JudikaturOLG Wien

32Bs126/22x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. Juni 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senat s mitglieder in der Vollzugssache des G***** E***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nich t -öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .

Text

B e g r ü n d u n g

Mit der bekämpften Entscheidung wies das Vollzugsg e richt eine Eingabe des G***** E***** vom ***** (ON 1 S 5 ff) als unzulässig zurück.

Begründend führte das Vollzugsgericht wortwörtlich aus wie folgt:

G***** E***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes ***** vom *****, *****, in Ve r bindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes ***** vom *****, *****, wegen zweier Vergehen der Verleu m dung nach § 297 Absatz 1 erster Fall StGB, eines Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Absatz 1 zweiter Fall StGB, zweier Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Absatz 1 StGB, mehrerer (teils idealkonkurrierender) Vergehen der gefährl i chen Drohung nach § 107 Absatz 1 und Absatz 2 StGB sowie eines Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Absatz 1 StGB zur Fre i heitsstrafe von ***** verurteilt und gemäß § 21 Absatz 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Unter einem wurde mit Beschluss die zu ***** des Landesgerichtes ***** am ***** ausgesprochene bedingte Entlassung aus dem Vollzug der zu ***** und ***** des Landesgerichtes ***** verhängten Freiheitsstrafen (Strafrest: *****) widerrufen. Die daraus resultierende (Gesamt-) Strafzeit war am ***** durch Anrechnung des Maßnahmenvollzuges verbüßt (§ 24 Absatz 1 StGB). Seitdem stellt die Maßnahme, die bis ***** in der Justiza n stalt ***** vollzogen wurde, den einzigen Grund der Freiheitsentziehung dar (Strafregisterauskunft, IVV-Vollzug s information). Zuletzt wurde mit Beschluss des Landesgerichtes ***** als Vollzugsgericht vom *****, ***** in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesg e richtes ***** vom *****, *****, eine bedingte Entlassung des G***** E***** aus dem Maßnahmenvollzug aus dem Grunde des Fortbestehens einer hohen Wahrscheinlichkeit der Begehung zumindest einer mit mehr als einer einjährigen Fre i heitsstrafe bedrohten Tat mit schweren Folgen (unter anderem: qualifizierte gefährliche Drohungen und schwere Nötigungen) unter dem Einfluss der fortbestehenden seelischen und geist i gen Abartigkeit von höherem Grad abgelehnt.

Mit an das Landesgericht ***** gerichtetem Schreiben vom ***** („Bezug: Vermutliche Rechtswi d rigkeiten“; „Ggst.: Beweisanträge, welche ausschließlich durch bezughabendes Gericht zu beantworten sind“) begehrte der Untergebrachte der Sache nach allgemeine Rechtsauskünfte in ihn betreffenden Angelegenheiten.

Mit Schreiben vom ***** teilte die Präsidentin des Landesgerichtes ***** mit, dass die Eingabe keine „Beweisanträge“ zu einem laufenden Verfahren enthalte und ihm auch sonst keine Antragstellung zu entnehmen sei, deren Erledigung in die Zuständigkeit des Landesgerichtes ***** falle, weshalb sein Schreiben ohne weitere Veranlassung abgelegt werde.

Mit am ***** beim Landesgericht ***** als Vollzugsgericht eingelangter, mit ***** datierter Eingabe („Bezug: ***** vom ***** – Gerichtsschriftsatz“; „Ggst.: Beschwerde und Antrag auf die umfassende Verfahrenshilfe und Beigabe eines fachlichen Verfahrenshelfer für alle Rechtsschritte/mittel gemäß Artikel 47 GRC, Artikel 267 AEUV in Verbindung mit Artikel 6 EMRK wegen StVG Verletzungen im Zuge mit Anhörungen“); nimmt der Untergebrachte auf „die Fragestellung vom (*****) an das LG *****“ Bezug, verlangt eine neue Anh ö rung in Verfahrenshilfe …. mit wissenschaftlich fundierter Messmethode der Gefährlichkeit, bezeichnet „alle Wortspenden der Anstaltspsychos“ als „obsolet“, fordert die Prüfung durch einen Sachverständigen mit dem Abschluss als „forensischer Psychiater“ und „erklärt Strafanzeige und Privateintritt“ unter anderem gegen die Sachverständigen Dr. M***** W***** und DDr. G***** W***** sowie das „Fachteam“ der Justizanstalt *****. Weil die Eingabe – wie wohl an das Landesgericht ***** als Vollzugsgericht gerichtet – Bezug auf die Akten ***** nahm, kein in die Zuständigkeit des Vollzugsgerichtes gemäß § 16 Absatz 3 StVG gerichtetes Vo r bringen enthielt, sich aber inhaltlich gegen die zu ***** getroffene Verfügung richtete, wurde sie als Beschwerde gewertet und dem Oberlandesgericht ***** zur Entscheidung vo r gelegt, das sie als unzulässig zurückwies. Dem Vollzugsgericht nach § 16 Absatz 3, 18 StVG wurde vom Oberlandesgericht aufg e tragen, die Eingabe des Untergebrachten zu prüfen.

