33R127/20v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Janschitz sowie den fachkundigen Laienrichter Hofrat DI Dr. Thalhammer in der Patentrechtssache der Antragstellerin E***** , vertreten durch die Patentanwälte Becker Müller in D-40878 Ratingen, gegen die Antragsgegnerin S***** , vertreten durch die Patentanwälte Sonn Partner in 1010 Wien, wegen Einspruch gegen das österreichische Patent AT 516 291 B1 über den Rekurs der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Technischen Abteilung des Patentamts vom 29.5.2020, 4B A 50787/2015-5-8, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben; dem Patentamt wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung
Text
Die Antragsgegnerin meldete am 15.9.2015 mit einer Priorität vom 25.9.2014 ein Patent unter dem Titel „Verfahren zum Beschichten eines Substrats sowie Beschichtungsanlage“ beim Patentamt an. Das Patent wurde der Antragsgegnerin am 15.2.2018 erteilt und unter der Nr. AT 516 291 B1 veröffentlicht. Die Patentansprüche der Patentschrift AT 516 291 B1 haben folgenden Wortlaut:
1. Verfahren zum Beschichten eines Substrats (16) mit einem Lack, mit den folgenden Schritten:
- der Lack wird auf das Substrat (16) mittels einer beweglichen Düse (20) aufgesprüht,
- anschließend wird der auf das Substrat (16) aufgetragene Lack mit Lösungsmittel besprüht.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsmittel lokal auf den aufgetragenen Lack gesprüht wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Aufsprühen des Lackes und dem Besprühen des aufgetragenen Lackes mit Lösungsmittel der Lösungsmittelanteil des aufgetragenen Lackes so weit verringert wird, dass der aufgetragene Lack erstarrt.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet , dass das Substrat (16) während des Aufsprühens des Lackes beheizt wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der aufgetragene Lack das Substrat (16) nach dem Aufsprühen des Lackes beheizt wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack während des Aufsprühens beheizt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack nach dem Aufsprühen beheizt wird.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack auf das Substrat (16) in einem vorbestimmten Sprühmuster, vorzugsweise in parallelen Bahnen (B), aufgesprüht wird, wobei das Lösungsmittel ebenfalls gemäß dem Sprühmuster auf den aufgetragenen Lack gesprüht wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Dauer zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Lack an einer Stelle des Substrats aufgesprüht wird, und dem Zeitpunkt, zu dem diese Stelle mit dem Lösungsmittel besprüht wird, konstant ist.
10 . Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack mittels einer Lackdüse (20) auf das Substrat (16) aufgesprüht wird und das Lösungsmittel mittels einer von der Lackdüse (20) separaten Lösungsmitteldüse (22) gesprüht wird.
11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) oberhalb des Substrats (16) parallel zum Substrat (16), insbesondere gleichzeitig, bewegt werden.
12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Lösungsmitteldüse (22) bei Bewegung der Lackdüse (20) und der Lösungsmitteldüse (22) dem Pfad der Lackdüse (20) folgt.
13. Verfahren nach Anspruch 11 oder 12, dadurch gekennzeichnet, dass die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) in wenigstens einer zum Substrat (16) parallelen Ebene in parallelen Bahnen (B) oberhalb des Substrats (16) bewegt werden, wobei der Abstand (a) zwischen der Lackdüse (20) und der Lösungsmitteldüse (22) dem Doppelten oder einem geradzahligen Vielfachen des Abstandes (b) der Bahnen (B) entspricht.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass, wenn mehrere Lackschichten auf dem Substrat (16) aufzubringen sind, das Besprühen des aufgetragenen Lackes mit Lösungsmittel nach dem Aufsprühen der letzten Lackschicht erfolgt.
15 . Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass beim Aufsprühen der letzten Lackschicht der Lack einen größeren Lösungsmittelanteil aufweist als der Lack der zuvor aufgesprühten Lackschichten.
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der aufgetragene Lack mehrmals mit Lösungsmittel besprüht wird.
17. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsmittel Aceton ist.
18 . Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsmittel Methylketon ist.
19. Beschichtungsanlage zum Belacken von Substraten (16), insbesondere Substraten (16) mit Topographien, mit einem Substrathalter (12), einer Lackdüse (20), einer Lösungsmitteldüse (22) und einer Bewegungsvorrichtung (14), an der die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) in einem bestimmten Abstand (a) zueinander angeordnet sind, wobei die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) mittels der Bewegungsvorrichtung (14) oberhalb des Substrathalters (12) gemeinsam bewegbar sind.
20. Beschichtungsanlage nach Anspruch 19, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtungsanlage (10) eine Heizvorrichtung aufweist, insbesondere der Substrathalter (12) mit einem Heizelement (18) versehen ist.
21. Beschichtungsanlage nach Anspruch 19 oder 20, dadurch gekennzeichnet, dass die Bewegungsvorrichtung (14) derart ausgebildet ist, dass sie die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) in wenigstens einer zum Substrathalter (12) parallelen Ebene in parallelen Bahnen (B) oberhalb des Substrathalters (12) verfahren kann, wobei der Abstand (a) zwischen der Lackdüse (20) und der Lösungsmitteldüse (22) dem Doppelten oder einem geradzahligen Vielfachen des Abstandes (b) der Bahnen (B) entspricht.
22. Beschichtungsanlage nach einem der Ansprüche 19 bis 21, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstand (b) der Bahnen (B) etwa dem Durchmesser des von der Lackdüse (20) erzeugten Lackstrahls auf dem zu beschichtenden Substrat (16) entspricht.
Die Antragsstellerin erhob Einspruch und brachte zusammengefasst vor, das der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Beschichten eines Substrats (16) mit einem Lack, mit den folgenden Schritten:
- der Lack wird auf das Substrat (16) aufgesprüht,
- anschließend wird der auf das Substrat (16) aufgetragene Lack mit Lösungsmittel besprüht,
umfasst habe. Im Prüfungsverfahren sei in den Patentanspruch 1 das Merkmal aufgenommen, wonach der Lack auf das Substrat (16) mittels einer beweglichen Düse (20) aufgesprüht werde. Der Gegenstand des Patentanspruchs sei unzulässig über die ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus erweitert worden. Weiters macht die Antragstellerin noch geltend, dass der Gegenstand des erteilten Patents weder neu noch erfinderisch sei.
Die Anspruchsgegnerin bestritt und beantragte, das Patent aufrecht zu erhalten, jedoch zumindest „gemäß einem der Hilfsanträge aufrecht zu erhalten“.
Sie brachte zusammengefasst und soweit hier wesentlich vor, dass das Verfahren des erteilten Anspruches 1 neu und erfinderisch sei. Hilfsantrag 1 entspräche dem Hauptantrag, wobei in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 klargestellt worden sei, dass die Düse oberhalb des Substrats beweglich sei. Zudem sei in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 aus der Beschreibung das Merkmal in die Patentansprüche aufgenommen, wonach „die Bewegung [der Düse] einem vorbestimmten Pfad folgt und die Düse so ein vorbestimmtes Sprühmuster abfährt“, sowie das Merkmal, wonach der Lack „mittels einer beweglichen Düse“ aufgesprüht werde.
Das Verfahren des Anspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1 und entsprechend gemäß den Hilfsanträgen 2b, 3b, 4b, 5b, 6b und 7b sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen zweifelsfrei offenbart. Durch Aufnahme dieser weiteren Merkmale fordere (Hilfs)Anspruch 1 nun, dass sowohl die Düse für den Lack als auch die Düse für das Lösungsmittel beweglich seien. Die von der Antragstellerin behauptete unzulässige Erweiterung sei spätestens durch diese Änderung hinfällig.
Das Verfahren des Anspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei neu und erfinderisch.
Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief die Technische Abteilung teilweise das (ursprünglich erteilte) Patent AT 516 291 B1 und hielt es wie folgt aufrecht:
1 . Verfahren zum Beschichten eines Substrats (16) mit einem Lack, mit den folgenden Schritten:
- der Lack wird auf das Substrat (16) mittels einer oberhalb des Substrats beweglichen Düse (20) aufgesprüht, wobei die Bewegung dabei einem vorbestimmten Pfad folgt und die Düse (20) so ein vorbestimmtes Sprühmuster abfährt
- anschließend wird der auf das Substrat (16) aufgetragene Lack mittels einer beweglichen Düse (22) mit Lösungsmittel besprüht.
2 . Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsmittel lokal auf den aufgetragenen Lack gesprüht wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Aufsprühen des Lackes und dem Besprühen des aufgetragenen Lackes mit Lösungsmittel der Lösungsmittelanteil des aufgetragenen Lackes so weit verringert wird, dass der aufgetragene Lack erstarrt.
4 . Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Substrat (16) während des Aufsprühens des Lackes beheizt wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Substrat (16) nach dem Aufsprühen des Lackes beheizt wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack während des Aufsprühens beheizt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack während des Aufsprühens beheizt wird.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack auf das Substrat (16) in einem vorbestimmten Sprühmuster, vorzugsweise in parallelen Bahnen (B), aufgesprüht wird, wobei das Lösungsmittel ebenfalls gemäß dem Sprühmuster auf den aufgetragenen Lack gesprüht wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Dauer zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Lack an einer Stelle des Substrats aufgesprüht wird, und dem Zeitpunkt, zu dem diese Stelle mit dem Lösungsmittel besprüht wird, konstant ist.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Lack mittels einer Lackdüse (20) auf das Substrat (16) aufgesprüht wird und das Lösungsmittel mittels einer von der Lackdüse (20) separaten Lösungsmitteldüse (22) gesprüht wird.
11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) oberhalb des Substrats (16) parallel zum Substrat (16), insbesondere gleichzeitig, bewegt werden.
12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Lösungsmitteldüse (22) bei Bewegung der Lackdüse (20) und der Lösungsmitteldüse (22) dem Pfad der Lackdüse (20) folgt.
13. Verfahren nach Anspruch 11 oder 12, dadurch gekennzeichnet, dass die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) in wenigstens einer zum Substrat (16) parallelen Ebene in parallelen Bahnen (B) oberhalb des Substrats (16) bewegt werden, wobei der Abstand (a) zwischen der Lackdüse (20) und der Lösungsmitteldüse (22) dem Doppelten oder einem geradzahligen Vielfachen des Abstandes (b) der Bahnen (B) entspricht.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass, wenn mehrere Lackschichten auf dem Substrat (16) aufzubringen sind, das Besprühen des aufgetragenen Lackes mit Lösungsmittel nach dem Aufsprühen der letzten Lackschicht erfolgt.
15. Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass beim Aufsprühen der letzten Lackschicht der Lack einen größeren Lösungsmittelanteil aufweist als der Lack der zuvor aufgesprühten Lackschichten.
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der aufgetragene Lack mehrmals mit Lösungsmittel besprüht wird.
17. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsmittel Aceton ist.
18. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsmittel Methylketon ist.
19. Beschichtungsanlage zum Belacken von Substraten (16) mit Topographien, mit einem Substrathalter (12), einer Lackdüse (20), einer Lösungsmitteldüse (22) und einer Bewegungsvorrichtung (14), an der die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) in einem bestimmten Abstand (a) zueinander angeordnet sind, wobei die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) mittels einer Bewegungsvorrichtung (14) oberhalb des Substrathalters (12) gemeinsam bewegbar sind.
20. Beschichtungsanlage nach Anspruch 19, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtungsanlage (10) eine Heizvorrichtung aufweist, insbesondere der Substrathalter (12) mit einem Heizelement (18) versehen ist.
