JudikaturOLG Wien

33R121/21p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
11. Januar 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Schutzzulassung der österreichischen Marke Nr. 310168 (Wortbildmarke „Voltauto“) über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.7.2021, WM 8/2021 4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander die folgenden Marken gegenüber:

2. Die Antragstellerin brachte in ihrem Widerspruch vor, dass zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke sowie den angegebenen Waren der beiden Marken Verwechslungsgefahr bestehe.

3. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr.

4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung den Widerspruch ab. Es beurteilte die Waren als sehr ähnlich bis identisch, arbeitete die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den beiden Marken in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht im Detail heraus und wertete die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als unterdurchschnittlich. Vor diesem Hintergrund sei nach dem Gesamteindruck der Marken davon auszugehen, dass trotz der (Quasi-)Identität der Waren und der durchaus vorhandenen Übereinstimmungen zwischen den Zeichen keine Zuordnungsverwirrung zu befürchten sei, weil es sich um eine schwache Widerspruchsmarke handle, die Überschneidungen im Wesentlichen im Bereich des beschreibenden Teils lägen und die Zeichen begrifflich deutlich auseinanderklaffen würden. Die beteiligten Verkehrskreise würden Volt mit „Elektro“ und Welt mit dem universellen Charakter der Waren verbinden. Die angegriffene Marke übernehme keine kennzeichnungskräftigen Elemente der Widerspruchsmarke. Der Verkehr sei daran gewöhnt, am Fahrzeugsektor jenen Zeichenteilen besondere Bedeutung zuzumessen, die neben den allgemeinen Bezeichnungen – wie zB Auto – vorlägen. Insgesamt halte die angegriffene Marke den notwendigen Abstand zur Widerspruchsmarke ein.

5. Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern, dem Widerspruch stattzugeben und die Registrierung der angegriffenen Marke aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

6. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

6.1. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s/Norma, Rn 43; vgl EuG T 599/10, Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (RS0115351; RS0121482; RS0121500 [T4]; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon, Rn 17).

Die Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, Firn; 17 Ob 36/08f, Kobra/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

6.2. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck auf einen nicht ganz unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung (C 342/97, Lloyd, Rn 26; 4 Ob 61/90, quattro/Quadra; RS0078944).

6.3. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck idR der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (4 Ob 339/86, Preishammer; 4 Ob 2095/96h, Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d, More) .

Für die Ähnlichkeitsprüfung ist insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (C 251/95, Sabèl/Puma, Rn 23; RS0117324; RS0066753 [T9]). Verwechslungsgefahr ist idR schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; RS0079190 [T22]; RS0117324; RS0079571). Allerdings kann ein abweichender Begriffsinhalt trotz einer Ähnlichkeit im Wortbild und/oder Wortklang die Verwechslungsgefahr ausschließen (4 Ob 30/89; 4 Ob 228/14d, Artist/Arktis ). Ein deutlich verschiedener Begriffsinhalt kann demnach akustische oder optische Ähnlichkeiten in den Hintergrund drängen (4 Ob 398/85; 4 Ob 2095/96h, Bacardi/Baccara) . Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach ein Bedeutungsunterschied die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ kann. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (C 361/04 P, Picaro/Picasso; C 206/04 P, ZIRH/SIR; C 16/06, Mobelix/Obelix; 4 Ob 228/14d, Artist/Arktis) .

Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Klang, Bild oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (RS0117324). Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (C 251/95, Sabèl/Puma, Rn 23; C 120/04, Life/Thomson Life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; RS0066753) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich auch nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, LTJ Diffusion SA, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 4 Ob 25/05p, Zorro ; RS0117324 [T7]). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen idR nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RS0066749; RS0066753).

6.4. Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (RS0079033 [T20]).

6.5. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 30 Rz 10 f mwN). Die Verwechslungsgefahr ist somit eine Rechtsfrage und keinem Beweisverfahren zugänglich (RS0043640; RW0000786).

7. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung, dass die angegriffene Marke einen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke einhält, obwohl die gekennzeichneten Waren identisch oder zumindest hochgradig ähnlich sind.

