JudikaturOLG Wien

33R1/22t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Wortbildmarke AT 311401 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 16.7.2021, WM 57/2021, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:

2. Die Antragstellerin trägt im Widerspruch vor, die Zeichen seien verwechselbar ähnlich. Dies werde durch die räumliche Nähe der Streitparteien noch verstärkt. Die Widerspruchsmarke sei in die angegriffene Marke vollständig aufgenommen worden.

3. Demgegenüber trägt die Antragsgegnerin vor, die Widerspruchsmarke sei im Jahr 2016 für die „Sektkellerei Gebrüder Szigeti GmbH“ angemeldet worden. Im Jahr 2018 sei die Firma auf „Sektkellerei Szigeti GmbH“ geändert worden. Bis zum Jahr 2018 seien die Brüder P***** Szigeti und N***** Szigeti Gesellschafter der Sektkellerei Gebrüder Szigeti GmbH gewesen. Im Jahr 2018 sei N***** Szigeti aus der Gesellschaft ausgeschieden [...]. N***** Szigeti (nun Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin) habe sich bei der Abtretung seines Geschäftsanteils nicht verpflichtet, auf die Bezeichnung „Szigeti“ im geschäftlichen Bereich zu verzichten. Gemäß § 10 Abs 3 MSchG könne ihm (der Antragsgegnerin) nicht verboten werden, den Namen oder die Adresse im geschäftlichen Verkehr zu benutzen.

4. Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch statt und verfügte die Löschung der angegriffenen Marke. Bei den geschützten Waren der Klasse 33 herrsche quasi Identität.

Im Widerspruchsverfahren sei grundsätzlich nur auf den Registerstand abzustellen und die einander gegenüberstehenden Marken seien so zu vergleichen, wie sie registriert seien. Auf ihre tatsächliche Verwendung auf dem Markt sei von – hier nicht vorliegenden – Ausnahmen abgesehen nicht abzustellen. Die Verwechslungsgefahr könne sich aus der Gleichheit oder aus der Ähnlichkeit des Bilds, des Klangs oder des Sinns der Zeichen ergeben. Die Verwechslungsgefahr sei umfassend gemäß der Wahrnehmung des Gesamteindrucks der Zeichen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Zu berücksichtigen seien dabei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Ähnlichkeit der erfassten Waren und/oder Dienstleistungen. Ein geringer Grad der Zeichenähnlichkeit könne dabei durch einen höheren Grad der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden – und umgekehrt. Beim Vergleich dürften nicht nur die übereinstimmenden Bestandteile berücksichtigt werden, sondern auch die unterschiedlichen und dominierenden Elemente, deren Einfluss nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sei. Maßgeblich sei ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise, wobei auf den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen sei. Zu berücksichtigen sei, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach der Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein könne.

Beim Vergleich einer Wortmarke mit einer Wortbildmarke sei in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist daran zu orientieren pflege und der Wortbestandteil im Gedächtnis behalten werde. Anderes gelte nur, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig noch prägend noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffällig sei. Wenn ein geschütztes Zeichen vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen werde, sei regelmäßig Verwechslungsgefahr anzunehmen, außer das ältere Zeichen spiele im jüngeren Zeichen eine untergeordnete Rolle und trete gegenüber den übrigen dominierenden Bestandteilen vollständig in den Hintergrund. Dies gelte auch bei der vollständigen Übernahme eines „schwachen Zeichens“. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Verkehr die zu vergleichenden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnehme und sie somit nicht unmittelbar vergleichen könne, sondern dass er seine Auffassung nur auf Grund einer mehr oder minder undeutlichen Erinnerung gewinne. Dafür seien erfahrungsgemäß die Übereinstimmungen stärker prägend als die Unterschiede.

