JudikaturOLG Wien

33R12/21h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. April 2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke füreinand (AM 10820/2020, 33 R 12/21h) und der Wortbildmarke füreinand (AM 10821/2020, 33 R 13/21f) über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts vom 20.11.2020, AM 10820/2020-5 und AM 10821/2020 5, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Rechtsmittelverfahren 33 R 12/21h und 33 R 13/21f werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist das Verfahren 33 R 12/21h.

II. Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils nicht zulässig.

Begründung

Text

Zu I.: Gemäß § 187 ZPO, gegen den heranzuziehen das Rekursgericht – auch trotz des Fehlens einer allgemeinen Verweisungsnorm im AußStrG – keine Bedenken hat, kann der Senat bei Parteienidentität Verfahren verbinden, wenn dadurch die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny ³ § 187 ZPO Rz 10; OLG Wien 34 R 11/14h, 34 R 38/14d, zuletzt 33 R 73/20b).

Zu II.: Die Antragstellerin begehrt die Eintragung der Wortmarke

füreinand

und der Wortbildmarke

jeweils für Dienstleistungen der Klassen

Mit den angefochtenen Beschlüssen wies die Rechtsabteilung des Patentamts die Anträge mit der Begründung ab, dass den Zeichen füreinand und füreinand´ die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehle. Das Wort „füreinander“ habe die Bedeutung: „einer für den anderen“ und „in einem kooperativen, wohlwollenden Verhältnis zueinander“. Diese Bedeutung mache das Wort zu einem Motto. In diesem Motto komme der Gedanke der Mitmenschlichkeit zum Ausdruck. Ein Motto sei aber nichts anderes als ein Leitgedanke, nach dem die Menschen ihr Handeln und Tun ausrichteten. Gerade bei Unternehmen sei es sehr beliebt, ein Motto oder einen Leitgedanken zu verwenden. Einem Zeichen, das vom Verkehr nur als Unternehmensleitbild erkannt werde, könne keine Unterscheidungskraft zugebilligt werden.

Dagegen richten sich die Rekurse der Antragstellerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, die Entscheidungen abzuändern und die angemeldeten Zeichen als Marken zu registrieren. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

1.1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rn 62; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; RS0118396; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .

1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

1.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Bei der Markenprüfung kann sich die zuständige Behörde auf eine globale Begründung für alle betroffenen Waren oder Dienstleistungen beschränken, wenn das selbe Eintragungshindernis einer Kategorie oder einer Gruppe von Waren oder Dienstleistungen entgegengehalten wird. Es ist keinesfalls erforderlich, dass sich allein aus der Marke eine konkrete Aussage über die Waren oder Dienstleistungen, etwa über ihre Art oder genaue Beschaffenheit, ergibt ( Asperger aaO Rz 58).

1.4. Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ( Asperger aaO § 4 Rz 65 mwN der Rsp; C 104/01, Orange , Rz 46 und 63; RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; 4 Ob 77/15z , Amarillo ).

1.5. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 4 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 4 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

1.6. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash ).

1.7. Der EuGH hat auch ausgesprochen, dass nicht nur die Eintragung einer ausschließlich beschreibenden Wortverbindung, sondern auch einer solchen Wortverbindung unzulässig ist, die geeignet ist, von anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Bezeichnung eines Merkmals ihrer Waren- oder Dienstleistungen verwendet zu werden (C 191/01 P, Doublemint Rn 32). Dies erklärt sich aus der Überlegung, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, dass Zeichen oder Angaben, die Waren- oder Dienstleistungen beschreiben, von jedermann frei verwendet werden können, weshalb es nicht erlaubt ist, dass solche Zeichen oder Angaben einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (C 191/01 P, Doublemint, Rn 31; C 265/00, Biomild, Rn 36).

Grundsätzlich verlangt die Beurteilung daher auch die Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Freihaltung von Zeichen. In der Judikatur findet dies seinen Niederschlag in der Vorgabe, dass die Verfügbarkeit für andere Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird. Hierbei ist eine potenzielle Beeinträchtigung in der Zukunft einer unmittelbaren und tatsächlichen Beeinträchtigung gleichzustellen ( Asperger aaO § 4 Rz 66 mwN).

