32Bs374/21s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Farkas und den fachkundigen Laienrichter HR Mag. Dr. Mock als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des E***** S***** über dessen Beschwerde gegen den Bescheid der Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz vom 27. September 2021, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
E***** S***** ist gemäß § 21 Abs 2 StGB in der Justizanstalt Graz-Karlau untergebracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Generaldirektion seinem Ansuchen um Änderung des Vollzugsorts gemäß § 10 iVm 161 StVG in die Justizanstalt Asten nicht Folge.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, es stehe zu befürchten, dass durch eine Vollzugsortsänderung die gesamte Vollzugsstrukturierung bzw Behandlung beeinträchtigt werde und der Rehabilitationsprozess des Untergebrachten nicht entsprechend fortgesetzt werden könne. Aktuell werde er in der Justizanstalt Graz-Karlau betreut, es bestehe eine adäquate Einbindung in das Betreuungssetting (klinisches Case-Management, sozialer Dienst). Es bedürfe im Sinne der Zwecke der Unterbringung der konsequenten Weiterbehandlung ebendort. Die Justizanstalt Asten sei zudem gemäß § 158 Abs 1 StVG als Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher grundsätzlich für den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen eingerichtet. Eine Aufnahme von Untergebrachten nach § 21 Abs 2 StGB komme dort nur für solche geistig abnormen Rechtsbrecher in Betracht, die wegen ihres psychischen Zustands in erster Linie psychiatrisch zu behandeln seien und deren Zustand keinen Rückschluss auf interinstitutionelle Gefährdungslagen im Zusammenhang mit den in der Justizanstalt Asten etablierten offenen Vollzugsabläufen ergeben würde. Außerdem lasse sich der Stellungnahme des psychologischen Dienstes der Justizanstalt Graz-Karlau entnehmen, dass der Untergebrachte grundsätzlich in jeder Justizanstalt angehalten werden könne, soweit sichergestellt sei, dass er dort ausreichend fachärztlich-psychiatrisch betreut und behandelt werden könne und die Justizanstalt über die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen verfüge. Die Justizanstalt Asten sei im Gegensatz zu Justizanstalt Graz-Karlau jedoch als low-security Einrichtung zu qualifizieren. Weiters sei E***** S***** in der Justizanstalt Graz-Karlau in einer Abteilung mit mehr Vergünstigungen untergebracht und gehe er seit einiger Zeit einer Beschäftigungsmaßnahme nach. Eine solche könne in der Justizanstalt Asten nicht unmittelbar gewährleistet werden.
Eine Überstellung in eine dem Wohnsitz der Angehörigen des Untergebrachten näher gelegene Justizanstalt könne wegen der Erleichterung der Besuchsmöglichkeiten unter Umständen vorteilhaft sein, dennoch sprächen aber die Bedenken der Erfordernisse der zweckmäßigen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen gegen die Überstellung. Zur Verbesserung allfälliger Besuchskontakte sei anzuführen, dass das Strafvollzugsgesetz die Möglichkeit biete, Besuche zu verlängern. Zusammenfassend betrachtet lasse sich daraus kein Argument für eine Vollzugsortsänderung ableiten. Die Grundlagen für die Verwirklichung der Zwecke der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB seien daher gegenwärtig in der Justizanstalt Graz-Karlau gegeben.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des E***** S***** vom 17. November 2021 (bei der Generaldirektion eingelangt am 19. November 2021), der ausführt, dass er bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem ihm von der Justizanstalt Wien-Mittersteig der Kontakt zu seinem Sohn zu Unrecht verboten worden sei, jeden zweiten Tag mit diesem telefoniert und alle zwei Monate von diesem Besuch erhalten habe. Es wäre für seine Familienangehörigen aufgrund der kürzeren Anreise leichter, ihn in der Justizanstalt Asten, wo überdies auch der Besuchsraum freundlicher gestaltet sei, zu besuchen. Insbesondere könne er durch die angestrebte Vollzugsortsänderung den Kontakt zu seinem Sohn wieder intensivieren.
