JudikaturOLG Wien

33R117/21z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke GREEN MOUNTAINS über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.10.2021, AM 10764/21-4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:

« 1. Die Wortmarke GREEN MOUNTAINS ist in das Markenregister für folgende Klassen einzutragen:

41 Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Veranstaltung von Konzerten; Durchführung von Brauchtumsveranstaltungen.

42 Bereitstellung von nicht-herunterladbarer Online-Software; Betreiben eines Online-Portals; Betrieb von einem Internet-Portal.

2. Hingegen wird der Antrag auf Eintragung des Zeichens in das Markenregister hinsichtlich folgender Klassen abgewiesen:

16 Druckereierzeugnisse, insbesondere Bücher, Broschüren, Prospekte, Postkarten und Landkarten; Fotografien.

39 Betrieb von alpinen Aufstiegshilfen, Seilbahnen und Schiliften, insbesondere zur Ausübung des Sommer- und Wintersports; Veranstaltung von Reisen; Personentransporte mit Kraftfahrzeugen sowie mit Seilbahnen und Schiliften; Dienstleistungen eines Reisebüros, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind.

41 Sportliche Aktivitäten; Veranstaltung von sportlichen Wettbewerben; Betrieb von Sportschulen, insbesondere Schischulen; Vermietung und Verleih von Sportgeräten (ausgenommen Fahrzeuge), insbesondere für den Sommer- und Wintersport; Animationen und Betreuung von Personen im Rahmen der Freizeitgestaltung, insbesondere bei der Sportausübung; Vermietung und Betrieb von Sportanlagen.

43 Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen, insbesondere Hotels, Pensionen, Bauernhöfen und auf Campingplätzen; Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen, insbesondere in Hotels, Pensionen, Restaurants, Gasthäusern, Berg- und Schihütten.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke

G REEN MOUNTAINS

für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen

Mit Beschluss vom 7.10.2021 wies das Patentamt die Eintragung im oben durch Fettdruck hervorgehobenen Umfang (teilweise) ab und sprach aus, dass nach der Rechtskraft des Beschlusses das Registrierungsverfahren hinsichtlich der verbleibenden (oben in kursiver Schrift gekennzeichneten) Waren und Dienstleistungen (aus den Klassen 16, 25 und 42) fortgesetzt werde. Zur Orientierung sind die Dienstleistungen, für die die Rekursentscheidung die angefochtene Entscheidung abändert, durch Unterstreichung hervorgehoben.

Die (Teil-)Abweisung begründete die Rechtsabteilung damit, dass das Zeichen auf Grund des eindeutigen und werblich informativen Aussagegehalts als Unternehmenshinweis nicht geeignet sei. Dass Berge dem Betrachter zumindest auch grün erscheinen (Wiesen und Wälder), könne nicht ernsthaft bestritten werden, weshalb sich der Begriff in besonderer Weise zur Bewerbung der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen eigne, nicht aber als Abgrenzung gegenüber anderen Anbietern.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das Zeichen im beantragten Umfang zu registrieren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

1. Unter Hinweis auf die Vorregistrierungen von GREEN MOUNTAINS durch die EUIPO mit der Anmerkung, diese Registrierungen dürften nicht ohne jegliche Begründung unbeachtet bleiben, führt die Antragstellerin aus, dass es unzureichend sei, die Zusammensetzung GREEN MOUNTAINS als werblichen Hinweis zu disqualifizieren. Nicht nur in der Region der Anmelderin seien die Berge in der im Bescheid angesprochenen „wärmeren Jahreszeit“ üblicherweise grau, weil das Gestein sichtbar sei. Im Winter hingegen würden die Berge auf Grund der Schneebedeckung mit der Farbe weiß assoziiert. Es liege somit bereits eine sehr komplexe Gedankenoperation vor, wenn GREEN MOUNTAINS dahingehend verstanden würde, dass sich darin ein Hinweis auf die „wärmere Jahreszeit“ verstecke. Darüber hinaus bleibe die Frage offen, was die „wärmere Jahreszeit“ den beteiligten Verkehrskreisen beispielsweise für „Erziehung, Ausbildung und Unterhaltung“ in Klasse 41 als „Motto“ vermitteln solle. In analoger Weise seien die Beherbergungs- und Verpflegungsdienstleistungen der Klasse 43 in keiner Weise auf die „wärmere Jahreszeit“ beschränkt. Verblüffend sei auch die Diskrepanz, dass der Begriff „in besonderer Weise“ zur Bewerbung geeignet sein solle, dabei aber keine Unterscheidungskraft aufweise. Wirkmächtige Werbung zeichne sich durch einprägsame Alleinstellungsmerkmale aus, sodass nicht nachvollziehbar sei, wie dem Zeichen im gleichen Atemzug die Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne. Der Beschluss des Patentamts erschöpfe sich auch in diesem diffus-lapidaren Satz, ohne die beiden Funktionen zu differenzieren.