2.1. Die von der Antragstellerin beanstandete rechtliche Beurteilung des Patentamts entspricht den angeführten Grundsätzen der Rechtsprechung, sodass vorab darauf verwiesen werden kann (§ 39 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

2.2. Das Adverb „füreinand“ (als umgangssprachliche Verkürzung von füreinander) bedeutet „ einer für den andern “ (https://www.duden.de). Es bezeichnet die gegenseitige Förderung oder den gegenseitigen Nutzen (Beispiele dafür: füreinander sorgen, Freunde sollen füreinander eintreten, sich füreinander einsetzen), die gegenseitige Bestimmung oder die Zugehörigkeit (Beispiele dazu: sie hatten Geschenke füreinander; sie sind wie füreinander geschaffen), die gegenseitige Zuneigung (Beispiel: füreinander Sympathie haben), die gegenseitige allgemeine Beziehung (Beispiele: Interesse, Verständnis füreinander haben; Hass, Verachtung füreinander empfinden; füreinander bürgen); die gegenseitige Stellvertretung (Beispiel: die Kollegen springen füreinander ein, vgl https://www.dwds.de/wb/füreinander).

Das Adverb „füreinand“, das von den beteiligten Verkehrskreisen mit „füreinander“ in der Bedeutung gleich gesetzt wird, ist ein beliebtes Werbemittel. Es handelt sich um ein Umstandsversprechen, das eine sich gegenseitig helfende Gemeinschaft signalisiert. Die Aussage vermittelt eine Stärkung des Gemeinsinns. Einer soll/wird für den anderen da sein.

Für die beanspruchten Dienstleistungen werden die beteiligten Verkehrskreise in den Zeichen (füreinand; füreinand´) einen Hinweis auf ein Serviceangebot diverser Hilfe- oder Förderleistungen in den verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens, wie im häuslichen, persönlichen (wozu auch die Auslieferung von Waren – wie beispielsweise Speisen – zählt), sozialen oder betrieblichen Bereich sehen. Auch wenn „füreinand“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen keinen unmittelbaren beschreibenden Bezug aufweist, werden die Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen, die sich thematisch mit der Hilfestellung oder der Kommunikation in unterschiedlichen Lebensbereichen befassen, als werbemäßige Anpreisung/Versprechen verstehen, dass die Dienstleistungen dazu bestimmt sind, gemeinsam (oder auch der eine für den anderen) zu handeln, um Menschen Hilfestellung anzubieten, die Kommunikation oder auch die Interaktion von Menschen zu stärken. Für alle beanspruchten Dienstleistungen ist das Zeichen daher nur eine allgemeine Werbeaussage (vgl BPatG 29 W (pat) 523/13, LANDSTIFTUNG MITEINANDER IN HESSEN ).

Entgegen den Ausführungen im Rekurs kann bereits das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen entscheidend sein und das Registrierungshindernis bewirken, dies auch ungeachtet des Umstands, dass es sich um einen kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt. Das Eintragungshindernis darf in keinem dieser Kreise vorliegen (vgl 4 Ob 77/15z).

2.3. Dem Bildanteil im angemeldeten Zeichen AM 10821/2020, kommt keine Kennzeichnungskraft zu, weil sich die grafische Gestaltung des Zeichens in einer in roter Farbe gehaltenen gängigen Schriftart und einem Apostroph am Wortende erschöpft. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist aber ohnehin in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält. Im vorliegenden Fall ist der Bildanteil des Zeichens im Verhältnis zum Gesamteindruck derart geringfügig, dass von einer einprägsamen bildlichen Komponente nicht gesprochen werden kann. Es tritt die gegenständliche Marke dem Konsumenten nicht als Wortbildmarke, sondern als Wortmarke vor Augen.

3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, die über einen Einzelfall hinaus bedeutsam sind (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Rückverweise