JudikaturOLG Wien

33R14/21b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortbildmarke Oberpinzgau über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 11.11.2020, AM 661/2019 6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortbildmarke

zuletzt für die Waren und Dienstleistungen der Klassen:

16 Druckschriften; Postkarten; Prospekte; Kalender; Aufkleber; Taschen und Beutel aus Papier, Pappe oder Kunststoffen für Verpackungszwecke;

25 Bekleidungsstücke; T-Shirts; Kappen, Mützen; Stirnbänder; Tücher;

35 Werbung für Veranstaltungen; Verteilen und Verschicken von Prospekten und Informationsmaterial zu Werbezwecken;

39 Veranstaltung von Ausflügen und Reisen;

41 Organisation und Veranstaltung von sportlichen und kulturellen Aktivitäten; Betrieb von Diskotheken;

43 Reservierung von Gästeunterkünften; Verpflegung von Gästen.

Mit dem angefochtenen Beschluss stellt das Patentamt fest, dass das angemeldete Zeichen nur unter der Voraussetzung des § 4 Abs 2 MSchG registrierbar sei. Rechtlich ging das Patentamt davon aus, dass dem Zeichen die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle. Die beteiligten Verkehrskreise würden in dem Zeichen nur eine übliche Ausgestaltung einer Ortsbezeichnung erkennen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der Rechtsabteilung dahingehend abzuändern, dass die Marke auch ohne das Erfordernis des Verkehrsgeltungsnachweises geprüft werden müsse, und die Antragstellerin beantragte weiters, das Verfahren an das Österreichische Patentamt zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RS0008733). § 37 Abs 3 MSchG idF BGBl I 2013/126 verweist auf § 139 PatG und damit auf dessen Einleitungssatz, der – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen – die sinngemäße Anwendung des AußStrG anordnet.

Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst beim Vorliegen eines Antrags ist eine solche nicht zwingend vorzunehmen (RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger , AußStrG 2 § 52 Rz 1).

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht, auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist in der Regel eine Rechtsfrage. Daher steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; 4 Ob 11/14t, Expressglass ; Terlitza in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 37 Rz 25).

2. Fällt die Behörde ohne Antrag einen Beschluss gemäß § 20 Abs 3 MschG statt eines Abweisungsbeschlusses, wird kein subjektiv öffentliches Recht verletzt, es fehlt an der Beschwer des Anmelders, denn er wird nur besser gestellt, weil ihm damit eine zusätzliche Rechtsmittelmöglichkeit eröffnet wird ( Newerkla in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 3 § 20 Rz 38ff).

Da die Antragstellerin im Rekurs auf Seite 2 vorträgt, das Zeichen sei ausreichend unterscheidungskräftig, lässt sich der Rekursantrag auf Seite 9 zwanglos dahin deuten, dass die Änderung der Entscheidung und die Eintragung des Zeichens auch ohne Nachweis der Verkehrsgeltung begehrt werden.

3. Soweit sich die Antragstellerin auf eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens stützt, macht sie in ihrem Rechtsmittel dazu keine weiteren inhaltlichen Ausführungen, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden kann.

4. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

5.1. Eine geografische Bezeichnung ist dann von der Registrierung als Marke ausgeschlossen, wenn sie den beteiligten Verkehrskreisen bekannt ist und im Geschäftsverkehr als Herkunftsangabe aufgefasst werden kann, weil die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen dem Ort oder dem Gebiet und dem bezeichneten Produkt herstellen und naheliegend annehmen, dass das Produkt in enger Verbindung dazu steht. Eine Orts- oder Gebietsbezeichnung ist vom Markenschutz somit schon dann ausgeschlossen, wenn die beteiligten Verkehrskreise darin etwa einen Hinweis auf den möglichen Herstellungsort der so bezeichneten Waren erblicken können.

Nur dann, wenn die geografische Bezeichnung ausschließlich oder doch so überwiegend den Charakter einer Phantasiebezeichnung hat, dass die daneben noch vorhandene geografische Bedeutung ganz zurücktritt, ist sie dem markenrechtlichen Schutz zugänglich. In diesem Sinn kann etwa der Name eines kleinen und weniger bekannten Ortes, der weder historisch noch kulturell oder wirtschaftlich oder aufgrund seiner Naturverhältnisse Bedeutung hat und daher nur einem ganz kleinen, auf solchen Gebieten besonders versierten Kreis geläufig ist, als Marke eingetragen werden (4 Ob 152/19k, Sophienwald II ).

5.2. Vom Eintragungshindernis erfasst wird nicht nur der Ort der Herstellung, sondern bei entsprechendem Verkehrsverständnis auch der Herkunftsort der Rohstoffe. Bei Dienstleistungen ist zwar der Ort der Erbringung aus Sicht der Verbraucher beliebig, das ist aber bei touristischen oder gastronomischen Dienstleistungen oder bei der Assoziation eines Orts mit einer besonderen Qualität anders ( Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 236). Durch die Verbindung zwischen dem Markenwort und den Waren oder Dienstleistungen können geografische Angaben beim Konsumenten positiv besetzte Vorstellungen über die Herkunft der Waren und Rohstoffe oder der Personen, die die Dienstleistungen erbringen, erwecken. Kommt eine geografische Herkunft nicht in Frage, kann die Ortsangabe unter Umständen als werbemäßige Anpreisung der Unterscheidungskraft entbehren. Es genügt für die Schutzausschließung gemäß § 4 Abs 1 Z 4 MschG, dass eine Ortsbezeichnung von einer Art ist, welche die Vorlieben der Verbraucher beeinflussen kann, zum Beispiel wenn etwa eine ideelle Beziehung zwischen den bei der Markenanmeldung geoffenbarten Waren oder Dienstleistungen und dem Ort besteht, wenn vom Nimbus eines (bekannten) Orts profitiert wird ( Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 284 ff).