21. Beschichtungsanlage nach Anspruch 19 oder 20, dadurch gekennzeichnet, dass die Bewegungsvorrichtung (14) derart ausgebildet ist, dass sie die Lackdüse (20) und die Lösungsmitteldüse (22) in wenigstens einer zum Substrathalter (12) parallelen Ebene in parallelen Bahnen (B) oberhalb des Substrathalters (12) verfahren kann, wobei der Abstand (a) zwischen der Lackdüse (20) und der Lösungsmitteldüse (22) dem Doppelten oder einem geradzahligen Vielfachen des Abstandes (b) der Bahnen (B) entspricht.
22. Beschichtungsanlage nach einem der Ansprüche 19 bis 21, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstand (b) der Bahnen (B) in etwa dem Durchmesser des von der Lackdüse (20) erzeugten Lackstrahls auf dem zu beschichtenden Substrat (16) entspricht.
Rechtlich folgerte die Technische Abteilung, dass die Ansprüche 1 bis 22 des (ursprünglich erteilten) Streitpatents neu und die Ansprüche 8, 9, 11 bis 13, 15, 16 und 19 bis 22 auch erfinderisch seien, während die Ansprüche 1 bis 7, 10, 14, 17 und 18 nicht erfinderisch seien.
Da jedoch der Hauptanspruch 1 neu sei, müsse auch der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 neu gegenüber dem Stand der Technik sein. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ergebe sich nicht in naheliegender Art und Weise aus einem der diskutierten Dokumente oder durch Zusammenschau dieser Dokumente. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei daher erfinderisch. Da der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 neu und erfinderisch sei, seien auch die Unteransprüche 2 bis 18 neu und erfinderisch. Der Anspruch 19 sei auf ein zwingendes Merkmal eingeschränkt worden; die Unteransprüche 20 bis 22 des Hilfsantrags 1 stimmten mit denen des Streitpatentes überein. Die Neuheit und Erfindungshöhe sei daher gegeben. Das Streitpatent AT 516 291 B1 sei demnach teilweise zu widerrufen und im Umfang der vorgelegten Ansprüche 1 bis 22 des Hilfsantrags 1 aufrechterhalten.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Rekurs Folge zu geben und den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass das Patent AT 516 291 B1 im vollen Umfang widerrufen werde; hilfweise den Beschluss aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Patentamt zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
1. Die Antragstellerin wendet sich im Rekurs gegen die rechtliche Beurteilung der Technischen Abteilung, wonach der Hauptanspruch des Hilfsantrags 1 neu und erfinderisch sei. Sie erstattet dazu neues Tatsachenvorbringen samt Beweisanboten.
Dem tritt die Antragsgegnerin unter Verweis auf das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot nach § 139 Z 3 PatG entgegen. Sie weist insbesondere darauf hin, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Vorveröffentlichung D2 im Einspruch kein Tatsachenvorbringen erstattet habe.
2. Im Falle eines Einspruchs aufgrund mangelnder Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber vorveröffentlichten Druckschriften ist der Einspruch dann ausreichend substantiiert, wenn neben der nummernmäßigen Zitierung der jeweiligen Druckschriften auch begründet wird, aufgrund welchen Umstands die jeweilige Druckschrift neuheitsschädlich sein soll, was insbesondere durch die Angabe der Seitenzahl sowie des Absatzes und der Zeile(n) oder durch Bezugnahme auf bestimmte erläuternde Zeichnungen sowie Gegenüberstellungen mit den technischen Merkmalen des begehrten Schutzbegehrens erfüllt ist. Eine rein ziffernmäßige Aufführung bestimmter Druckschriften reicht grundsätzlich nicht ( Stadler/Gehring in Stadler/Koller, PatG § 102 Rz 12 mwN).
