JudikaturOLG Wien

33R32/22a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Juni 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Marke IR 1508699 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 22.12.2021, IR 630/2020 6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Parteienbezeichnung der Antragstellerin wird ***** richtig gestellt.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

B egründung

Text

1. Die Gesellschaft der ursprünglichen Antragstellerin ***** wurde aufgelöst und [...] von der ***** übernommen. Die Bezeichnung der Antragstellerin war daher von Amts wegen zu berichtigen.

2. Die Antragstellerin ist Inhaberin der nachstehenden internationalen Wortbildmarke IR 1508699

registriert am 23.10.2019, eingetragen für die Dienstleistungen der Klassen

3. Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt den Schutz in Österreich mit der wesentlichen Begründung, dass die Konsumenten in der Marke mühelos und ohne jegliche Gedankenoperation einen Hinweis auf den Erbringungsort der Dienstleistungen der Klassen 41 und 43 sehen werden; hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 würden sie davon ausgehen, dass diese im engen inhaltlichen Zusammenhang mit den anderen Dienstleistungen stehen (Verkauf von Merchandise-Artikeln) oder dass diese Dienstleistungen von einer beliebigen Lodge in Tirol erbracht werden, weil auch Hotels inzwischen sehr häufig Shops betreiben.

Die Kombination „Tirol Lodge“ sei sprachüblich und verfüge über keine Fantasiehaftigkeit. Die behauptete inkorrekte grammatikalische Zusammensetzung ( „Tiroler Lodge“ müsste es korrekt heißen), ändere – sofern das Zeichen überhaupt als deutsches Wort wahrgenommen werde – an der Bedeutung der Marke für den Konsumenten nichts. Auch die grafische Ausgestaltung sei nicht derart außergewöhnlich, dass damit die Schutzfähigkeit begründet werden könnte.

4. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Beweiswürdigung, wobei sie inhaltlich ausschließlich die rechtliche Beurteilung bekämpft. Beantragt wird die Schutzzulassung in Österreich.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

5.1 Die Rechtsfolge der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf vorgenommenen Registrierung einer internationalen Marke ist grundsätzlich, dass sie in jedem Vertragsstaat (auf den sich der Schutz erstreckt, vgl Art 3 bis Abs 1 MMA und Art 3 ter PMMA) so geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar hinterlegt (eingetragen) worden wäre (Art 4 Abs 1 S 1 MMA, Art 4 Abs 1 lit a S 1 PMMA; Koppensteiner, Markenrecht 4 243; 4 Ob 128/03g; Om 4/10).

5.2 Die Behörde eines Verbandslandes, der eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung prüfen, sie ist bei der Prüfung allerdings gemäß Art 5 MMA/PMMA auf die in Art 6 quinquies Teil B Z 2 der PVÜ genannten Gründe beschränkt ( Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 2 Rz 88 f).

5.3 Im Fall der Versagung des Schutzes einer internationalen Marke durch das österreichische Patentamt hat die Antragstellerin dieselben Rechtsmittel, die sie hätte, wäre ein Eintragungsantrag im Schutzverweigerungsland gestellt worden; sie kann dagegen mit Rekurs nach § 37 MSchG vorgehen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 243 mwH; Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 2 Rz 96).

6. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

6.1 Ob einem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen ( Koppensteiner , Markenrecht 4 82; RS0079038). Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RS0118396; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix ; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

6.2 Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Herkunftshinweis nicht erfüllen (Obm 1/11, O xi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl Obm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange , Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

6.3 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den (Fach )Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen ( Asperger aaO § 4 Rz 65 mwN der Rsp; C 104/01, Orange , Rz 46 und 63; RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; 4 Ob 77/15z , Amarillo ).

6.4 Eine geografische Angabe ist grundsätzlich nicht eintragbar ( Koppensteiner, Markenrecht 4 77 mwN); erfasst sind auch Namen von Regionen oder eines Bundeslandes, von Ortschaften, Gebirgen, Tälern, Flüssen oder Seen ( Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 283 mit weiteren Beispielen).