Der EuGH hat zu diesem Themenkreis in C 108/97 und C 109/97, Chiemsee, ausgesprochen, dass der markenrechtliche Schutz schon dann zu verweigern ist, wenn die geografische Bezeichnung künftig (von anderen Unternehmen) als Herkunftsangabe verwendet werden kann. Zu prüfen ist, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, dass die Bezeichnung nach Auffassung der Verkehrskreise die Herkunft einer Ware bezeichnet; dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit den beteiligten Verkehrskreisen die geografische Bezeichnung bekannt ist, welche Eigenschaften der Ort und die Waren haben, und dass es nicht darauf ankommt, dass die Ware tatsächlich an diesem Ort hergestellt wird.

5.3. Als Maßstab für die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise abzustellen, wozu nicht nur die aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, sondern auch der Fachhandel für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen zählen. Aus diesem Grund kann bereits die Kenntnis eines relativ kleinen Teils aller beteiligten Verkehrskreise einer Markeneintragung entgegenstehen (vgl 4 Ob 49/14f; 4 Ob 126/15f).

6.1. Der Oberpinzgau ist eine Region im Westen des Bundeslands Salzburg. Er ist der westliche Teil des Bezirks Zell am See (Pinzgau) und wird geografisch bestimmt durch das breite obere Tal der Salzach. Hauptort der neun Gemeinden umfassenden Region ist Mittersill. Wirtschaftlich dominieren Sommer- und Winter-Fremdenverkehr, traditionelle Land- und Forstwirtschaft, Bauwesen und Sachgütererzeugung. Große Gebiete in der Südhälfte des Oberpinzgaus sind Teil des Nationalparks Hohe Tauern.

6.2. Zusammenfassend sind somit jene Kriterien erfüllt, die etwa der EuGH in der Entscheidung Chiemsee aufgestellt hat, um die Ortsbezeichnung von der Registrierung auszuschließen. Nach der Einschätzung des Rekursgerichts kann durchaus vernünftigerweise erwartet werden, dass das Wort „Oberpinzgau“ als Herkunftsbezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen soll, dient und dienen wird .

Die in den Klassen 35, 39, 41 und 43 beanspruchten Dienstleistungen können sich sowohl an die Endverbraucher als auch an die Geschäftskunden wenden, die derartige Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Die beteiligten Verkehrskreise werden aus dem Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ableiten, dass diese Dienstleistungen sich auf die Region Oberpinzgau beziehen oder überhaupt in der Region erbracht werden und dass diese Dienstleistungen in einer Art und Weise erbracht werden, wie sie im alpenländischen Oberpinzgau üblich sind. Die Waren in den Klassen 16, 25 und 35 sind allesamt typische Merchandising-Produkte (wie Kappen, T-Shirts, Werbung für Veranstaltungen oder Postkarten), sodass die beteiligten Verkehrskreise darin nur Werbemaßnahmen für die Region Oberpinzgau erblicken werden.

6.3. Die Antragstellerin beruft sich auch auf eine besondere grafische Ausgestaltung des Bildteils der Wortbildmarke, die vom Wortteil „Oberpinzgau“ in ihrer Gesamtheit ausreichend weit wegführe, sodass dem Wortteil nicht mehr die dominierende Bedeutung zukomme. Diese Ansicht teilt das Rekursgericht nicht.

Weder die sich durch die Stapelung der drei Wortteile („Ober“, „Pinz“ und „Gau“) – die im übrigen der Trennung des Wortes nach Sprechsilben folgt – ergebende quadratische Form noch der Farbwechsel von weißer Schrift auf rotem Grund zu roter Schrift auf weißem Grund erzeugt den überwiegenden Charakter einer Phantasiebezeichnung, sodass die daneben noch vorhandene geografische Bedeutung ganz zurücktritt. Das Wiederholen oder dekorative Hervorheben von Buchstaben oder die Verwendung einzelner Großbuchstaben innerhalb von Wörtern genügt für die Begründung eines solchen Abstands genausowenig wie der von der Antragstellerin durch das Spiel von unterschiedlichen Schriftgrößen erzeugte Kippeffekt (vgl 4 Ob 152/19k, Sophienwald II ).

7. Die von der Antragstellerin für ihren gegenteiligen Standpunkt zitierten Beispiele an eingetragenen Marken (ua PINZGAUER NACHRICHTEN; OBERTAUERN; OBERBERG) stehen dem schon deshalb nicht entgegen, weil Markeneintragungen grundsätzlich keine präjudizielle Wirkung auf andere Verfahren entfalten (vgl RS0125405).

8. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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