JudikaturOLG Wien

33R17/22w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Stiefsohn und den fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wimmer, MBA, MBL, LL.M., in der Markenschutzsache der Antragstellerin ***** , vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider den Antragsgegner ***** , vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unwirksamerklärung der internationalen Registrierung Nr. 1284209 für das Gebiet der Republik Österreich über die Berufung des Antragsgegners gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 13.7.2021, Nm 1/2020 10, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 3.067,34 (darin EUR 489,74 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründ e

Text

Der Antragsgegner ist der Inhaber der Internationalen Registrierung Nr. 1284209 „BasenCitrate“ (Wortmarke) mit Priorität vom 11.11.2015, Schutzwirkung (ua) für Österreich und dem folgendem Schutzumfang:

5 Drugs for medical use; dietetic food and substances for medical or veterinary use; food supplements for human consumption.

29 Dietetic foodstuffs other than for medical use, included in this class.

Die Antragstellerin begehrte gestützt auf § 33 Abs 1 MSchG iVm § 4 Abs 1 Z 3 und 4 MSchG die Unwirksamerklärung der internationalen Registrierung für das Gebiet der Republik Österreich und brachte vor, das Zeichen sei nicht unterscheidungskräftig und rein beschreibend.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrags und entgegnete, die geltend gemachten Registrierungshindernisse lägen nicht vor. Die Verkehrsgeltung seines Zeichens in Österreich behauptete er nicht.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab die NA dem Antrag statt und erklärte die internationale Registrierung für das Gebiet der Republik Österreich für unwirksam. Sie hielt – stark zusammengefasst – fest, BasenCitrate reihe die beschreibenden Zeichen Basen und Citrate aneinander. Es bestehe kein merklicher Unterschied zwischen der Wortverbindung und der Summe ihrer Bestandteile, weshalb auch die Wortverbindung rein beschreibend sei. Das Publikum – Fachkreise und Verbraucher – könne den Begriffsinhalt ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen, nämlich Citrate mit basischer Wirkung . Es verstehe das Zeichen als Hinweis auf die Wareneigenschaften und nicht auf die betriebliche Herkunft der Waren, sodass das Zeichen auch nicht unterscheidungskräftig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Antragsgegners wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung zu ändern und den Antrag auf Unwirksamerklärung der internationalen Registrierung Nr. 1284209 für das Gebiet der Republik Österreich abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Die Berufungsfrist gegen Endentscheidungen der NA beträgt zwei Monate (§ 141 Abs 2 Z 2 PatG iVm § 40 MSchG). Ein Rechtsmittel hat die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist (RS0006965). Der Antragsgegner bringt vor, die angefochtene Entscheidung sei ihm erst am 30.8.2021 zugegangen. Die Aktenlage weist das Rechtsmittel nicht eindeutig als verspätet aus, weil kein Rückschein über die Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Antragsgegner vorliegt. Da der 30.10.2021 ein Samstag, der 31.10.2021 ein Sonntag und der 1.11.2021 ein gesetzlicher Feiertag war, ist die am 2.11.2021 eingebrachte Berufung als rechtzeitig anzusehen. Der hilfsweise gestellte Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist folglich nicht zu behandeln.

2. Gemäß § 33 Abs 1 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke aus einem von Amts wegen wahrzunehmenden Grund begehren. Die Antragstellerin beruft sich hier auf das Fehlen der Unterscheidungskraft (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG) und den beschreibenden Charakter (§ 4 Abs 1 Z 4 MSchG) des registrierten Zeichens.

3.1. Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner, Markenrecht 4 82), und zwar für die Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 53 ff). Maßgeblich ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Inland (RS0079038), idR also der normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren und Dienstleistungen (RS0114366 [T5]; Asperger, aaO Rz 64-65; Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 73; Koppensteiner , aaO 83).