2. Dem einleitenden Argument, das EUIPO habe idente Zeichen registriert und solche Registrierungen dürften nicht unbeachtet bleiben, ist entgegen zu halten, dass eine präjudizielle Bindung nach ständiger Rechtsprechung verneint wird (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz ³ § 4 Rz 71 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70); es ist somit nicht näher darauf einzugehen.

2.1 Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner, Markenrecht 4 82), und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 53 ff). Maßgeblich ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Inland (RS0079038), also jene des Handels und der normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; Asperger, aaO Rz 64-65; Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 73).

2.2 Nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 MSchG sind zudem solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können oder im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind. Ein Zeichen ist nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (RS0066456; RS0109431). Das Registrierungshindernis besteht schon dann, wenn das Zeichen in nur einem der angesprochenen Verkehrskreise als beschreibender Hinweis auf die bezeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden wird, auch wenn diese Ansicht in anderen Verkehrskreisen nicht geteilt wird (4 Ob 77/15z, Amarillo; 4 Ob 126/15f, Bukhara; OLG Wien 34 R 147/15k, Skyr; 34 R 61/14m, Kärntner Grantnguglhupf; 34 R 12/14f, Nero ). Das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen kann das Registrierungshindernis auch dann bewirken, wenn es sich dabei um den kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt (4 Ob 126/15f, Bukhara; OLG Wien 133 R 64/18m, Kanta ). Enthält das Zeichen dagegen nur Andeutungen, ohne die Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht „rein beschreibend” und auch ohne Verkehrsgeltung schützbar (RS0066456; RS0090799; RS0109431 [T31]). Dass Zeichen „auch beschreibend” sind, steht ihrer Unterscheidungskraft nicht entgegen ( , Drivecompany; 17 Ob 27/07f, laendleimmo.at; 4 Ob 102/12x, My TAXI) .

2.3 Bei Wortmarken bejaht die Rechtsprechung die Unterscheidungskraft nur bei frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörter (im engeren Sinn) und bei Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit den Waren oder Dienstleistungen, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die beteiligten Verkehrskreise die Wörter als Phantasiebezeichnungen auffassen (RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash ). Dabei genügt es, wenn die strittige Wortfolge oder -kombination zumindest in einer der möglichen Bedeutungen beschreibenden Charakter hat (vgl etwa C 191/01 P, Doublemint, Rn 32, und C 363/99, Postkantoor, Rz 97; 4 Ob 7/05s, car care ).

3. Wie bereits ausgeführt erfolgt d ie Beurteilung, ob die Unterscheidungskraft fehlt, anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( , Jimi Hendrix; , MyTaxi II; , DerStandard ). Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses wird in der Rechtsprechung des OGH grundsätzlich ein großzügiger Maßstab angelegt ( , Digitale Vignette; jüngst 4 Ob 153/21k, myflat ).