Umgelegt auf den konkreten Fall handle es sich bei den beteiligten Verkehrskreisen sowohl um Durchschnittskonsumenten als auch um die Fachkreise. Die Aufmerksamkeit beim Erwerb der Waren der Klasse 33 sei als durchschnittlich anzunehmen. Aus der Bezeichnung der geschützten Waren der Klasse 33 ergebe sich nicht, dass es sich um „Luxusprodukte“ handle. Die Widerspruchsmarke sei zur Gänze in die angegriffene Marke aufgenommen worden. Zum Wort „Szigeti“ komme in der angegriffenen Marke noch der vorangestellte Vorname „N*****“ hinzu. Sowohl „N*****“ als auch „Szigeti“ würden als Namen ohne zusätzliche Bedeutung identifiziert. Der Name „Szigeti“ sei als eher seltener Name einzustufen. In der angegriffenen Marke nehme dieser Name keine untergeordnete Stellung ein. Die optischen Elemente und die über den Vornamen „N*****“ hinausgehenden textlichen Elemente spielten aus der Sicht der Verkehrskreise eine untergeordnete Rolle. Allein bei der Hinzufügung eines Vornamens hätten die Konsumenten keinen Grund, im angegriffenen Zeichen die Marke eines anderen Anbieters zu sehen, denn die Übereinstimmungen seien zu gravierend. Bei einer Beurteilung des Gesamteindrucks sei angesichts der Übernahme der Widerspruchsmarke in die angegriffene Marke von einer die Verwechslung ermöglichenden Ähnlichkeit auszugehen.

§ 10 Abs 3 MSchG sei bei der Entscheidung über den Widerspruch nicht anzuwenden, weil nur die Frage zu prüfen sei, ob die Zeichen verwechselbar ähnlich seien.

Selbst wenn man von der Kennzeichnung von „Luxusprodukten“ ausginge, wäre das Wort „Szigeti“ in beiden Zeichen so prägend, dass auch in diesem Fall Verwechslungsgefahr anzunehmen sei.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin, die beantragt, den Widerspruch abzuweisen. Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

6. Mit Blick auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses, die oben weitgehend wiedergegeben wurde, erachtet das Rekursgericht den Rekursvortrag für nicht stichhältig, die bekämpfte Begründung im angefochtenen Beschluss hingegen für zutreffend (§ 60 Abs 2 AußStrG).

6.1. Im Rekurs trägt die Antragsgegnerin vor, mit welcher grafischen Aufmachung die Antragstellerin ihre Produkte vertreibt. Dies spielt aber bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von Marken keine Rolle.

Auch das Rekursgericht schätzt die Bedeutung des Worts „Szigeti“ im Gesamteindruck der angegriffenen Marke für so dominierend ein, dass die – von der Rechtsabteilung zutreffend wiedergegebene – Judikatur nicht anzuwenden ist, wonach trotz der Übernahme des älteren Zeichens in das jüngere die Verwechslungsgefahr zu verneinen sei.

6.2. Die Verkehrskreise werden durch die Identität der als Familiennamen erkannten Bezeichnung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die mit den jeweiligen Zeichen markierten Waren vom selben Unternehmen stammen, womit die Wechselsgefahr im markenrechtlichen Sinn dargelegt ist.

Instruktiv in diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung EuGH C 51/09 P, Becker/Barbara Becker. Während das EuG (T 212/07) von einer Verwechslungsgefahr ausging, wies der EuGH darauf hin, dass im Einzelfall zu beurteilen sei, ob der Name, der vom älteren ins jüngere Zeichen übernommen wurde, bei den Verkehrskreisen so gängig ist, dass er den Gesamteindruck nicht mehr ausreichend bestimmt. Diese Überlegungen lassen sich auf den konkreten Einzelfall gut umlegen; beim Familiennamen, der beiden Marken zugrundeliegt und der auch als solcher erkannt wird, handelt es sich nicht um einen häufigen Familiennamen, sodass ihm ein erheblicher Erinnerungswert zukommt.

6.3. Auch wenn man bei den hier vorliegenden Waren die Überlegung anstellen würde, dass sich die beteiligten Verkehrskreise daran gewöhnt haben, auf die Bezeichnungen genauer zu achten und Namen oder deren Kombinationen schärfer auseinanderzuhalten als allgemein üblich (vgl Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 10 Rz 539), so ist das Wort/der Name „Szigeti“ in beiden Zeichen so prägend, dass auch unter diesem Aspekt Verwechslungsgefahr anzunehmen ist.

6.4. Speziell auch mit Blick auf die weitgehende Warenidentität bedarf die Entscheidung der Rechtsabteilung somit keiner Korrektur.

7. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von einer Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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