Durch die lange Isolation vom 2. Februar 2020 bis 20. Mai 2021 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und danach in der Justizanstalt Graz-Karlau sei er gereift und einsichtig geworden. Die von ihm benötigte psychiatrische Betreuung könne er auch in der Wunschanstalt in Anspruch nehmen. Zudem gebe es dort auch Sozialpädagogen und mehr Therapieangebote zur Erreichung des Behandlungsziels als in der Justizanstalt Graz-Karlau. Auch im Hinblick auf eine bedingte Entlassung sei seine weitere Anhaltung in der Wunschanstalt für ihn günstiger. Die im Gutachten geforderte langjährige Stabilisierung könne er besser erreichen, wenn das Umfeld passe, wie dies zum Beispiel in der Justizanstalt Asten der Fall sei. Davon, dass er einer regelmäßigen Arbeit nachgehe, könne keine Rede sein, da er aufgrund eines Personalmangels sowie der Pensionierung des Betriebschefs das letzte Mal am 8. November 2021 arbeiten habe dürfen. Da er sich als ausgelernter Tischler nicht zu schade sei, einer Reinigungsarbeit nachzugehen, stehe einer Beschäftigung in der Justizanstalt Asten nichts im Wege. Er sei auch therapiewillig und sehe zudem ein, dass die letzten Therapien aufgrund der regelmäßigen Anstaltswechsel wenig geholfen hätten. Bis zu seiner bedingten Entlassung wolle er in der Justizanstalt Asten bleiben und dort eine langjährige Therapie absolvieren. Da er nach seiner Entlassung in Oberösterreich leben wolle, sei es auch sinnvoll, bereits jetzt die dort verfügbaren Therapieangebote zu nutzen. Schließlich habe er weder eine strafbare Handlung noch seit 2. Februar 2020 eine Ordnungswidrigkeit begangen. Zudem wolle er im Vollzug tatkräftig mitarbeiten, um das Ziel zu erreichen und die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richte, abzubauen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Bescheid des Bundesministeriums für Justiz.
Gemäß § 10 Abs 1 StVG hat das Bundesministerium für Justiz allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt anzuordnen, wenn dies unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzugs (§ 20 StVG) zur besseren Ausnützung der Vollzugseinrichtungen oder aus Gründen der Sicherheit des Strafvollzugs zweckmäßig ist (Z 1) oder wenn dadurch die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft gefördert wird und weder das Erfordernis einer zweckmäßigen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen noch Gründe der Sicherheit des Strafvollzugs entgegenstehen (Z 2).
Darüber hinaus ist bei der Bestimmung der Strafvollzugsanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher - neben dem Erfordernis der Unterbringung in den dafür besonders bestimmten Anstalten oder in besonderen Abteilungen der Anstalten - zu berücksichtigen, dass nach § 164 Abs 1 StVG der Untergebrachte davon abgehalten werden soll, unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen. Vielmehr soll der Zustand des Untergebrachten soweit gebessert werden, dass von ihm die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung nicht mehr zu erwarten ist, und dem Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verholfen werden. Nach § 166 Z 1 StVG sind die nach § 21 Abs 2 StGB Untergebrachten zur Erreichung dieser Vollzugszwecke entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen. Der Untergebrachte hat ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, die erforderliche Behandlung zu erhalten, und - wenn dies in der zuständigen Justizanstalt nicht möglich ist - entsprechend verlegt (§ 161 StVG) zu werden ( Drexler / Weger , StVG 4 § 166 Rz 1).
Eine Strafvollzugsortsänderung ist damit nur dann zulässig, wenn dadurch der Abbau der Gefährlichkeit des Untergebrachten gefördert wird (§ 164 Abs 1 StVG) und gleichzeitig weder die zweckmäßige Auslastung der Vollzugseinrichtungen noch Sicherheitsbedenken dagegen sprechen (§ 10 Abs 1 Z 1 und Z 2 StVG). Hier sind die Gründe nicht gegeneinander abzuwägen, sondern bereits ein dagegen sprechender Grund schließt eine Strafvollzugsortsänderung aus (Erkenntnis des VWGH vom 24. Juni 2004, 2003/20/0275 sowie vom 22. Juli 2004, 2001/20/0666).