4. Bei der Anwendung der angeführten Grundsätze hat die angefochtene Entscheidung insoweit Bestand, als sie die Waren „Druckereierzeugnisse, insbesondere Bücher, Broschüren, Prospekte, Postkarten und Landkarten; Fotografien“ in der Klasse 16 (nur über diese Waren dieser Klasse wurde bisher abgesprochen), alle Dienstleistungen der Klassen 39 und 43 sowie die Dienstleistungen „sportliche Aktivitäten; Veranstaltung von sportlichen Wettbewerben; Betrieb von Sportschulen, insbesondere Schischulen; Vermietung und Verleih von Sportgeräten (ausgenommen Fahrzeuge), insbesondere für den Sommer- und Wintersport; Animationen und Betreuung von Personen im Rahmen der Freizeitgestaltung, insbesondere bei der Sportausübung; Vermietung und Betrieb von Sportanlagen“ in der Klasse 41 betrifft.

Für diese Waren und Dienstleistungen ist das Zeichen nicht unterscheidungskräftig, weil nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass es vom Publikum – das insoweit über ausreichende Englischkenntnisse verfügt – in der Zusammensetzung der beiden Wörter ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als beschreibender oder werbender Hinweis auf die damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bergen oder einer Bergregion verstanden wird. Die Klassen 39 und 43 sowie die angeführten Dienstleistungen der Klasse 41 betreffen nämlich im Kernbereich den Tourismus in Form von Veranstaltungen von Reisen, (Sport-)Aktivitäten und der Verpflegung und Beherbergung von Gästen. Für die Waren der Klasse 16, über die abgesprochen wurde, ist das Zeichen in diesem Sinn ebenso nur beschreibend oder werbend (die Entscheidung über die Waren „Schreibwaren“ sowie „Lehr- und Unterrichtsmittel“ hat sich das Patentamt noch vorbehalten).

In diesem Zusammenhang überzeugt das vom Patentamt angenommene (unmittelbare) Verständnis des Zeichens, dass Berge dem Betrachter zumindest auch grün erscheinen (Wiesen und Wälder), oder der von der Antragstellerin angeführte Hinweis auf die „wärmere Jahreszeit“ das Rekursgericht weniger. Miteinzubeziehen ist, dass GREEN im herkömmlichen Sprachgebrauch verbreitet als Synonym für „Umwelt (im positiven Sinn)“ = „umweltfreundlich“ aufgefasst wird, sowie auch für „Nachhaltigkeit“ und „Natur“ steht. Somit zielt das Zeichen für die von der Entscheidung betroffenen Waren der Klasse 16 sowie die Dienstleistungen der Klassen 39 und 43 und teilweise für die oben angeführten Dienstleistungen der Klasse 41 auf den Kernbereich des „Bewerbungs- und Vermarktungsinteresses“ dieser Waren und Dienstleistungen ab.

Die Waren der Klasse 16 lassen sich ohne weitere Denkleistung mit entsprechenden Produkten assoziieren, die „green mountains“ beschreiben oder abbilden.

Dies gilt aber nicht für den verbleibenden Teil der Dienstleistungen in der Klasse 41 , nämlich für „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Veranstaltung von Konzerten; Durchführung von Brauchtumsveranstaltungen“ und nicht für die Dienstleistungen der Klasse 42 , über die abgesprochen wurde. Bei diesen ist ohne weitere Gedankenoperation kein unmittelbarer und eindeutiger Zusammenhang mit dem Zeichen oder seinem beschreibenden/werbenden Inhalt herzustellen.

Die Entscheidung war damit entsprechend abzuändern.

Zusammenfassend ist das Zeichen nach Einschätzung des Rekursgerichts für die folgenden in der linken Spalte aufscheinenden beanspruchten Dienstleistungen ungewöhnlich, weil es interpretationsbedürftig ist. Es sind dies jene Dienstleistungen, bei denen der Aspekt der möglichen Bedeutungsinhalte von GREEN MOUNTAINS nicht im Vordergrund steht und somit eine gewisse Denkleistung erforderlich wäre, um vom Begriff auf die Dienstleistung zu schließen.

Bei den anderen, in der rechten Spalte aufscheinenden Waren und Dienstleistungen steht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem Verkehrsverständnis ohne weitere Denkleistung der Aspekt ausreichend im Vordergrund, dass es dabei um Waren und Dienstleistungen geht, die unmittelbar mit dem Begriff von „green montains“ assoziiert werden.

5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, die über einen Einzelfall hinaus bedeutsam sind (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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