Die Eingabe des Untergebrachten wurde dem Anstaltsleiter zur Vorlage eines Berichtes gemäß § 121 Absatz 2 zweiter Satz StVG zugemittelt. Die Anstaltsleitung legte lediglich eine Vollzugsinformation, eine aktuelle Strafregisterauskunft und eine VJ-Namensabfrage des Untergebrachten vor, ohne auf die Eingabe inhaltlich Bezug zu nehmen.

Strafgefangene, gemäß § 167 Absatz 1 StVG auch Unterg e brachte nach § 21 Absatz 2 StGB, haben nach § 120f StVG ein subjektiv öffentliches Recht auf Beschwerde bei der Behauptung der Verletzung subjektiv öffentlicher Rechte. Unter den in § 120 Absatz 1 erster Satz StVG genannten Beschwerdegründen sind, jeweils unter Beziehung auf tatsächliche oder vermein t lich subjektiv-öffentliche Rechte zu verstehen:

1. Entscheidungen: Das sind inhaltliche Erledigungen von Ansuchen oder Beschwerden sowie Ordnungsstraferkenntnisse, die immer dem Anstaltsleiter als Vollzugsbehörde zuzurechnen sind,

2. Anordnungen: darunter ist die Geltendmachung der Befehlsgewalt gegenüber einem Strafgefangenen im Sinne des § 26 Absatz 1 StVG zu verstehen,

3. Verhalten: darunter sind alle Handlungen, Duldungen und Unterlassungen von Handlungen durch Strafvollzugsbedien s tete zu verstehen, sofern sie keine Entscheidungen oder Anor d nungen sind. Unter „Verhalten“ fallen etwa die Ausübung der Zwangsgewalt oder herabwürdigende Anreden, die gegen die Grundsätze der Behandlung von Strafgefangenen verstoßen, die Unterlassung der Zuführung zu notwendiger ärztlicher Behan d lung oder das tatenlose Zusehen, wie einem Strafgefangenen seine Mahlzeiten durch andere weggenommen werden. Das Verha l ten ist immer dem Strafvollzugsbediensteten zuzurechnen, der es dem Strafgefangenen gegenüber gesetzt hat.

Unter keine dieser anfechtbaren Kategorien fällt das Vo r bringen des Untergebrachten, der sich in seiner an die Präs i dentin gerichteten Eingabe vom ***** und in der an das Vollzugsgericht - jedoch unter Bezug auf die AZ ***** - gerichteten Eingabe („Gerichtsschriftsatz“) mit se i ner Sichtweise des Maßnahmenvollzuges und mit dem Verfahren vor dem Vollzugsgericht nach § 162 StVG auseinandersetzt. Soweit der Untergebrachte auch in diesem Zusammenhang einmal mehr – im Zweifel auch im Verfahren vor dem Vollzugsgericht nach § 16 Absatz 3 StVG – die „umfassende Verfahrenshilfe“ und „Beigebung eines fachlichen Verfahrenshelfers für alle Recht s schritte/mittel gemäß Artikel 47 GRC, Artikel 267 AEUV in Ve r bindung mit Artikel 6 ERMK“ beantragt, ist er auf die zahlre i chen Beschlüsse des Landesgerichtes ***** (etwa *****, ***** und viele andere) zu verweisen, mit dem derartige Verfahrenshilfeanträge zurückgewiesen wurden. Begründend wurde jeweils ausgeführt, dass die Strafprozessor d nung im Beschwerdeverfahren nach § 16 Absatz 3, 16a StVG keine subsidäre Wirkung entfaltet und neben den Bestimmungen des StVG alleine die in § 17 Absatz 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen, die die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen. Die trotz Kenntnis der Au s sichtslosigkeit redundante Stellung derartiger Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Verfa h renshilfevertreters ist offenkundig Ausdruck der schweren paranoiden Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers. Gemäß § 166 Z1 iVm § 165 Absatz 1 Z 1 StVG sind Beschwerden, von denen offensichtlich ist, dass ihre Erhebung ausschließlich auf die geistige oder seelische Abartigkeit des Untergebrac h ten und nicht auf eine Beeinträchtigung seiner Rechte zurüc k zuführen ist, ohne förmliches Verfahren zurückzulegen, weil dies auch für den vorliegenden, dem krankhaft querulatorischen Wesen des Untergebrachten zurückzuführenden Antrag gilt, war spruchgemäß vorzugehen.

