33R30/22g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortbildmarke ONE SHEET DOES PLENTY (AM 11751/2021) über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 14.12.2021, AM 11751/2021-3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
B egründung
Text
Die Antragstellerin begehrt die Eintragung der Wortbildmarke
für die Waren der Klassen
3 Feuchtreinigungstücher, nämlich Feuchttoilettenpapier; mit einer kosmetischen Lotion getränkte feuchte Papierhandtücher; mit Reinigungsmitteln getränkte Feuchttücher; Seifen; Reinigungsmittel; Tücher, getränkt mit kosmetischen Lotionen; mit Abschminkmitteln getränkte Watte-Pads; mit Abschminkmitteln getränkte Wattestäbchen; Abschminkmittel; Lotionen für kosmetische Zwecke; Wattestäbchen für kosmetische Zwecke; Gesichtstücher, die mit Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege getränkt sind.
16 Waren aus Papier für Haushalts- und hygienische Zwecke, soweit nicht in anderen Klassen enthalten, insbesondere Toilettenpapier, Papiertücher, Küchenrollen aus Papier, Papiertaschentücher, Papierservietten, Tücher aus Papier für kosmetische Zwecke; Abschminktücher aus Papier.
Die Rechtsabteilung wies den Antrag mit der Begründung ab, dass dem Zeichen die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle. Das angemeldete Zeichen werde als allgemein werblicher Hinweis verstanden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Wortbildmarke in das Markenregister einzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.1. Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner, Markenrecht 4 82) und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 53 ff). Adressierte Verkehrskreise sind alle Interessenten oder Abnehmer der beantragten Waren, hier sind das Verbraucher, aber auch Unternehmer (RS0079038).
1.2. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 5 MSchG sind zwar gesondert zu prüfen, Unterscheidungskraft fehlt bei einer Marke aber jedenfalls dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft.
2 . Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash ).
3.1. Im Allgemeinen führt es nicht zur Schutzversagung, wenn auf eine beschreibende Angabe nur angespielt oder ein der Ware oder Dienstleistung zu Werbezwecken zugeschriebenes Image angedeutet wird, wenn dies nicht über den erlaubten Bereich der Suggestion oder Anspielung hinausgeht (vgl 4 Ob 239/98w; RS0109431, RS0090799, RS0066456; 4 Ob 11/14t ua).
3.2. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Werbeslogan nur dann als Herkunftshinweis geeignet, wenn er Bestandteile enthält, die einen gewissen Interpretationsaufwand erfordern und – über die offenkundige Werbeaussage hinaus – die maßgeblichen Verkehrskreise in die Lage versetzt, sich den Ausdruck leicht und unmittelbar als unterscheidungskräftige Marke für die bezeichneten Waren oder Dienstleistungen einzuprägen (RS0122385 [T2]). Demgegenüber ist eine Wortverbindung nicht unterscheidungskräftig, wenn sie als „normale Ausdrucksweise“ aufgefasst werden kann (4 Ob 186/03m, djshop ).
3.3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der OGH die Eintragung von „Carpe Diem” für Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen zugelassen (17 Ob 27/08g). Demgegenüber verweigerte der OGH die Eintragung von „Echte Berge” für Beherbergungsleistungen, Reiseveranstaltungen, Sport- und Kulturaktivitäten sowie Gesundheits- und Schönheitspflege, weil die gewählte Wortfolge nicht besonders originell oder prägnant ist und vom Publikum auch keinen Interpretationsaufwand verlangt (17 Ob 21/11d).