7.1. Der Bestandteil Auto, der in beiden Marken enthalten ist, ist für die hier zu beurteilenden Waren der Klasse 12 (im Wesentlichen: Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör) beschreibend (§ 4 Abs 1 Z 4 MSchG) und jedenfalls nicht unterscheidungskräftig (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG). Die Rekurswerberin betont, anders als die Rechtsabteilung, die optischen und akustischen Ähnlichkeiten von Welt und Volt . Sie übergeht aber, dass die Begriffe Welt und Volt jeweils eine eindeutige und bestimmte, aber deutlich verschiedene Bedeutung haben, was dem Publikum allgemein bekannt ist. Schon die Rechtsabteilung hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Publikum mit Welt den Planeten Erde und ein weltumspannendes Produktangebot verbinden wird und Volt als die Einheit für elektrische Spannung erkennen wird. Ähnlich wie beim Vergleich der Zeichen Artist und Arktis (vgl 4 Ob 228/14d, auch auf diese Entscheidung hat schon die Rechtsabteilung verwiesen) drängt dieser deutlich verschiedene Begriffsinhalt die optischen und akustischen Ähnlichkeiten in den Hintergrund. Im Übrigen sind diese optischen und akustischen Ähnlichkeiten von Welt und Volt nicht so gravierend, wie die Rekurswerberin darlegen will: Optisch unterscheiden sich die ersten beiden Buchstaben – We und Vo – deutlich, wodurch die Übereinstimmung in den weit schmäleren weiteren beiden Buchstaben – lt – in den Hintergrund rückt. Klanglich wiederum ist darauf zu verweisen, dass nicht nur ein Unterschied im betonten Vokal besteht, sondern dass das t bei Welt im praktischen Sprachgebrauch fast wie ein d und damit deutlich weicher ausgesprochen wird als das t in Volt (auch wenn sich dieser Unterschied in der Lautschrift der gängigen Onlinewörterbücher nicht findet – [vɛlt] und [vɔlt] ).

7.2. Dass die beiden Marken die Begriffe Welt und Volt mit dem beschreibenden Bestandteil Auto kombinieren, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung; auch insofern teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung. Das Publikum wird Das Weltauto – ohne dass die Frage des Kennzeichnungsgrads dieser Marke näher geklärt werden müsste – mit einem weltweiten Angebot auf dem Autosektor verbinden, Voltauto dagegen als konkreten Hinweis auf Elektroautos verstehen. Damit wirken die deutlich verschiedenen Begriffsinhalte von Welt und Volt , welche die Ähnlichkeiten in optischer und akustischer Hinsicht überlagern, auch in der Kombination mit Auto fort. Dass es sich bei beiden Begriffen, wie die Rekurswerberin aufzeigt, letztlich um Fantasiebegriffe handelt, ändert nichts daran, dass ihnen der Verkehr einen eindeutigen Sinngehalt beimessen wird, parallel zum eindeutigen Sinngehalt von Welt und Volt . Im Übrigen können bei der optischen Gegenüberstellung der beiden Marken der bestimmte Artikel der Widerspruchsmarke – das – und die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke nicht völlig außer Betracht bleiben, wie dies die Rekurswerberin offenbar wünscht, weil beides den Gesamteindruck mitprägt, den das Publikum von den Marken gewinnt. Die von der Rekurswerberin betonte Rechtsprechung, dass bei Wortbildmarken die Kennzeichnungskraft der Wortelemente idR jene der Bildelemente übertrifft, steht einer Mitberücksichtigung der Bildelemente im Rahmen des Gesamteindrucks nicht entgegen. Das Rekursgericht sieht vor diesem Hintergrund in optischer Hinsicht keine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken. Auch in akustischer Hinsicht hält das Rekursgericht den die beiden Marken unterscheidenden bestimmten Artikel, die verschiedenen betonten Vokale und das jeweils anders artikulierte t für so prägend, dass ein ausreichender Abstand zwischen den beiden Marken gewahrt bleibt.

7.3. Zu prüfen bleibt damit, ob die beteiligten Verkehrskreise das Voltauto allenfalls als die „Elektroautoschiene“ von Das Weltauto ansehen könnten und insofern die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung bestünde. Dies ist aber schon aufgrund der klar abweichenden Optik der Wortbildmarke Voltauto von der Wortmarke Das Weltauto und des Fehlens des bestimmten Artikels in der angegriffenen Marke zu verneinen. Dazu kommt, dass das Publikum – wie schon die Rechtsabteilung festhält – gerade bei der Auswahl von Fahrzeugen und Fahrzeugzubehör eine besondere Aufmerksamkeit an den Tag legt, die einzelne Marken genau auf ihre betriebliche Herkunft prüft und zu diesem Zweck vor allem auf jene Zeichenbestandteile achtet, die über allgemeine Bezeichnungen – wie zB Auto – hinausgehen.

7.4. Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf daher zusammengefasst keiner Korrektur.

8. Der Antragsgegner hat in der Rekursbeantwortung Kosten verzeichnet. Es war daher auszusprechen, dass er die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen hat (§ 29b Abs 7 MSchG).

9. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

10. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880 [Ermessensspielraum]; RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

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