Gegen dies e n „Beschluss“ richtet sich die Beschwerde des G***** E***** vom *****, der soweit leserlich und inhaltlich fassbar, in Frag e form monier t , wie das Landesgericht ***** seine behauptete Gefährlichkeit messe, wenn es keine wissenschaftlich fundierte Messmethode gäbe, wie ein Sachverständiger einen Abbau einer nicht messbaren Gefährlichkeit nachvollziehbar beweisen wolle, und wie das Landesgericht ***** die eigenen Straftaten als Beweis heranziehen könne, ohne sich selbst als Serie n straftäter zu entlarven. Weiter unterschlage das Lande s gericht ***** alle Strafanzeigen gegen Sachverständige wie „W*****“, um die Vorsitzende des Erstgerichts liege eine ÖVP-Postenschacher-Betrüger-Clique vor. Es gelte § 78 StPO (ON 5).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Let z tere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, in s besondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Soweit das Vorbringen auf eine Befangenheit von En t scheidungsorganen abzielt, ist auszuführen wie folgt:

Nach § 17 Abs 2 Z 1 StVG ist für das Beschwerdeve r fahren vor dem Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG und vor dem Oberlandesgericht Wien nach § 16a StVG (abgesehen von wenigen – hier nicht relevanten - Ausnahmen) das AVG anwendbar.

Der die Befangenheit von Verwaltungsorganen regelnde § 7 AVG sieht vor, dass sich diese der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranla s sen haben, wenn einer der Fälle des § 7 Abs 1 Z 1 bis 4 AVG vorliegt. Ein Ablehnungsrecht kommt den Parteien (von Ausnahmevorschriften abgesehen) nicht zu. Die Rechtswi dr igkeit der Mitwirkung eines befangenen Organs kann lediglich mit dem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung geltend gemacht werden, wobei Befangenheit nur dann einen relevanten Verfahrensmangel begründen kann, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Entscheidung ergeben (VwGH vom 22. Jänner 2015, Zahl Ro 2014/06/0002).

Befangenheit ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH entweder eine tatsächliche Hemmung der unparte i ischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive oder eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen kö n nen. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des En t scheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entsche i dungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl Erkenntnis des VwGH vom 16. Juli 2014, 2013/01/0063 uva). Die Fä l lung für den Antragsteller nachteiliger Entscheidungen vermag keine Befangenheit zu begründen.

Auch die Erstattung einer Strafanzeige oder Behau p tung strafbaren Verhaltens ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände bietet keinen Anlass, die Befange n heit des einschreitenden Organwalters anzunehmen, hätte es doch sonst jede Partei in der Hand, sich durch Ei n bringung derartiger Rechtsbehelfe dem gesetzlichen Ric h ter zu entziehen (vgl Erkenntnis des VwGH vom 24. Jänner 2014, 2013/09/0171 sowie vom 10. August 2006, 2006/02/0122).

Derartige Umstände hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt.

Wie vom Vollzugsgericht unter Berufung auf § 166 Z 1 iVm § 165 Abs 1 Z 1 StVG erwogen sind Beschwerden von denen es offensichtlich ist, dass ihre Erhebung au s schließlich auf die geistige oder seelische Abartigkeit des Untergebrachten und nicht auf eine Beeinträchtigung seiner Rechte zurückzuführen ist, ohne förmliches Verfa h ren zurückzulegen. Mit Blick auf die vom Erstgericht angestellten Erwägunge n , der bei G***** E***** diagno s tizierten nach wie vor anhaltenden paranoid querulator i schen Persönlichkeitsstörung mit teilweiser auch wahnha f ter Symptomatik (vgl den vom Erstgericht ins Treffen geführten Beschluss des Oberlandesgerichts *****, AZ ***** vom ***** sowie d as darin zitierte – vom Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat – eingesehene Gutachten des Sachverständigen für Psychiatrie und ps y chotherapeutische Medizin Dr. C***** E***** vom *****) und der Wortwahl in der Eingabe, begegnet das Vorgehen nach § 166 Z 1 iVm § 165 Abs 1 Z 1 StVG ke i nen Bedenken, wobei festzuhalten ist, dass dieses gerade keine Beschlussfassung erfordert hätte.

Mit seinem die Begründung des Erstgerichts völlig übergehenden Vorbringen vermag G***** E***** an dieser Rechtslage nichts zu ändern.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass für ein Vorgehen nach § 78 StPO für das Rechtsmittelg e richt mangels konkreter Verdachtslage (vgl Schwaighofer WK-StPO § 78 Rz 17) keine Veranlassung bestand.

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