3. Im vorliegenden Fall erlangte die Antragstellerin erst mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung davon Kenntnis, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren neues Vorbringen erstattet und mehrere Hilfsanträge gestellt hat (vgl dazu Stadler/Gehring in Stadler/Koller, PatG § 103 Rz 6). Die Argumente der Antragstellerin im Einspruch konnten sich naturgemäß nur auf das ursprünglich erteilte Schutzbegehren beziehen. Die Hilfsanträge wurden von der Antragsgegnerin schließlich erst nach dem Einspruch in der Einspruchserwiderung gestellt. Die Technische Abteilung hielt in der Folge in der angefochtenen Entscheidung das Patent in der Fassung des der Antragstellerin nicht bekannten Hilfsantrags 1 aufrecht.
4. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist aus Anlass eines zulässigen Rekurses auch von Amts wegen wahrzunehmen (§ 55 Abs 3 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG). Aus § 58 Abs 1 und 3 AußStrG ergeben sich hier jedoch Einschränkungen. Demnach führt ein Fall des § 58 Abs 1 AußStrG nicht zur Aufhebung, wenn sich schon aus den Rekursausführungen ergibt, dass die angefochtene Entscheidung zu bestätigen ist oder ohne weitere Erhebungen abgeändert werden kann. Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs iwS wirkt – im Gegensatz zu den Nichtigkeitsgründen der ZPO – daher nicht absolut und führt nicht in jedem Fall zur Aufhebung. Das Rekursgericht hat die Entscheidung zu bestätigen, wenn selbst nach den eigenen Angaben des Rekurswerbers kein anderes Verfahrensergebnis zu erwarten ist. Wenn hingegen der Beschluss aufgrund der Angaben der in erster Instanz nicht gehörten Partei nicht bestätigt werden kann, ist er nach § 58 Abs 3 AußStrG abzuändern. Nur dann, wenn weitere Erhebungen erforderlich sind, ist mit Aufhebung vorzugehen ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I 2 § 58 Rz 16 ff; RS0119971).
5. Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren keine Gelegenheit, sich zu den von der Antragsgegnerin gestellten Hilfsanträgen zu äußern, weil ihr diese nicht zugestellt wurden.
Die Gegenschrift ist aber dann zuzustellen und dem Einsprechenden Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben, wenn der Patentinhaber als Reaktion auf den Einspruch die Patentansprüche einschränkt – sei es durch Verzicht oder durch einen entsprechenden (Eventual-)Antrag im Einspruchsverfahren selbst – und damit eine neue Sachlage schafft. Dies ist im Hinblick auf das rechtliche Gehör des Einsprechenden notwendig, zumal eine Überraschungsentscheidung vermieden werden sollte (vgl Stadler/Gehring, Verfahren vor dem Patentamt, Rz 1183 mwN).
Sind weitere Erhebungen erforderlich, so hat diese nicht das Rekursgericht durchzuführen, sondern die erste Instanz, weil dem in seinem Recht auf Gehör Verletztem nicht eine Instanz genommen werden soll ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka Außerstreitgesetz 3 § 58 Rz 1).
Im vorliegenden Fall ist nicht absehbar, welche Erhebungen noch notwendig sein werden, weil die Hilfsanträge der Antragstellerin noch gar nicht zugestellt wurden. Eine Sanierung der Unterlassung der Zustellung der Hilfsanträge im Sinne eines Vorrangs der Sachentscheidung durch das Rekursgericht kommt hier nicht in Betracht, weil die Gehörverletzung mit der Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung einhergeht. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben.
Die Technische Abteilung wird im fortgesetzten Verfahren im ersten Schritt der Antragstellerin die Einspruchserwiderung und die Hilfsanträge zuzustellen haben. Es wird der Antragstellerin unter einem die Möglichkeit einzuräumen sein, sich binnen einer von der Technischen Abteilung zu bestimmenden Frist dazu zu äußern. Die Technische Abteilung wird danach nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden haben, ob es weitere Verfahrensschritte/Erhebungen für erforderlich hält oder ob es sofort in der Sache neu entscheidet.
In Stattgebung des Rekurses war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Technische Abteilung zurückzuverweisen.