JudikaturOLG Wien

4R164/21y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungs- und Rekursgericht in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **straße **/B*, **, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei C* GmbH , **straße **, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenienten 1. E* AG, F* B*, **, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, 2. Mag. G*, **straße **, ** H* **, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der I* J* GmbH, vertreten durch die Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, wegen EUR 57.643,80 samt Anhang und Feststellung (Streitwert EUR 5.000, Gesamtstreitwert EUR 62.643,80), in nicht öffentlicher Sitzung

I. durch die Senatspräsidentin Dr. Primus als Vorsitzende, den Richter Mag. Hofmann und die Kommerzialrätin Schmidt über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. August 2021, GZ: 5 Cg 5/19m-104, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Erstnebenintervenientin jeweils die mit EUR 3.149,82 (darin EUR 524,97 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

II. durch die Senatspräsidentin Dr. Primus als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Hofmann und Mag. Rendl über den Kostenrekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 9.882,32) gegen die im genannten Urteil enthaltene Kostenentscheidung den

Beschluss

gefasst:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 557,02 (darin EUR 92,84 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

A. Die Erstnebenintervenientin […] betreibt ein Werk in F*. Sie hatte verschiedene Werkunternehmer ständig mit dort laufend anfallenden Arbeiten betraut, so etwa die Beklagte […] sowie die I* J* GmbH (kurz: I*) […]; der Zweitnebenintervenient ist Masseverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der I*.

Der Kläger […] wurde im Werk der Erstnebenintervenientin als Leiharbeiter der I* eingesetzt. Dabei kam es […] zu einem Arbeitsunfall […]

B. Der Kläger begehrt eine Schadenersatzzahlung in Höhe von insgesamt EUR 57.643,80 samt Zinsen (Schmerzengeld von EUR 40.000 und Verunstaltungsentschädigung von EUR 7.000 sowie – im Einzelnen näher dargelegte - Kosten für Heilbehelfe, Medikamente, Therapie, Fahrten, Krankengeschichten, stationäre Aufenthalte und Umschulung sowie unfallskausale Barauslagen und pauschale Unkosten) sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagte für sämtliche Schäden, die er in Zukunft wegen des Arbeitsunfalls […] erleide, hafte und ihm sämtliche daraus resultierende Schäden und Nachteile zu ersetzen habe.

[…]

C. Die Beklagte wendete – soweit für das Berufungsverfahren relevant - ein, die Explosionsgefahr sei für sie nicht erkennbar gewesen […]

D. Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. […] Gegen die Kostenentscheidung richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten dahingehend, dass der Kostenzuspruch EUR 44.391,84 (anstelle EUR 34.509,52) betrage.

Die Beklagte und die Erstnebenintervenientin beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Der Kläger beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.

[…]

zu II. Der Kostenrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt .

[…]

Rechtliche Beurteilung

2. Auswärtiger Rechtsanwalt

Das Erstgericht versagte der Beklagten den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes nach § 23 Abs 5 RATG, weil sie sich – mangels gegenteiliger Darlegungen - durch einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt hätte vertreten lassen können.

Die Rekurswerberin verweist auf ihren Sitz in 2263 Dürnkrut, also außerhalb des Gerichtsortes Korneuburg. Dies führe nach der ins Treffen geführten Rechtsprechung (RS0036203) zum Ersatz der Mehrkosten jedes beliebigen auswärtigen Rechtsanwalts. Das Rekursgericht hat erwogen:

2.1. Zweckmäßigkeit als Grundregel

§ 41 Abs 1 ZPO gewährt Kostenersatz (im Kern) nur für zweckmäßige Kosten. § 41 Abs 3 ZPO verweist hierauf ausdrücklich. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung sind die Mehrkosten für die Zuziehung eines nicht am Sitze des Prozessgerichtes wohnenden Rechtsanwalts also ausdrücklich ebenfalls (nur dann) ersatzfähig, wenn sie im Sinne des Abs 1 leg cit zweckmäßig waren.

Damit ist klargestellt, dass das Gericht auch diesbezüglich unter Würdigung aller Umstände zu beurteilen hat, ob und inwieweit die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts als zweckmäßig anzusehen ist. Schon aus diesem Grund kann eine pauschale Ablehnung der Zweckmäßigkeit nicht als dem Gesetz entsprechend angesehen werden. Ebenso wenig erscheint es sachgerecht anzunehmen, der Gesetzgeber habe eine generelle Ersatzfähigkeit der (höheren) Kosten eines auswärtigen Anwalts statuieren wollen (M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 § 41 ZPO Rz 32, Stand 1.9.2014, rdb.at).

2.2. Rechtsanwalt am Wohnort/Sitz der Partei

Derartige Mehrkosten sind nach der Rechtsprechung etwa dann zu ersetzen, wenn die Partei am selben Ort wohnt oder ihren Sitz hat wie der auswärtige Rechtsanwalt (Klauser/Kodek, JN – ZPO 18 § 41 ZPO E 162, Stand 1.9.2018, rdb.at; M. Bydlinski aaO). Dem ist in der Regel beizupflichten, liegt doch die Zweckmäßigkeit einer räumlichen Nähe der Partei zu ihrem Rechtsanwalt grundsätzlich auf der Hand.