3.4. Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der die Registrierung des Slogans „DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT” für Möbel unter Hinweis auf den darin enthaltenen „Phantasieüberschuss“ zugelassen hat (C 64/02 P). Später hat der EuGH dem Zeichen „VORSPRUNG DURCH TECHNIK” für Fahrzeuge ausreichende Unterscheidungskraft beigemessen, weil darin zwar eine Sachaussage enthalten ist, der Slogan aber „Originalität und Prägnanz” aufweist und einen gewissen Interpretationsaufwand erfordert (C 398/08 P). Demgegenüber hat der EuGH die Registrierung des Zeichens „WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH” für Computersoftware verweigert, weil damit den maßgeblichen Verkehrskreisen eine lobende Botschaft übermittelt und die Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen gerühmt werden (C 311/11 P). In der Folge hat der EuGH auch den Werbeanpreisungen „BE HAPPY“ (C 346/15 P) und „2GOOD“ (C 636/15 P) – beide in Bezug auf die Waren der Klassen 30 – die Schützbarkeit abgesprochen.
3.5. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779).
4.1. Die Antragstellerin trägt zusammengefasst vor, dass es sich bei dem Zeichen um eine in der englischen Sprache ungebräuchliche Formulierung handle. Eine Person, deren Muttersprache Englisch sei, könne der Wortfolge keine grammatikalisch korrekte und semantisch sinnvolle Aussage entnehmen. Darüber hinaus könne eine Marke von den Verkehrskreisen sowohl als Werbeformel, als auch als Herkunftshinweis verstanden werden.
4.2. „Beteiligte Verkehrskreise“ sind im vorliegenden Fall der Handel und/oder der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher dieser Waren.
Die Schutzfähigkeit von „ONE SHEET DOES PLENTY“ ist davon abhängig, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerung erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen verstehen (RS0109431).
Nach Ansicht des Rekursgerichts werden die beteiligten, überwiegend deutschsprachigen Verkehrskreise im Zeichen „ONE SHEET DOES PLENTY“ eine Wortfolge der englischen Sprache erkennen und grundsätzlich mit „ein Blatt reicht aus“ oder „ein Blatt ist genug“ übersetzen, weil sie bei eingeschränkten Kenntnissen der englischen Sprache oder oberflächlicher Übersetzung die grammatikalischen Unrichtigkeiten nicht wahrnehmen werden.
Von einer ungewöhnlichen Wortverbindung (vgl C 383/99, Baby Dry, ÖBl 2002, 43) die einen kognitiven Denkprozess auslöst, geht das Rekursgericht entgegen dem Rechtsmittelvorbringen in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht aus (vgl OLG Wien 33 R 38/20f, SEE BRILLIANTLY ).
Die Antragstellerin weist noch auf die Entscheidungen des EuG zu T 133/13, WET DUST CAN'T FLY, und T 253/20, IT'S LIKE MILK, BUT MADE FOR HUMANS, hin. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Wortfolgen sind aber mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Sie waren – anders als die vorliegende – geeignet, einen kognitiven Prozess in Gang zu setzen, der geeignet ist, den Marken Unterscheidungskraft zu verleihen. Die vorliegende Wortfolge betrifft lediglich eine lobende Eigenschaft der Ware in qualitativer und quantitativer Hinsicht. In der Entscheidung T 434/18, Ultrarange, sprach das EuG zudem aus, dass selbst fremdsprachige Neuschöpfungen vom Verkehr als lobende Aussage aufgefasst werden können.
4.3. Dem Bildanteil im angemeldeten Zeichen kommt keine Kennzeichnungskraft zu, weil sich die grafische Gestaltung des Zeichens in einem gängigen Schriftbild und einer gängigen Farbgebung erschöpft. Die beteiligten Verkehrskreise werden darin keine einprägsame grafische Ausgestaltung erkennen. Im vorliegenden Fall ist der Bildanteil des Zeichens im Verhältnis zum Gesamteindruck derart geringfügig, dass von einer einprägsamen bildlichen Komponente nicht gesprochen werden kann. Es tritt die gegenständliche Marke nicht als Wortbildmarke, sondern als Wortmarke vor Augen.
4.4. Dem Argument, dass das Zeichen bereits in der Schweiz und im Vereinigten Königreich und dass ein ähnliches Zeichen als Unionsmarke (Nr. 9355678; registriert am 18.2.2011) eingetragen worden sei, ist entgegenzuhalten, dass eine präjudizielle Bindung zu verneinen ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 75 mwN).
5. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.
Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.