Vorliegend ist daher zu prüfen, ob der Abbau der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers in der gewünschten Zielanstalt besser gewährleistet ist als in der Justizanstalt Graz-Karlau.
Ausgehend von der nachvollziehbaren Stellungnahme des psychologischen Dienstes der Stammanstalt vom 25. August 2021, die die weitere Anhaltung des Untergebrachten in der Justizanstalt Graz-Karlau empfiehlt, habe dieser in der genannten Anstalt gut integriert werden können. So bestünden seit seiner dortigen Unterbringung weder Ordnungswidrigkeiten, noch selbst- und/oder fremdverletzende Verhaltensweisen, was als eine vorübergehende Stabilisierung angesehen werden könne. Er habe bereits auf einer Abteilung mit mehr Vergünstigungen untergebracht werden können und gehe seit einiger Zeit einer Beschäftigung nach.
Die Generaldirektion hat sich mit den vorliegenden Erhebungsergebnissen auseinandergesetzt und aufbauend auf der negativen Stellungnahme des psychologischen Dienstes der Stammanstalt (im Ergebnis) nachvollziehbar ausgeführt, dass mit einer Vollzugsortsänderung fallkonkret der Abbau der Gefährlichkeit des Untergebrachten in der Justizanstalt Asten nicht besser gewährleistet ist als in einer besonderen Abteilung der Justizanstalt Graz Karlau. Die Entscheidung der Generaldirektion ist mit Blick auf die Befürchtung, dass durch eine Vollzugsortsänderung die gesamte Vollzugsstrukturierung bzw Behandlung beeinträchtigt und der Rehabilitationsprozess des Untergebrachten nicht entsprechend fortgesetzt werden könne (aktuell bestehe der derzeitige Behandlungsplan aus regelmäßigen Gesprächen mit dem Case-Management sowie der Betreuung durch den psychologischen und sozialen Dienst – vgl S 2 des angefochtenen Bescheides), somit nicht zu beanstanden. Darüber hinaus vermag auch der Beschwerdeführer mit seinem – sichtlich von seinem subjektiven Empfinden geprägten – Vorbringen Mängel in der Entscheidung der Generaldirektion nicht aufzuzeigen. Auch seine weiteren Ausführungen zu allenfalls besseren Besuchsmöglichkeiten vermögen am schlüssigen Kalkül der Generaldirektion nichts zu ändern (vgl ( Drexler/Weger , StVG 4 § 10 Rz 5, wonach bei Untergebrachten nach § 21 StGB anstelle der Resozialisierung als Verlegungsgrund die Förderung des Abbaus der spezifischen Gefährlichkeit tritt).
Sofern die Generaldirektion die zweckmäßige Ausnützung der Vollzugseinrichtungen anführt, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der bloße Hinweis auf Platzkapazitäten ohne entsprechende Konkretisierung für sich allein nicht ausreicht, um die Ablehnung einer Strafvollzugsortsänderung zu begründen ( Drexler/Weger , StVG 4 § 10 Rz 5 mwN).
Soweit darüber hinaus argumentiert wird, dass der Untergebrachte aus Gründen der Sicherheit nicht für die in der Justizanstalt Asten etablierten offenen Vollzugsabläufe geeignet sei, ist darauf zu verweisen, dass die Generaldirektion dabei offensichtlich die Stellungnahmen des psychologischen Dienstes vom 25. August 2021, wonach zahlreiche Meldungen über ordnungswidriges Verhalten des Untergebrachten erfolgt seien und dieser gerichtlich strafbare Handlungen während des Vollzugs begangen habe, vor Augen hat, aber unberücksichtigt lässt, dass gleichzeitig festgehalten wird, dass dieser seit seiner Überstellung in die Justizanstalt Graz-Karlau am 22. September 2020 nicht mehr disziplinär zur Verantwortung gezogen werden musste, keine Ordnungsstrafen aufscheinen und ihm mittlerweile ein einwandfreies Vollzugsverhalten attestiert wird.
Der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Bescheid gerichteten Beschwerde war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.