Vom Eintragungshindernis erfasst wird nicht nur der Ort der Herstellung oder auch nur des Entwurfs von Waren, sondern bei entsprechendem Verkehrsverständnis auch der Herkunftsort der Rohstoffe. Bei Dienstleistungen ist der Ort der Erbringung aus Sicht der Verbraucher beliebig, das ist aber anders bei touristischen oder gastronomischen Dienstleistungen oder bei der Assoziation eines Orts mit einer besonderen Qualität ( Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 236).

Das Eintragungshindernis der geografischen Herkunftsangabe setzt grundsätzlich voraus, dass die Angabe für den Verkehr zumindest subjektiv relevant sein kann. Deshalb bedarf es bei unbekannten geografischen Herkunftsangaben der Feststellung eines gegenwärtigen oder künftigen Freihaltebedürfnisses. Die Bekanntheit des Orts ist allerdings isoliert betrachtet keine Voraussetzung für das Eintragungshindernis ( Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 238; vgl EuGH C 108/97, Chiemsee; vgl zum Freihaltebedürfnis auch OLG Wien 34 R 50/15w, 34 R 147/15k, Skyr; 34 R 70/16p, Katanga; 133 R 20/19t = OGH 4 Ob 152/19h, Sophienwald ).

6.5 Fremdsprachige Begriffe, die hier zum Teil zu beurteilen sind, sind im Allgemeinen so zu behandeln wie deutschsprachige. Ob sie unterscheidungskräftig sind, hängt somit davon ab, ob sie im Prioritätszeitpunkt im Inland so weit bekannt waren, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache nicht gebräuchlich ist ( 4 Ob 77/04w , Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ), was hier ohnedies nicht der Fall ist. Die Kenntnis der englischen Sprache ist in Österreich weit verbreitet; so auch in Bezug auf das gängige Vokabular „Lodge“ (= Hütte oder Anlage mit Ferienhäusern, -wohnungen; Feriendorf, hotel ), das sich auch bereits als Anglizismus im deutschen Sprachgebrauch etabliert hat.

6.6 Die angeführten Grundsätze gelten für alle Markentypen, so auch für Wortbildmarken (mit zahlreichen Beispielen Asperger aaO § 4 Rz 123 ff). Bei der Beurteilung ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter von der Marke gewinnt; eine Zergliederung in schutzfähige und schutzunfähige Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08f, Roter Koffer; 17 Ob 30/11b, Goldhase VI; RS0119660).

6.7 Grundsätzlich verlangt die Beurteilung auch die Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Freihaltung von Zeichen. In der Judikatur findet dies seinen Niederschlag in der Vorgabe, dass die Verfügbarkeit für andere Wirtschaftsteilnehmer, die Waren der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird. Hierbei ist eine potenzielle Beeinträchtigung in der Zukunft einer unmittelbaren und tatsächlichen Beeinträchtigung gleichzustellen ( Asperger aaO § 4 Rz 66 mwN).

6. Auf dieser Grundlage besitzt das angemeldete Zeichen im Gesamteindruck keine Unterscheidungskraft, weil es ohne Gedankenoperation für die beanspruchten Dienstleistungen entweder beschreibend ist und/oder auf eine (bestimmte) geografische Herkunft hinweist. Worauf schon das Patentamt zutreffend hingewiesen hat, führt eine nicht (ganz) korrekte grammatikalische Zusammensetzung nicht automatisch dazu, dass das Zeichen unterscheidungskräftig wird. Der Sinngehalt von „Tirol Lodge“ ist für den Durchschnittsbetrachter unmittelbar erkennbar und entsprechend zuordenbar. Das Rekursgericht kann der ausführlichen Begründung des Patentamts auch keine neuen Argumente hinzufügen und verweist daher darauf.

An dieser Beurteilung kann auch die spezifische grafische Ausgestaltung des Zeichens nichts ändern. Die beiden Wörter sind in dieser Schriftart gut lesbar und damit verständlich. Die gewählte Schriftart wird als reines Stilmittel wahrgenommen, welches in dem beschriebenen Herkunfts(bundes)land durchaus häufig verwendet wird und/oder in vielerlei Hinsicht gebräuchlich ist.

Die Entscheidung des Patentamts ist daher nicht korrekturbedürftig.

7. Ob eine Marke originäre Unterscheidungskraft besitzt, ist eine Frage des Einzelfalls (für die markenrechtliche Verwechslungsgefahr: RS0111880). Da die Entscheidung damit keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt.

Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Rückverweise