB, wenn ihr Aussage inhalt mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, also objektiv unrichtig ist. Falsch ist somit einen Aussage, wenn ein Widerspruch zwischen ihrem Inhalt und dem tatsächlichen (objektiven) Geschehen oder Zustand vorliegt, wobei vom wirklichen Geschehen nicht nur äußere, sondern auch innere Tatsachen erfasst werden. Zu letzteren können Berichte über ein Wissen oder eine Überzeugung gehören, insbesondere wenn die Beweisperson Fragen nach ihrer gegenwärtigen Kenntnis oder Erinnerung beantwortet (vgl Plöchl/Seidl in WK² StGB § 288 Rz 27).

Bei der Beurteilung der Strafbarkeit ist daher an erster Stelle zu prüfen, was genau Inhalt der auf ihre strafrechtliche Relevanz zu prüfenden Aussage ist.

Aus dem Kommuniqué des Ibiza-Untersuchungsausschusses über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Mag. A*-B* C* in der 28. Sitzung vom 12. Jänner 2021 (ON 22) ergibt sich,

zu Anzeigefaktum 1./,

dass der Beschuldigte auf die von der Nationalratsabgeordneten Dr. P* unter Vorhalt des Dokuments mit der Nr. ** gestellte Frage, ob er die auf den Seiten 10, 11 und 12 dieses Dokuments enthaltenen E-Mails kenne, nicht bloß - wie in der Anzeige wiedergegeben - antwortete: „Also ich bin weder Sender noch Empfänger und kenne sie nicht, nein“, wobei er auch die Kenntnis dieser Mails durch allfällige Weiterleitung an ihn bestritt (AS 3 in ON 2), sondern im unmittelbaren Anschluss daran äußerte: „ Soweit ich mich erinnern kann, kenne ich die nicht, nein.“ (Seite 31 des Kommuniqués = AS 23 in ON 22 – Unterstreichung nicht im Original),

und zu Anzeigefaktum 2./,

dass er im unmittelbaren Anschluss an die in der Anzeige übermittelte Passage der Befragung des Nationalratsabgeordneten M* N* betreffend die Wahrnehmungen des Beschuldigten zu allfälligen Wünschen/Weisungen/Präferenzen des Justizministers Dr. J* hinsichtlich der Betrauung und/oder Nicht-Betrauung von bestimmten „ Organen der Justiz “ mit Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video äußerte: „ Ich weiß nicht, was Sie damit genau meinen. Ich kann mich nicht an irgendeine Art von Weisung erinnern, welche Staatsanwaltschaft ermitteln soll “ bzw in der weiteren Befragung „ Daran könnte ich mich nicht mehr erinnern “ und „ Dazu kann ich mich nicht mehr erinnern “ (Seiten 16 bis 18 des Kommuniqués = AS 15 ff in ON 22 - Unterstreichungen nicht im Original).

Die in der Anzeige selektiv zugunsten des eigenen Standpunktes zitierten Aussagepassagen geben den Inhalt der Angaben des Beschuldigten zu den inkriminierten Fragestellungen somit weder vollständig noch sinngemäß zusammengefasst wieder.

Für die Beurteilung des Inhalts einer Aussage und demzufolge ihrer Richtigkeit oder Unrichtigkeit macht es nämlich einen Unterschied, ob jemand lediglich angibt, von/zu einem bestimmten Umstand (hier: „ Wünschen “ von Regierungsmitgliedern im Hinblick auf die Ermittlungen zur Ibiza-Affäre oder der E-Mail Kommunikation zwischen F*, H* und weiteren Personen zwischen 17. und 20. Mai 2019) keine Kenntnis bzw keine Wahrnehmungen zu haben, welche Aussagen nach den Vorstellungen der Anzeiger offenbar hier so verstanden werden sollten, dass die Auskunftsperson die Weiterleitung oder Übermittlung jener Mails in Kopie/Blindkopie in Abrede stellte, oder, ob die Auskunftsperson ihre Erinnerung daran bestritt.

Die Unrichtigkeit des ersteren Aussageinhalts kann mit der Vorlage der entsprechenden E-Mails (aus welchen sich die Weiterleitung oder Kopie/Blindkopie an den Beschuldigten ergibt) bewiesen werden.

Die Unrichtigkeit des letzteren Aussageinhalts ist naturgemäß sehr schwer zu beweisen. In Betracht kommen – abgesehen vom hier evident nicht gegebenen Zugeständnis gelogen zu haben gegenüber Dritten oder den Strafverfolgungsbehörden - lediglich Rückschlüsse aus äußeren Umständen, aus welchem zumindest mit einer einfachen Wahrscheinlichkeit abzuleiten ist, dass der Beschuldigte im Zeitpunkt der Ablegung seiner Aussage den ihm unterstellten Erinnerungsstand zu einem bestimmten Umstand - entgegen seiner Aussage - sehr wohl hatte.

Selbst wenn man aber in casu davon ausginge, dass der Beschuldigte ohne die entsprechenden Vorhalte die missverständlich und suggestiv gestellten Fragen der Abgeordneten vollinhaltlich erfasst haben sollte, ist die Unrichtigkeit seiner Erinnerungen an die abgefragten Vorgänge fallbezogen wohl nicht widerlegbar:

Denn auch wenn es sich ohne Zweifel in den Tagen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos um eine außergewöhnlichen Krisensituation gehandelt hat, ist es dennoch nicht naheliegend oder zu erwarten, dass der notorisch zahlreiche E-Mails erhaltende Kabinettschef eines Ministers bei seiner Befragung zwei Jahre später noch von jeder einzelnen (im Übrigen auch nicht denkwürdigen) E-Mail Kenntnis hat, insbesondere dann, wenn diese an ihn - wie im vorliegenden Fall – mangels Fachzuständigkeit nur in „ cc “ oder „ zur Info “ weitergeleitet wurden, wird doch von solchen Empfängern auch gar nicht erwartet, auf diese E-Mails zu reagieren.

Gleiches gilt für den gänzlich unbestimmten Vorwurf, verschwiegen zu haben, „ umfassend “ über justizinterne Vorgänge in den Tagen nach Veröffentlichung des Ibiza Videos informiert worden zu sein (Punkt 3./). Ein bewusstes Verschweigen maßgeblicher relevanter Umstände nach denen die Auskunftsperson konkret gefragt wurde, ist aus dem Protokoll der Befragung nicht ersichtlich und wurde von den Anzeigern auch nicht näher konkretisiert.

Die inkriminierten Aussagen erfüllen den objektiven Tatbestand der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 3 StGB somit nicht.

Infolge Vorliegens des Einstellungsgrunds nach § 108 Abs 1 Z 1 StPO erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die in der Beschwerde dargelegten nähern Umstände der langen (bis zur Beschwerdeerhebung immerhin 14-monatigen) bisherigen Verfahrensdauer ebenso wie auf deren Vorbringen zu den in Aussicht genommenen weiteren Ermittlungsschritten.

Der angefochtene Beschluss entspricht somit der Sach- und Rechtslage sodass der Beschwerde ein Erfolg zu versagen ist.

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