32Bs134/21x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des G***** E***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, AZ ***** (ON 8), wurde eine Beschwerde des G***** E***** vom ***** (ON 1) betreffend der Art seiner ärztlichen Behandlung als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde G***** E***** am ***** zu eigenen Handen zugestellt (Anhang zu ON 8). Mit Schreiben vom ***** (ON 9) beantragte G***** E***** „umfassende Verfahrenshilfe gem. Art 47 GRC für alle Rechtsmittel“ und die Beigebung eines „fachlichen Verfahrenshelfers“. Er sei nach § 21 Abs 2 StGB untergebracht und mittellos.
Mit der bekämpften Entscheidung wies das Erstgericht den Antrag auf Verfahrenshilfe zurück, wobei es ausführte, dass die Strafprozessordnung im Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfalte. Es gelängen daher neben den Bestimmungen des StVG allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und VStG zur Anwendung, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsähen.
Mit dagegen rechtzeitig erhobener Beschwerde vom ***** (ON 11) moniert G***** E*****, fristgerecht einen Antrag auf umfassende Verfahrenshilfe für alle Rechtsmittel und Beigebung eines fachlichen Verfahrenshelfers gem Art 47 GRC iVm Art 6 EMRK für eine fachliche Ausführung einer Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien wegen rechtswidriger Unterlassung einer lebenswichtigen bzw optischen ärztlichen Hilfeleistung wegen Sehhilfen gestellt zu haben, da der bezughabende Antrag seit ***** als unerledigt aushafte. Auf Grund der nach § 21 Abs 2 StGB angeordneten Maßnahme beziehe sich der Antrag vom ***** auf den Beschluss vom *****. Verfahrenshilfe werde ihm vorsätzlich verwehrt, des weiteren missachte das Erstgericht, dass er unverhältnismäßig untergebracht sei, folglich als psychisch krank zu behandeln sei und sohin laut Obersten Gerichtshof einem besonderen Rechtsschutz unterliege.
Die Entscheidung sei von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme, nämlich ob psychisch Kranken gemäß § 21 Abs 2 StGB die Verfahrenshilfe gesamtheitlich, insbesondere zur Einbringung einer Beschwerde an ein übergeordnetes Gericht iSd Art 47 GRC iVm Art 6 EMRK überhaupt verwehrt werden dürfe. Darüber hinaus entwende die Justiz monatlich einen Betrag von 1.400 Euro von seinem Pensions- und Pflegegeldkonto, bringe aber nicht einmal 200 Euro für den Erwerb von dringend benötigten Sehhilfen auf. Die Verfahrenshilfe sei weder aussichtslos noch mutwillig beantragt worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen iSd Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Verfahrenshilfe ist – wie vom Erstgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt - im gegenständlichen Verfahren nicht vorgesehen (RIS-Justiz RW0000767; Oberlandesgericht Wien 132 Bs 418/18t für viele andere).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Art 47 GRC ins Treffen führt, ist vorauszuschicken, dass dieser Bestimmung zufolge Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.
Die GRC gilt gemäß ihrem Art 51 Abs 1 erster Satz für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union . Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe fällt, wenn kein Zusammenhang mit der Umsetzung, Auslegung oder Vollziehung von Unionsrecht besteht, nicht in den Anwendungsbereich der GRC ( Holoubek/Oswald , GRC-Kommentar² Art 51 Rz 23).
Zunächst handelt es sich im vorliegenden Fall um keine unter Art 6 Abs 1 EMRK fallende Rechtssache, weil weder ein Verfahren über eine strafrechtliche Anklage, noch über eine Streitigkeit wegen „civil rights“ iSd Art 6 EMRK vorliegt.
Da auch ein Zusammenhang mit Unionsrecht iSd Art 51 GRC nicht vorliegt, ist die Charta – die nicht unter das Recht der Union fällt, da sie anderenfalls ihre eigene Anwendbarkeit auslösen würde ( Meyer/Hölscheidt , GRC 5 Art 51 Rz 55; Holoubek/Oswald, GRC-Kommentar 2 Art 51 Rz 25) - nicht anzuwenden. Damit kann der Anspruch auf Verfahrenshilfe nicht auf Art 47 GRC gestützt werden.
Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Bestimmungen der §§ 63 Abs 1 StPO und 8a Abs 7 VwGVG nach § 17 Abs 2 Z 2 StVG nicht zur Anwendung kommen und daher mit Zustellung des den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses die Beschwerdefrist nicht neuerlich zu laufen beginnt.