3.2. Bei Wortmarken bejaht die Rechtsprechung die Unterscheidungskraft nur bei frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörtern (im engeren Sinn) oder bei Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörtern im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die beteiligten Verkehrskreise die Wörter als Phantasiebezeichnungen auffassen (RS0066644). Die Eintragung einer Marke, die aus mehreren Worten zusammengesetzt ist, ist nach den selben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RS0122385 [T1]). Dasselbe gilt für Wortkombinationen: Sind die Bestandteile einer Wortkombination nicht unterscheidungskräftig, ist es die Wortkombination nur dann, wenn ihr Sinngehalt über die Summe ihrer Bestandteile hinausgeht (EuGH C 65/00, Biomild ). Im Falle eines zusammengesetzten Zeichens ist daher zu prüfen, ob es ein zusätzliches Merkmal – eine grafische oder inhaltliche Änderung – aufweist, welches das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen lässt, die betroffenen Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 104/00 P, Companyline , Rn 23).

4. Nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sind zudem insbesondere solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Ein Zeichen ist nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (RS0066456; RS0109431). Das Registrierungshindernis besteht schon dann, wenn das Zeichen in nur einem der angesprochenen Verkehrskreise als beschreibender Hinweis auf die bezeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden wird, auch wenn diese Ansicht in anderen Verkehrskreisen nicht geteilt wird (4 Ob 77/15z, Amarillo; 4 Ob 126/15f, Bukhara) . Enthält das Zeichen dagegen nur Andeutungen, ohne die Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend und damit auch ohne Verkehrsgeltung schützbar (RS0066456; RS0090799; RS0109431 [T31]).

5. Vor diesem Hintergrund billigt das Berufungsgericht die angefochtene Entscheidung sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen wird (§ 500a ZPO iVm § 141 Abs 2 ZPO iVm § 40 MSchG). Die Entscheidung steht im Einklang mit der Ansicht des EuGH, der gegen die Nichtigerklärung der Unionsmarke BasenCitrate des Antragsgegners keine Bedenken hegte (vgl C 37/17P). Im Lichte der Berufungsausführungen ist zu ergänzen:

5.1. Wie die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen BasenCitrate verstehen, kann aufgrund der Erfahrungssätze des täglichen Lebens beurteilt werden und ist daher, wie der Antragsgegner richtig erkennt, eine Rechtsfrage (vgl RS0043658). Damit bleibt keine Raum für die „aus prozessualer Vorsicht“ erhobene Tatsachenrüge zum Verständnis der beteiligten Verkehrskreise.

5.2. Die NA geht richtig davon aus, dass zu den beteiligten Verkehrskreisen Fachpersonen wie ÄrztInnen, PharmazeutInnen, ApothekerInnen und DrogistInnen zählen, aber auch Verbraucher. Der Antragsgegner zieht dies in der Berufung nicht in Zweifel.

5.3. Die Begriffe Basen und Citrate sind der deutschen Sprache entnommen: Basen sind Verbindungen, die mit Säuren Salze bilden, Citrate sind die Salze der Zitronensäure . Bei in Wasser löslichen Salzen unterscheidet die deutsche Sprache nach der Beeinflussung des pH-Werts zwischen basischen Salzen , sauren Salzen und neutralen Salzen . Die basischen Salze werden auch als Salze mit basischer Wirkung bezeichnet. Den beteiligten Fachkreisen und zahlreichen Verbrauchern sind diese Begriffe und ihre Bedeutung bekannt. Aber selbst Verbraucher ohne ein besonderes chemisches Interesse sehen in Basen und Citrate deutsche chemische Fachbegriffe, wissen, dass Citrate Salze sind, und kennen die Wendungen basische Salze und Salze mit basischer Wirkung . Zudem sind ihnen, wie die NA richtig betont hat, chemische und alternativmedizinische Begriffe wie Basenmittel und Basische Ernährungslehre bekannt. Eine Qualifikation von Basen und Citrate als Phantasiewörter im engeren Sinn scheidet damit aus. Die Begriffe stehen in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit den hier zu beurteilenden Waren, nämlich Arzneimitteln, diätetischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln: Das Publikum geht davon aus, dass Waren, die mit Basen oder Citrate gekennzeichnet sind, die entsprechenden chemischen Verbindungen enthalten oder entsprechend wirken. Basen und Citrate sind damit auch keine Phantasiewörter im weiteren Sinn.