2.3. „Zweckmäßige Alternativkosten“?

2.3.1. Die vom Rekurs ins Treffen geführte Judikaturlinie (RS0036203 [T1]) erachtet die Mehrkosten der auswärtigen Partei für die Beiziehung jedes beliebigen auswärtigen Rechtsanwalts für ersatzfähig. Dem liegt (soweit ersichtlich) das Argument zugrunde, dass der doppelte Einheitssatz auch dann gebührt hätte, wenn sich die auswärtige Partei eines an ihrem Wohnsitz ansässigen Rechtsanwalts bedient hätte, sodass (im Vergleich dazu) keine Mehrkosten entstanden seien (so etwa 9 ObA 54/98a).

2.3.2. Dieses Argument verlässt das gesetzliche Erfordernis der Zweckmäßigkeit nach § 41 Abs 1 und 3 ZPO: die Mehrkosten für einen unzweckmäßig weit entfernten Rechtsanwalt bleiben nämlich unzweckmäßig, auch wenn für einen Anwalt am Wohnort/Sitz der Partei gleich hohe „zweckmäßige Alternativkosten“ auflaufen würden.

Für eine solche Rechtsfigur der „zweckmäßigen Alternativkosten“ (angelehnt allenfalls an das „rechtmäßige Alternativverhalten“ im Bereich des materiellen Schadenersatzrechtes) bieten die verfahrensrechtlichen Kostenersatzbestimmungen der §§ 41ff ZPO keine Grundlage. Auch die vom Rekurs ins Treffen geführte Gegenmeinung lässt offen, nach welcher anerkannten Methode der Gesetzesauslegung (ganz allgemein) trotz Unzweckmäßigkeit eines Kostenfaktors ausnahmsweise doch ein Ersatzanspruch bestünde bzw warum (im Besonderen) der Aspekt gleich hoher hypothetischer Alternativkosten zum Abgehen vom gesetzlichen Erfordernis der Zweckmäßigkeit führe.

Maßgeblich bleibt somit die gesetzliche Regelung des § 41 Abs 3 Satz 1 ZPO über die Ersatzfähigkeit nur von zweckmäßigen Kosten, und zwar insbesondere hinsichtlich jener (Mehr-)Kosten, die durch Zuziehung eines nicht am Sitze des Prozessgerichtes wohnenden Rechtsanwaltes entstanden sind (ebenso jüngst OLG Wien vom 26.1.2022, 2 R 121/21k [betreffend ein Verfahren in Wien, eine Partei aus Salzburg und ihren Anwalt aus Klagenfurt]; ebenfalls mit ausführlicher Ablehnung der Gegenmeinung etwa OLG Wien vom 28.4.2014, 4 R 44/14s [betreffend ein Verfahren in Wien, eine Partei aus Wöllersdorf und ihren Anwalt aus Oberösterreich] und OLG Wien vom 5.12.2007, 2 R 185/07a, 2 R 186/07y [auszugsweise: „Die Heranziehung jeglichen auswärtigen Rechtsvertreters ist nicht allein deshalb zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil dieses Kriterium bei manchen von ihnen aufgrund konkreter besonderer Umstände - wie die besondere Nähe zum Wohnort der Partei – zuträfe; in diesem Sinne auch OLG Wien, 1 R 154/05g, 5 R 104/03f, 15 R 68/05p; so auch schon 2 R 108/01v und 12 R 203/98f“]).

2.4. Im vorliegenden Fall kommt die Besonderheit hinzu, dass am Sitz der Beklagten in 2263 Dürnkrut gar kein Rechtsanwalt etabliert ist. Das Argument, dass durch jeglichen auswärtigen Rechtsanwalt im Vergleich zur Betrauung eines am Sitz der Beklagten ansässigen Rechtsanwalts „keine Mehrkosten“ entstanden, muss von vornherein scheitern, wenn die Beiziehung eines Anwalts am Sitz der Beklagten schon rein faktisch gar nicht möglich war.

Somit wäre es an der Rekurswerberin gelegen gewesen, Gründe dafür anzugeben, warum sie einen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsortes statt einen solchen innerhalb Korneuburgs beigezogen hat. Solche Gründe zeigt der Rekurs nicht auf. Der Zuspruch der dadurch entstandenen Mehrkosten (in Höhe des doppelten Einheitssatzes für sämtliche Tagsatzungen in Höhe von insgesamt rund EUR 7.500) scheitert daher – im Sinn der zutreffenden erstgerichtlichen Rechtsansicht - am Erfordernis der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gemäß § 41 Abs 1 iVm Abs 3 Satz 1 ZPO.

[…]

Dem Kostenrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Streitgenossenzuschlag ist zu Unrecht verzeichnet, weil dem Kläger im Kostenrekursverfahren nur eine Partei (die Beklagte) gegenüberstand.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

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