5.4. Das hier zu beurteilende Zeichen kombiniert die Begriffe Basen und Citrate zu BasenCitrate . Diese Wortverbindung mag, wie der Antragsgegner vorträgt, eine sprachliche Neubildung sein, die weder verkehrsüblich noch Teil des deutschen Sprachgebrauchs ist. Sie beschränkt sich aber darauf, die beiden – für sich genommen nicht unterscheidungskräftigen – Begriffe ohne Leerzeichen aneinanderzureihen; sogar die Großschreibung des zweiten Begriffs wird beibehalten. Unabhängig vom konkreten Aufmerksamkeitsgrad erkennt das Publikum – Fachkreise wie Verbraucher – in der Wortverbindung keinen Sinngehalt, der über die Summe seiner Bestandteile hinausgeht, sondern geht davon aus, dass die Waren basische Salze oder Salze mit basischer Wirkung enthalten. Sie sehen das Zeichen somit als die bloße Kombination der beiden chemischen Begriffe Basen und Citrate an. Das Zeichen hat auch keine zusätzlichen Merkmale, die es in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen ließen, die Waren von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Das Publikum sieht es damit nicht als Phantasiebezeichnung an, weder im engeren noch im (warenbezogenen) weiteren Sinn, sondern als Hinweis auf die Eigenschaften der gekennzeichneten Waren. Komplizierte Schlussfolgerungen sind dafür nicht erforderlich. Damit fehlt dem Zeichen die Unterscheidungskraft, auch weil es rein beschreibend ist. Die angebliche „Mehrdeutigkeit“ der Wortkombination, auf die sich der Antragsgegner stützt, ist nicht zu erkennen. Er vermag auch seine Ansicht, das Zeichen sei „interpretationsbedürftig“ und „in sich widersprüchlich“, nicht nachvollziehbar zu begründen.

5.5. Der Antragsgegner irrt auch, wenn er meint, die Unterscheidungskraft fehle nur dann, wenn das Publikum im Zeichen ein „objektives, dem Wesen der Ware innewohnendes Merkmal“ oder ein „intrinsisches und dauerhaftes Merkmal dieser Waren“ erkenne: Bei der Prüfung einer Wortmarke nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG kommt es darauf an, ob das Publikum das Zeichen als Phantasiebezeichnung (im engeren oder weiteren Sinn) auffasst; nur dann kann es idR als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dienen. Die vom Antragsgegner zitierten Wendungen hat das Berufungsgericht bei der Prüfung des (weit engeren) Tatbestands des § 4 Abs 1 Z 4 MSchG verwendet (133 R 125/19h, Magenta). Hier ist diese Voraussetzung auch erfüllt: Das Publikum sieht es als ein solches Merkmal der mit BasenCitrate bezeichneten Waren an, dass sie Salze mit basischer Wirkung enthalten.

6. Zusammengefasst bedarf die angefochtene Entscheidung keiner Korrektur.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen deutschen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen, sondern der deutschen Umsatzsteuer. Der Antragstellerin ist daher nur der Ersatz der gerichtsbekannten deutschen Umsatzsteuer von 19 % zuzusprechen (vgl RS0114955 [T12]).

8. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes stützt sich auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG und ergibt sich aus der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben.

9. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme, war die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG nicht zuzulassen. Die Frage der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft hängt ebenso wie jene nach dem beschreibenden Charakter eines Zeichens von den Umständen des Einzelfalls ab.

Rückverweise